Filmkritik: Die Glorreichen Sieben (2016)

Filmkritik: Die Glorreichen Sieben (2016)

Politik, Politik, Politik – man könnte meinen, es gäbe nichts anderes mehr. Auch ich habe mich in der letzten Zeit viel zu sehr mit Politik beschäftigt, und dabei Dinge, die mir eigentlich Spaß machen, vernachlässigt. Dinge wie Kino zum Beispiel.

Ich liebe Filme. Nein, das ist eigentlich falsch – ich liebe Geschichten; gute Geschichten, egal ob auf Papier, Film, in ein Computerspiel verpackt oder einfach im Stegreif erfunden. Ich liebe packende Charaktere; charismatische Bösewichte; widerwillige Helden und ähnliche Protagonisten, die mich in eine Handlung hineinziehen und mich mit ihnen bangen lassen.

Was mich ohne Umschweife zu den Glorreichen Sieben bringt – einem Film, der keine dieser Qualitäten aufweisen kann.

Aber der Reihe nach – ein Blick in die Vorgeschichte des nunmehr verfilmten Stoffes lohnt sich: Das derzeit in den Kinos laufende Machwerk ist ein "Remake" (also eine qualitativ schlechtere Neuverfilmung eines alten, höherwertigen Filmes, die mit dem Vorsatz der Einnahmenmaximierung ohne großes Risiko das Okay eines Studios bekam) des gleichnamigen grandiosen Westerns aus 1960, in denen Yul Brynner, Steve McQueen und Charles Bronson verzweifelten Dorfbewohnern helfen, sich gegen eine zahlenmäßig weit überlegene Banditenbande zur Wehr zu setzen. Doch auch die "originalen" Glorreichen Sieben hatten noch ältere Wurzeln – nämlich den japanischen Film "Die Sieben Samurai" aus 1954; einen überlangen Schwarz-Weiß-Film, in dem Sieben Samurai – erraten! - ein Dorf vor zahlenmäßig weit überlegenen Banditen verteidigen müssen. Ein Meisterwerk der japanischen Filmkunst mit bis heute spürbaren Folgen auf die Kinowelt – wie auch heuer wieder zahlreichen Zusehern schmerzhaft vor Augen geführt wird, die sich die nunmehrige "Neuauflage" dieses klassischen Stoffes zu Gemüte führen.

Was genau macht diese Neuauflage nunmehr so schaurig (Anmerkung: Ab hier übernehme ich für eventuelle Spoiler keine Haftung)?

1) Der Bösewicht:

Jede gute Story benötigt einen passenden Bösewicht mit nachvollziehbarer Motivation und Glaubwürdigkeit. Unabhängig davon, ob der Gegenspieler der Helden als unberechenbares Monster (i.e. Der weiße Hai in "Der weiße Hai", der Killer in "Sieben";), als skrupellos kalkulierendes Mastermind (beliebigen James Bond-Fiesling hier einsetzen), eiskalter Vollstrecker (der Operative in "Serenity", Darth Vader in "Star Wars";) oder charismatischer, fast schon "netter" Kerl daherkommt – er muss glaubwürdig sein, nachvollziehbare Motive haben, irgendwie ins "Bild" passen.

Die "Originale" der Glorreichen Sieben haben als Bösewichte jeweils eine Banditenbande ins Treffen geführt, deren Anführer nach außen sich zunächst jovial den – ins Mark verängstigten – Dorfbewohnern gegenüber gegeben hat. Der Horror ergab sich für die Zuseher zunächst aus der verängstigten Reaktion, wenn ihnen der Banditenboss mit einem herzhaften Lachen auf die Schulter klopfte – erst nach und nach zeigte sich, dass sich hinter dem Lachen ein eiskalter Killer versteckte. Auch die Banditen hatten ein nachvollziehbares Motiv – sie nahmen den Dorfbewohnern das Essen, um selber nicht zu verhungern! Dies erklärte den fanatischen Eifer, mit dem sie sich ins Gefecht stürzten.

Und in der Neuauflage? Die Rolle des Böslings wird von Bartholomew Bogue, ein skrupelloser Unternehmer, der das Land der Dorfbewohner aus rein monetären Gründen haben möchte. Warum er genau das Land er Dörfler will, das in einer Ebene steht (obwohl er bereits eine Mine in unmittelbarer Nähe hat), wird ebensowenig erklärt, wie die Loyalität seiner Blackstone Söldner, die von ihm gedankenlos in den Tod beordert werden und auch seine Befehle gedankenlos befolgen (Ziel eines jeden Söldners ist es, lange genug zu überleben, um seinen Lohn auszugeben – und nicht für den Bastard, der ihm selbigen Lohn auszahlt, zu sterben). Bogue selbst erfüllt sämtliche Klischees; jede Motivation über Geld hinaus wird ihm abgesprochen (markanterweise wird "Kapitalismus" von ihm selbst als Motiv genannt – die Holzhammer-Methode der moralischen Filmemacherei. Dass es unter dem Strich wohl billiger gewesen wäre, den Dorfbewohnern ein gutes Angebot zu machen, und sich eine Söldnerarmee zu sparen, scheint dem Herrn nicht zu kommen – und hätte wohl auch nicht zum Moralisieren getaugt). Selbst der Grund seiner persönlichen Anwesenheit beim Endkampf bleibt unerörtert – oder weshalb er sich schlussendlich selbst in Gefahr begibt. Aber tatsächlich war diese stereotype Darstellung von Bogue erforderlich, um die Handlungen des Hauptcharakters gegen Ende irgendwie erträglich zu machen – die Entmenschlichung des Gegners, um diesem Unmenschliches anzutun, ohne die moralische Überlegenheit des "Helden" zu gefährden.

So stereotyp die Darstellung des Charakters "Bogue" ist, so erratisch ist sein Handeln. Die Bosse der Banditenbanden hatten gute Gründe, das Dorf persönlich anzugreifen – Nahrung; Loyalität ihrer Männer. Welchen Grund hatte ein Industriemagnat, seine Villa zu verlassen, und mit Söldnern zu einem einfachen Dorf zu reisen – und sich dort in Lebensgefahr zu begeben, nachdem seine Söldnerarmee geschlagen wurde?

2) Die Helden

Im Vorfeld wurde der Film bereits gelobt, ob seiner "selbstverständlichen" Darstellung von "Minderheiten" – so mimt Denzel Washington einen schwarzen Cowboy; die Gruppe beinhaltet einen Asiaten, einen Mexikaner und einen Indianer; das Zusammenwirken dieser Charaktere wird als selbstverständlich dargestellt.

Schon bei nur oberflächlichem Hinsehen wird jedoch klar, dass auch hier mit klassischen Stereotypen gearbeitet wird. So ist der Asiate (wenig überraschend) mit Messern bewaffnet und streitet mit einem exotischen Kampfstil; der Indianer schließt sich der Gruppe ohne jeden nachvollziehbaren Grund an (natürlich nicht, bevor er das rohe Fleisch eines Hirsches mit dem Anführer der - zu diesem Zeitpunkt noch – Glorreichen Sechs teilt) – und kämpft stilecht mit Pfeil und Bogen.

Und ob es tatsächlich ein Fortschritt ist, die Existenz eines schwarzen Cowboys wenige Jahre nach dem Bürgerkrieg und der Abschaffung der Sklaverei fast als Selbstverständlichkeit darzustellen, bleibt dahingestellt – meiner Meinung nach handelt es sich dabei um das Verschweigen der Verbrechen, die auch nach dem Bürgerkrieg gegen die afroamerikanische Bevölkerung begangen wurden, und einer Negierung all der Kämpfe und Konflikte, die ausgetragen werden mussten, bis ein Präsident Obama möglich wurde – meines Erachtens somit die perfideste Art des Whitewashing; es wird der heutigen Generation suggeriert, ein schwarzer Cowboy sei damals "selbstverständlich" gewesen.

Ungeachtet dessen ist die Art, wie die Gruppe zusammenfindet, eher dem "Coolnessfaktor" geschuldet als irgendwelchen logischen Überlegungen; so bleibt bis zuletzt rätselhaft, auf welcher Grundlage sich der Indianer und der Mexikaner der Gruppe anschließen; auch die Motivation von D'Onofrios Charakter sich der Gruppe anzuschließen bleibt gänzlich unerforscht.

Und dass die Hauptdarstellerin (verkörpert von Haley Bennett) als offensichtlich einzige Dame im Wilden Westen, die nicht dem horizontalen Gewerbe nachgeht, massig Haut zeigt, wäre schon seltsam genug – erschwerend kommt hinzu, dass der Charakter frisch verwitwet wurde. Nicht, dass ich mich beschweren würde, aber... Nein, Moment: ich beschwere mich darüber! Wie soll ich der Dame die trauernde Witwe abkaufen, wenn sie – offensichtlich auf Weisung der Regie hin – das offenherzigste Outfit des Westens trägt? Dies ist nicht Prüderie meinerseits, sondern – angesichts der konservativen Kleidung nahezu aller anderen Frauen im Film – ein offensichtlicher Versuch, das männliche Zielpublikum bei Laune zu halten.

Aber auch die Charakterisierung des von Chris Pratt verkörperten Josh Farraday bleibt widersprüchlich – beim gemeinsamen Abendessen der Gruppe ist ihm das Wort "Silbe" unbekannt; am nächsten Tag spricht er von "statistischer Wahrscheinlichkeit". Dies mag seiner Karriere als Spieler geschuldet sein; doch ich erblicke darin doch einen Widerspruch in der Figur, der leicht zu vermeiden gewesen wäre. Offensichtlich waren die Drehbuchschreiber allerdings damit beschäfttigt, Farraday als "coolen Draufgänger" erscheinen zu lassen; es war folglich denkunmöglich, einen markigen Sager diesem Charakter NICHT in den Mund zu legen.

Einzig die Darstellungen von Vincent D'Onofrio und Ethan Hawke sind einigermaßen nachvollziehbar und glaubwürdig – wenngleich der Gesinnungswandel des Charakters von Ethan Hawke (Goodnight Robicheaux, einem ehemaligen Südstaaten-Soldaten) in letzter Sekunde gänzlich unerklärt bleibt.

3) Persönliches rotes Tuch

Wie katholisch kann ein Film sein?! Während die Originale kaum religiöse Referenzen hatten, ist dieser Film voll davon - sei es der Bibelzitate schwingende Rolle des Vincent D'Onofrio, sei es die zentrale Rolle der Kirche (so hat die Kirche sowohl in der ersten Szene, als auch im Showdown eine zentrale Rolle), sei es das unaufhörliche Gebet, das sich wie ein roter Faden durch den Film zieht. Der einzige Charakter, der nicht zu beten vermag, ist der Bogue, der es trotz vorgehaltener Waffe nicht schafft, Gott um Vergebung zu bitten.

4) Urteil

Trotz aller Kritikpunkte hatte der Film durchaus kurzweiliges zu bieten; der Endkampf ließ streckenweise Spannung aufkommen, und auch einzelne Dialoge waren durchaus amüsant; insbesondere die Beziehung zwischen Washingtons und Hawkes Charakter waren durchaus interessant. Unterm Strich sind die Charaktere jedoch zu platt, um irgendein Interesse an ihrem Schicksal zu wecken; die Optik ist oftmals missglückt und wirken die Wildweststädte oft seltsam leer und leblos (selbst vor den Schießereien); die Action verläuft unübersichtlich und lässt nur selten echte Spannung aufkommen; die Handlungen der Charaktere – insbesondere Bogues – sind erratisch und nicht nachvollziehbar.

Das Endurteil kann somit nur hart ausfallen: 2 von 5 Grummelpunkten.

Meine Empfehlung: Statt dem Geld fürs Kinoticket lieber die Glorreichen Sieben (1960) auf DVD kaufen und sich einen gemütlichen Abend auf dem heimatlichen Sofa machen. Und wer ganz mutig ist, mag sich den ganzen Abend freinehmen, und mehr als 200 Minuten die Sieben Samurai im Originalton mit Untertitel geben – der Film wird schneller vorübergehen, als die Glorreichen Sieben (2016)!

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julbing

julbing bewertete diesen Eintrag 09.10.2016 18:05:15

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