Manche Aussagen in Norbert Hofers Buch "Für ein freies Österreich. Souveränität als Zukunftsmodell" (2013) liegen schwer auf dem Magen, selbst (oder besser: gerade!) potentiellen Hofer-Wählern. Nachdem @G. Szekatsch bereits eine Zusammenfassung der schlimmsten "Sünden" in dem Buch unters Volk brachte, so versuche ich nunmehr Folgendes: Eine Erwiderung. Oder besser: Eine Erklärung. Eine Erklärung, warum so viele Menschen Angst vor "Selbstauslöschung", "Überfremdung", "Untergang" und "Bürgerkrieg" haben.
Eine ERKLÄRUNG? Aber...
"... wir wussten nicht, dass Du, Grummelbart, ein Rassist bist? Ein Nationalsozialist, gar? Intolerant und voller Vorurteile?" (Okay, das ist übertrieben. Bin mir sicher, viele hier wissen das schon seit langem ;) )
Nein. Vielleicht. Ich möchte einmal ausreden. Ich möchte einmal meine Gedanken ordnen. Warum ich zwar ob des Tonfalls bei manchen Aussagen zusammenzucke ("Überfremdung" ist ein furchtbares Wort!); vieles einfach falsch ist (bzw ich für falsch halte, was nicht gleichzusetzen ist, aber leider allzu oft getan wird), ich zugleich oft aber inhaltlich zumindest leicht zustimmen muss - und ich merke im Gesprächen mit Bekannten, dass es ihnen ebenso geht.
Was mich stets stört, ist der Tonfall. Der braune Hauch der Aussagen Hofers. Und, dass der Kern, dem ich zustimme, der jedem klar und logisch denkenden Menschen ins Auge stechen sollte, von keiner anderen Partei, keinem anderen Kandidaten aufgegriffen wird, der aufzeigt und mir eine Alternative gibt, die nicht zum Himmel stinkt. Ich möchte über ein Thema sachlich diskutieren können, ohne Hetze, ohne Anfeindungen, ohne Gegröle. Darum dieser Versuch.
"Population" und "Kultur"
Bevor ich ins Detail gehe: Ich war vor ein paar Monaten im Natural History Museum in London - ein großartiges Museum, gewidmet den Naturwissenschaften und insbesondere - Darwin lässt grüßen! - auch der Evolution. Besonders interessant war ein Film, in dem - um die Migrationsbewegungen auf der Welt zu zeigen - mehrere Leute aus London ihre DNA testen ließen. Und da wurde Interessantes offenbart - durch die Analyse der DNA konnten die Abstammungsorte gleich mehrerer Ahnen ausgemacht werden. Nicht, weil man die Ahnen kannte - sondern weil bestimmte Gruppen an bestimmten Orten unterschiedliche DNA Kennmale aufweisen. Es existieren also offensichtlich verschiedene Populationen von Menschen, die man DNA-mäßig ziemlich genau erfassen kann - was auch angesichts zB der Laktoseintoleranz mancher Populationen, unterschiedlicher Hautfarben, unterschiedlicher Nasenformen etc auch nachvollziehen kann. Also ist entweder die Natur "rassistisch", oder es ist möglich und erlaubt, von unterschiedlichen genetischen Populationen zu sprechen. Rassistisch wäre es, eine Population irgendwelche Vorteile zu unterstellen, einen Wesenszug, einen Hang zur Gewalt, Verblödung oder ähnlichen Schwachsinn. Auch zu behaupten, reinrassigkeit sei erstrebenswert (ist sie nicht), wäre klassisch rassistisch. Aber dazu später mehr.
Aber DNA ist nicht das einzige, was vererbt wird: auch Kultur wird - in geringerem Maße als DNA - vererbt. Anders ließe sich die Existenz zB einer jüdischen Kultur, die über Jahrhunderte stets als regionale Minderheit existiert hat, nicht erklären. Oder die Existenz der Amish. Kultur ist also oftmals (aber nicht immer, und nicht ausschließlich) auch an gewisse Populationen geknüpft. Gerade aufgrund der geistigen Eigenheit von Kultur gibt es hier natürlich auch einen reichhaltigen Austausch; doch - schon bedingt durch Kindererziehung - kommt es oft zu einer Weitergabe von Werten, Prägungen und Weltansichten an die nächste Generation. Je nach Kultur ist diese mehr oder weniger durchlässig für Einflüsse sowohl nach außen als auch nach innen; als Beispiel nenne ich hier wieder das Judentum, das lange Zeit als Minderheit lebte und isoliert gedieh. Aber auch die Jesiden, die sich auch genetisch komplett isolieren, wären ein solches Beispiel. Die "westliche" Kultur zB ist eher gegenteilig - man kann sich ihr kaum entziehen, selbst wenn man es möchte; gleichzeitig kann man sich auch einbringen, frei seine Meinung sagen und dadurch zur Ideenentwicklung beitragen. Man beachte nur, wie rasch sich Trends, Memes und dergleichen Verrücktheiten verbreiten! Auch diverse Subkulturen neigen zu unterschiedlichen Herangehensweisen (Veganer, diverse Sekten, Kommunisten, Kapitalisten, Atheisten,...).
Aber grundsätzlich kann man eine gewisse Korrelation, eine - mehr oder weniger - starke Bindung von Kultur/Werten und Populationen erkennen. Religion wird vererbt; soziale Strukturen werden ebenfalls durch die Eltern erlernt; diese Liste ließe sichnahezu beliebig fortsetzen.
Und es ist auch so, dass mit einer Veränderung der Population sich auch die Kultur an einem Ort oftmals verändert. Als Europäer nach Amerika strömten, veränderte sich die Kultur dort. Als Germanen ins Römische Reiche drängten, veränderte sich die dortige Kulur. Als Türken Byzanz eroberten, veränderte sich auch dort die Kultur. Als die Juden in Massen nach Israel zogen, veränderte sich auch dort die Kultur. Als die Iren nach New York auswanderten, änderten sie das Stadtbild nachhaltig. Auch von Vertretern des Multikulturalismus wird ja auch stets behauptet, es werde "bunter", wenn Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammenkommen - natürlich; weil all diese Menschen ihre Kulturen behalten und auch - mehr oder weniger stark - an ihre Kinder weitergeben. Sie geben ihren Kindern stolz ihre Identität, ihr kulturelles Erbe mit.
Nichts von dem Gesagten ist rassistisch. Nichts von alldem ist wertend. Nichts von alldem bedeutet, dass eine Population irgendwie überlegen ist. Nichts bedeutet, dass eine Kultur irgendwie überlegen ist. Nichts von dem Gesagten ist irgendwas anderes, als eine Wahrheit, ein Faktum, das ich so gut wie möglich versucht habe, darzulegen. Einzelne Punkte mögen uns stören, aber das ändert nichts daran, dass es Fakten sind.
...und was hat das mit Selbstauslöschung zu tun?
Alles und nichts. Die logische Konsequenz des Gesagten ist, dass eine Population (nennen wir sie die... "Gauntaler Bergmusikanten") es mit ihrer eigenen Kultur (insbesondere dem Zitherspiel) nicht lange durchhält, wenn sie weniger Kinder bekommt als eigentlich zum zahlenmäßigen Erhalt erforderlich wären. Kommt dann noch eine ANDERE Volksgruppe mit EIGENER Kultur hinzu (sagen wir, die "Zillertaler Schürzenjäger" mit ihren Akkordeons), die nicht bereit ist, das Akkordeon an den Nagel zu hängen und sich in die Bergmusikanten zu assimilieren, ergibt sich schon aus der Mathematik, dass aus der einstigen Mehrheit eine Minderheit wird, wenn die Schürzenjäger mehr Nachwuchs in die Welt setzen. Was bei einem Namen wie Schürzenjäger anzunehmen ist. Und je geringer der Anteil an Zitherspielern wird, desto schwieriger wird es, diese Kultur beizubehalten: Zitherschulen werden seltener. Zitherlehrer werden alt und gehen in Pension. Bis irgendwann auch der letzte Zitherhersteller den Laden schließt.
Das alles ist no na net. Es ist auch in der Einfachheit nicht zutreffend - Kulturen sind ja oftmals durchlässig, und das gleiche gilt für Populationen. Die Frau aus dem Nachbarstamm; der stramme Bursch aus dem nächsten Tal... Die Zeremonie vom Dorf hinterm Berg, die geholfen hat; die TV-Serie, die umwerfend witzig ist. Oftmals kommt es zu einer wechselseitigen Befruchtung, die eine Auffrischung zur Folge hat, eine Stärkung beider Seiten - bzw der einen kombinierten Seite, die am Schluss übrig bleibt. Beispiele gibt es in der europäischen Geschichte genug; zuletzt die Flüchtlinge aus dem Jugoslawienkrieg, die heute in Österreich leben, mit Österreichern verheiratet sind, in Österreich arbeiten... kurz, Österreicher SIND. All das führt zu einer Stärkung, sowohl in Populationen (genetische Vielfalt ist immer erstrebenswert!), als auch in Kulturen (clash of ideas). Durchmischung ist großartig! Durchmischung hilft uns weiter!
Problematisch ist, wenn keine Integration oder Assimilation stattfinden. Wenn eine Kluft, eine fast undruchdringbare Grenze besteht, sowohl in der Populationsebene als auch in der Kulturebene. Warum sind viele Flüchtlinge aus dem Jugoslawienkrieg bestens integriert, aber zB Türken es oftmals nicht? Warum kennt nahezu jeder zumindest ein Ehepaar oder eine Partnerschaft, in der ein Teil "originär Österreicher" (was auch immer das heißt) ist und der andere Teil zumindest Wurzeln in Jugoslawien hat - und warum holen sich viele türkische Männer noch ihre Frauen aus Anatolien? Nur dann droht die Gefahr, dass es zu keiner Vermengung, sondern einer potentiellen Verdrängung kommt.
Und "Selbstauslöschung"? Selbstauslöschung liegt dann vor, wenn man genau diese Entwicklung fördert. Mangelnde Integration einer kinderreichen Bevölkerungsgruppe bei gleichzeitiger Förderung eben dieses Kindersegens durch zB Sozialleistungen. Dies ist "Selbstaufgabe". Man muss diese Worte nicht mögen. Man muss diese Schlussfolgerung nicht mögen. Aber auch diese Schlussfolgerung sagt nichts aus über den Wert von Kulturen oder Populationen aus. Sie erkennt nur die biologische und demographische Realität an. Wir können biologische Tatsachen nicht wegleugnen; Populationen - und damit auch Kulturen - leben durch die Anzahl ihrer Nachkommen weiter. Wenn es zu wenige Nachkommen gibt, um die Verstorbenen aufzuwiegen, schrumpft eine Population. Die Aufnahme anderer Personen kann die Grundpopulation nur dann stärken, wenn es zu einer Durchmischung und Assimilierung kommt (die ich begrüße). Wenn es zu einer kinderreichen Parallelgesellschaft kommt (die noch dazu durch zB Sozialhilfen überdurchschnittlich gefördert wird), beschleunigt das nur die Verdrängung der länger anwesenden Population.
Und... Bürgerkrieg?
Ich gehe davon aus, dass jede Population, jeder Mensch von seiner Kultur überzeugt ist und sie für die richtige hält. Ich gehe davon aus, dass uns derzeit die Mittel fehlen, zum einen den richtigen Weg hundertprozentig zu erkennen, und zum anderen diesen richtigen Weg so friedlich zu kommunizieren, dass andere bereit sind, von liebgewonnen Werten Abstand zu nehmen - jeder, der ein Gespräch zwischen einem Atheisten und einem Gläubigen gelauscht hat, wird dies bestätigen können. Ich gehe daher davon aus, dass Menschen ohne Zwang in sehr vielen Fällen ihrer eigenen Kultur "treu" bleiben werden - was auch ihr gutes Recht ist! Zwangsweise Durchsetzung von kulturellen Überlegenheitsansprüchen gehört auf den Abfallhaufen der Geschichte.
Aber genau darin kann der Kern einer Unstimmigkeit liegen, der Kern von Gewalt. Dann, wenn - wie oben beschrieben - eine "Selbstaufgabe" vorliegt, und verhärtete Fronten ohne Grenzen entlang (hauptsächlich) kultureller Unterschiede bestehen, dann droht ab einer kritischen Grenze Gewalt. Ein Beispiel:
Saudi Arabien ist zu 99% muslimisch. Atheismus wird mit dem Tode bestraft. Gehen wir davon aus, dass es eine kleine, rasch wachsende atheistische Minderheit gibt. Bei wenigen %-Punkten werden diese bemitleidenswerten Atheisten stillhalten, nicht auffallen. Aber ab irgendeinem Punkt kommt es zu einer kritischen Masse; die Atheisten wollen mitbestimmen - Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Wie lange können diese gegenteiligen Ansätze friedlich nebeneinander existieren? Ab wann kommt es zur Gewalt? Entzündet sich die Gewalt vielleicht bei einer Freitagsexekution, an der ein führender Atheist ausgepeitscht und danach enthauptet wird? In jedem Fall scheint ein gewalttätiger Konflikt vorprogrammiert zu sein.
Wenn Menschen Strache zustimmen, wenn er vor einem Bürgerkrieg warnt, dann wegen dieser Tatsache. Nicht, weil sie morgen, übermorgen, nächstes Jahr einen Konflikt befürchten. Sondern, weil sie in Jahrzehnten ein Problem sehen, wenn möglicherweise inkompatible, von einer tiefen Kluft getrennte Gesinnungen sich offen gegenüberstehen. Wenn die Nachkommen von türkischen Migranten, teilweise schon Österreicher, zu Tausenden durch die Straßen ziehen und türkische Parolen rufen, dann sollte das ein Weckruf sein. Dies stellt weder eine Wertigkeit der beteiligten Populationen oder Kulturen dar, noch eine Vorverurteilung der Beteiligten. Weder die Bergmusikanten noch die Schürzenjäger; weder die Saudis noch die Atheisten; weder der Schutzbund noch die Heimwehr; weder die Palästinenser noch die Israelis bestanden oder bestehen zur Gänze aus bösen Menschen. Es handelt sich um normale Menschen, die ihre Kinder lieben, in Frieden leben wollen - aber mit unterschiedlichen Werten, und diese Gegensätzlichkeit hat sie zu dem Punkt gebracht, an dem sie endeten. Niemand möchte seine Kultur aufgeben. Niemand möchte seine Identität aufgeben.
Ende
Damit möchte ich meinen Erklärungsversuch auch beenden. Ich hasse die Sprache Hofers; ich hasse den grinsenden Strache; ich hasse die Rülpser von Kickl, Krone und Konsorten (den drei Ks - oder KKK). Ich kann aggressive Sprache ("Auslöschung", "Parasiten") nicht ausstehen. Aber ich sehe auch Tatsachen dahinter - biologische, demographische, kulturelle, wie oben geschildert. Ich sehe, dass sich die Diskussion an der Wortwahl entzündet, ohne dass man die dahinterliegenden Fakten wahrnimmt. Und ich sehe die Angst in der Bevölkerung, die ignoriert wird, aber real besteht - und bis zu einem gewissen Grad auch begründet ist.
Und ich sehe, dass durch die Ignoranz der "Eliten", die lieber den Hofer für die Wortwahl der "biologischen Selbstauslöschung" geisseln, den von ihm damit angesprochenen Sachverhalt aber gänzlich ignorieren, der Erfolg von braunem Geschmeiß eher Vorschub geleistet wird. Anstatt Wählern, die sich ob der genannten Punkte ehrlich und zu Recht Sorgen machen eine sinnvolle Alternative zu bieten, verschließt man die Augen, benennt die Angst als Rassismus, und zwingt somit Wähler geradezu in die Hände der Demagogen.