Ich bin einer, den man in Österreich so schön einen "i-Tüpferl-Reiter" nennt. Ein Pedant. Ein Rechthaber. Und, schlimmer noch - all das mit einem ansatzweisen Elefantengedächtnis.
Und nach der ersten - aufgrund der inflationären Welle an Anlässen aber bereits abgeschwächten - Schockreaktion auf den Terroranschlag von Stockholm am Freitag habe ich mich an einen von Präsident Trumps Ausrutscher erinnert - #lastnightinsweden .
Der damalige Aufschrei war natürlich gewaltig, und so hat die schwedische Regierung (das Außenministerium konkret) eine Stellungnahme veröffentlicht, in der auf diverse Vorwüfe eingegangen wurde - unter anderem die "Gefahr der Islamisierung", gestiegene Zahl von Vergewaltigungen und auch - so zumindest meine Erinnerung - "Terroranschläge". Wie @robby in seinem Blog "Faktencheck im angeblichen failed state" darlegte, wurde in dieser Erklärung ja auch vom letzten "Terroranschlag" in Schweden vor sieben Jahren gesprochen, in dem nur der Attentäter verletzt wurde. Die Behandlung von Terror in einem derartigen Statement ist auch naheliegend, zumal Trump ja von "look what happened last night in Sweden!" sprach.
In der Erwartung, hier im Sinne der Transparenz ein Update zu sehen, habe ich an diesem Montagmorgen mit müden Augen das Statement der schwedischen Regierung nochmals aufgesucht.
Das Ergebnis?
Die schwedische Regierung hat JEDE REFERENZ ZU TERROR aus dem Statement gelöscht. Gut, dachte ich - das ist auch eine Art, mit einem derartigen Ereignis, welches das eigene Selbstbild auf drastische Art zerstört, umzugehen - verschweigen und ausklammern. Nur, was sehen meine leicht geröteten Augen, als ich das Ende des Dokuments erreichte?
Screenshot (Made by Grummel)
Aha. Das letzte Update war also am 23. Februar?
Erst später wurde das Schreiben überarbeitet und der Terror-Aspekt ergänzt – ich gehe davon aus, dass der Druck das zu tun, schlichtweg zu groß war.
Alternative Fakten, direkt von der schwedischen Regierung
Halten wir also fest: Der Terror-Passus wurde zuerst gelöscht und erst danach wieder ergänzt. Warum wurde er überhaupt gelöscht? Das Update - die Löschung - eines wichtigen Punktes aus der so wohl gelobten Stellungnahme wurde verschwiegen - und zwar nicht nur im Sinne vom mangelnden klaren Verweis auf ein Update aufgrund neuer Ereignisse, nein, dass das Dokument verändert wurde scheint nicht einmal AUF.
Seltsam, zumal die Frage, ob die schwedische Regierung Fakten verschweigt, von der schwedischen Regierung enthusiastisch beantwortet wird - und zwar in der selben Stellungnahme:
Screenshot (Made by Grummel)
"Open and fact based dialogue"? Und dabei zeitgleich nachträglich an der eigenen Stellungnahme herumdoktorn, bar jeder Nachvollziehbarkeit?
Fakten? Ja - richtig und falsch zugleich!
Das ist nicht meine erste Kritik an diesem Statement der schwedischen Regierung. Die schwedische Regierung neigt in dieser Stellungnahme - ganz entgegen ihres erklärten Auftrages der Transparenz - zur Ungenauigkeit, zur - nennen wir es "Verklärung" - der Tatsachen.
So wird zum Beispiel zur "Gefahr der Islamisierung" nicht die tatsächliche Zahl von Muslimen genannt, sondern auf die Mitgliedschaft in "Muslim faith communities" verwiesen (was etwa 1,5% der Bevölkerung in Schweden ausmache). Diese Zahl sei relevant, weil die Herkunft aus muslimischen Ländern ja nichts über die "Religiösität" sage - und die Mitgliedschaft in einer Glaubensgemeinschaft ist ein markanterer Faktor? Tatsächlich dürfte der Moslemanteil an der schwedischen Bevölkerung VOR der Flüchtlingswelle 2015 bei etwa 4,4% der Bevölkerung gelegen sein; nunmehr bei etwa 6% oder mehr liegen. Auch das ist natürlich weit entfernt von einer Islamisierung - nur warum kann man das nicht so sagen? Weil es vielleicht Folgefragen hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Migrationspolitik aufwirft?
Auch die Verneinung der Existenz von "no-go areas" halte ich eher für eine dogmatische Wortklauberei als Realitätsinn - wie ein schwedischer Beamter sagte "It is important to be clear: such zones, however they are labelled or defined, do not exist in Sweden". Ministry of Truth also - egal wie diese Zonen beschrieben oder definiert werden, es gibt sie bei uns nicht. Also selbst wenn man "no-go areas" als Bereiche mit gelegentlichen Angriffen auf Polizeiautos, organisierter Gewalt und gesunkener Bereitschaft, mit der Authorität zu kooperieren definieren würde - das Wort "no go zone" darf nicht verwendet werden.
Die schwedische Regierung zeigt gekonnt, wie man mit richtigen Fakten gänzlich falsche Antworten gibt.
Lügt die schwedische Regierung?
Nein. Aber die Wahrheit sagt sie auch nicht - sondern verlässt sich stattdessen auf alternative Fakten und sprachliche Spielereien.
Ich weiß nicht, was mich an diesem Montagmorgen mehr geärgert hat. Die Unverfrorenheit, mit der das Statement klammheimlich angeändert wurde? Das ungebrochene Selbstverständnis als "fact-based dialogue" führende Instanz? Oder war es doch die Tatsache, dass auch stabile westliche Regierungen mittlerweile zu fake news Emittenten wurden?i