Screenshot Youtube Agentur Jung von Matt https://www.youtube.com/watch?v=uWzzbmvSpCQ

Da denkt man, die Aufregung um die Bundespräsidentenwahl sei vorüber, das letzte Wort gesprochen. Van der Bellen ist unser Bundespräsident, daran gibt es nichts zu rütteln. Ende.

Und dann das:

"Frau Gertrude" - wir erinnern uns, jener last-minute Videobeitrag, der Van der Bellen im Wahlkampffinish noch einmal ordentlich ins Gerede gebracht hat. Diesem "Frau Gertrude Clip" wurde jetzt, nach geschlagener Wahl, auf einer Werbegala der "Grand Prix" verliehen, als "Werk" der - wie sich jetzt herausgestellte - Werbeagentur Jung von Matt/Donau, die über 200 andere Werbeclips für Van der Bellen während des Präsidentschaftswahlkampfes gestaltet hat.

Wie war das noch gleich, damals....?

Screenshot Facebook / Van der Bellen

Ich habe das Video damals gesehen, und nochmals heute. Bewegende Worte einer Überlebenden, die aber teilweise auch ungerechtfertigt hart mit dem politischen Gegner ins Gericht gehen, und ihm Sachverhalte und Tendenzen unterstellen, die sich aus der Vita und der persönlichen Meinung einer Holocaust-Überlebenden (Die Existenz von Frau Gertrude und deren Lebenslauf stehen ja unstrittig fest) erklären und rechtfertigen lassen. Als offizielle Stellungnahme eines politischen Kandidaten wären derartige Angriffe jedoch mehr als nur unbotmäßig.

Und nirgendwo in dem Video - weder am Anfang, noch am Ende - ein Hinweis auf die Schöpfer des Videos. Kein Hinweis auf eine Werbeagentur. Kein Hinweis darauf, wer die Finanzierung des Videos übernommen hatte - es sollte offensichtlich der Eindruck eines nachbearbeiteten "Home Videos" entstehen.

Tatsächlich sei das Video so entstanden, dass Frau Gertrude sich selbstständig mit ihrer Tochter (wer genau dies ist, ob diese politisch tätig ist oder nicht ist natürlich nicht bekannt) bei VdBs Wahlkampfteam gemeldet hatte. "Wenig später besuchten sie zwei Mitarbeiter, unterhielten sich mit ihr eine Stunde lang und verarbeiteten das Gespräch zu dem kurzen Video."

Und heute?

Zwar sei Frau Gertrude angeblich nach wie vor persönlich an das Team von Van der Bellen herangetreten. Aber das Video - und die Art seiner Verbreitung - sind das Werk einer Werbeagentur, deren Handschrift zwar erkennbar ist, aber deren Urheberschaft nirgends bekanntgegeben wurde.

Was genau die Werbeagentur Jung von Matt/Donau noch an dem Video gestaltet hat (Skript?); welche Informationen der Frau Gertrude noch gegeben wurden; welche Anweisungen, worüber sie zu sprechen hat - all das lässt sich nicht mehr herausfinden. Oder denkt wirklich, dass eine professionelle Werbeagentur sich hingesetzt hätte, und Frau Gertrude einfach nur gefilmt hätte? Auf welche Fragen hat Frau Gertrude da geantwortet? Was wurde weggeschnitten?

All das lässt sich nicht mehr herausfinden. Und bei mir als Wähler, bei mir kommt irgendwie nur das Gefühl hoch, verarscht worden zu sein. Verarscht, weil der "große Saubermann" es nicht geschafft hat, einen von seinem Wahlkampfteam finanzierten Spot klar als solchen zu kennzeichnen. Offenzulegen, dass der Clip von einer professionellen Werbeagentur gestaltet wurde - und nicht dem engsten Familienkreis oder einigen Mitarbeitern seines Wahlkampfteams, die mal eben auf eine Stunde vorbeigeschaut hätten, wie der Clip und die damalige Berichterstattung suggerierte.

Und verbittert stelle ich da nur noch fest, dass unser Bundespräsident selbst an der Werbegala teilnahm - und dies mit folgenden Worten kommentierte:

"Die Kreativen unseres Landes sorgen mit ihren Ideen dafür, dass Menschen auf eine besondere Art und Weise berührt und erreicht werden. Dafür möchte ich ihnen meinen Respekt und meine Anerkennung ausdrücken. Ein ganz besonderer Dank und große Anerkennung gehen an Frau Gertrude, die ein großartiges Vorbild für uns alle ist."

"Auf besondere Art und Weise berührt und erreicht". Natürlich ist damit gemeint - auf eine besondere Art, die ihm, VdB, es ermöglichte, jetzt als Präsident derartige Worte auf solchen Veranstaltungen zu sprechen.

Fast schon wie Hohn mutet es an, dass der Werbehoax "Pistenraupe im "falschen" Seefeld" auch mit einem Preis ausgestattet worden wäre - wenn der Beitrag nicht zurückgezogen worden wäre. Also wurde "Frau Gertrude" nicht nur von einer Fachjury ausgewählt, sondern als "Beitrag" offensichtlich zuvor eingereicht - um die "Kreativität" der Werbeagentur ins rechte Licht zu rücken? Worin genau bestand der künstlerische Beitrag der Werbeagentur, der sie veranlasste, den Clip einzureichen?

Werden wir das jemals erfahren?

Das Niedrigste herrscht vor

Ich kann mich den Worten von Frau Gertrude nur anschließen. Das Niedrigste herrscht vor. Täuschung durch Verschweigen wichtiger Zusatzinformationen, Heruntermachen des Gegners, Verleumdungen - all das gehören offensichtlich zum guten Ton neuerdings. Und während das bei Pistenraupen, die man zum Zwecke der werbewirksamen Generierung von Fake News in falschen Orten abstellt, noch einen gewissen Unterhaltungswert hat, scheint dies bei Werbevideos für Politiker (solange sie der richtigen Weltanschauung angehören, natürlich) sogar eine Tugend zu sein.

Mehr noch - man kann sich dafür einen "Grand Prix" abholen, und wird von der Hautevolee im Beisein des Bundespräsidenten beklatscht. Während das dumme geprellte Wahlvolk dem Geschehen von außen mit offenen Mäulern nur zusehen kann.

Wundert sich noch irgendwer über den Vertrauensverlust in der Politik?

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