(Anm.: Die Verwendung des Begriffs "Gutmensch" erfolgt wertungsfrei, und nur als Bezeichnung für die nunmehr lautstark gegen "rechts" auftretenden diversen Gruppierungen)
Ich gebe zu, ich bin ein schadenfroher Mensch - ganz besonders, wenn es Leute trifft, die es "irgendwie verdient" haben. Glücklicherweise muss man da nicht lange suchen, um passende Kandidaten bei der Hand zu haben. Als heterosexueller Mann ist es mir ja zum Beispiel immer ein Rätsel, wie vehement manche Menschen gegen Homoehen auftreten, wenn doch klar ist, dass diese Institutionen mich als heterosexuellen Mann in keinster Weise berühren. Gerade in den USA gibt es aber wiederholt Menschen, die auf kreative Art und Weise gegen ihre homosexuellen Mitmenschen ins Feld ziehen, oftmals eine Bibel schwenkend und sich auf das Alte Testament berufend. Furchtbare, für mich gänzlich unverständliche und überzogene Reaktionen - diese Menschen müssen schon echte Ungustl sein!
Schwule Schwulenhasser
In erstaunlicher Regelmäßigkeit werden dann aber oft die schlimmsten Vertreter dieser (besonders in den USA) fundmentalistischen "Schwulenfeinde" als homosexuell geoutet. Da hat ein fundamentalistischer Prediger einen Grindr Account; ein anderen schon seit geraumer Zeit diverse Lover, etc. Die Liste ließe sich nahezu beliebig fortsetzen.
Hahaha; wie witzig, wenn es solche A****löcher trifft! Wie sie in der Suppe gelandet sind, die sie anderen eingebrockt haben! Wie ihre ganze Existenz auf einmal zerstört ist, weil ihr dunkles Geheimnis, dass sie ihr ganzes Leben mit sich tragen, plötzlich hervorkommt, und sich möglicherweise lebenslange Freunde abwenden, sie ihre Familie verlieren - nur weil herauskommt, wer sie wirklich all die Jahre waren. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt erstirbt mir dann das Lachen auf meinen Lippen - auch meine Schadenfreude kennt Grenzen. Stattdessen meldet sich meine Neugier - warum? Warum konnte es dazu kommen? Woher diese perverse Dualität, diese Jekyll-and-Hyde Mentalität?
Warum sind gerade öffentlich als fanatische Schwulenfeinde auftretende Menschen oft (nicht immer, aber mit erschreckender Regelmäßigkeit) selbst "closet gays" (also quasi "Im Wandschrank lebende Schwule)? Woher dieser Hass auf Homosexualität (den ich mir als Hetero überhaupt nicht erklären kann?)? Die Antwort liegt wohl darin begraben, dass diese Menschen in einem "schwulenfeindlichen" Umfeld aufwachsen und sozialisiert werden, und den eigenen Drang verdrängen - und somit allergisch auf alles erinnern, was diesen Drang in ihnen nähren oder freisetzen könnte. Dies kann alles ganz unterschwellig erfolgen ("Warum darf der, und nicht ich?!?!") - hat aber jedenfalls zur Folge, dass Themen wie Schwulenehe für diese Menschen ein enormes Reizthema sind. Warum sollten andere ihre Triebe ausleben dürfen, wenn sie sich selbst zusammenreißen müssen? Zusammenreißen ist ja die "moralisch richtige Entscheidung" ("Jesus hates fags!" sagt ja bereits - den allgemeinen Standpunkt überspitzend - die Westboro Baptist Church). Wir alle kennen das ja - nichts macht uns so rasend, wie Verbote, die nur uns treffen. Wie Verhalten, das uns zwar Nachteile bringt, wir aber als "moralisch höherwertig" sehen - und dann jemanden daneben, der dies alles missachtet und einfach "Spass" hat. Diesbezüglich kann ich mich gar nicht ausnehmen - ich wurde klassisch katholisch erzogen. Vorehelicher Sex, One-Night-Stands etc waren verpönt - und wie sehr habe ich die Leute verabscheut, die sich diesem "sündigen" Verhalten hingegeben haben! Es brauchte einiges an Selbsterkenntnis, um diese "Gehirnwäsche" (so leicht sie auch war) abzuschütteln - wobei die Reste nach wie vor vorhanden sind. Frühkindliche Prägung kann man schwer über Nacht ablegen.
Nur haben viele dieser Menschen, die in schwulenfeindlichem Milieu aufgewachsen sind, diese Möglichkeit gar nicht. Das Stigma ist - im Vergleich zu "verbotenem" heterosexuellem Sex - um vieles größer. Diesbezüglich gibt es nunmehr sogar bereits einige wissenschaftliche Studien, die genau diesen Effekt belegen.
Was sagt mir das? Dass meine Schadenfreude das letzte ist. Denn diese armen Menschen, die in einem feindseligen Umfeld aufwachsen; ihre wahre Sexualität, ihre angeborenen Triebe und Instinkte verdrängen, überspielen müssen - das sind keine scheinheiligen Täter. Ihr Hass auf Homosexualität ist quasi ein Schutzmechanismus, um ihr eigenes Verhalten zu rechtfertigen - und wie alle destruktiven Verhaltensweisen nur schwer in den Griff zu kriegen. Wie einsam müssen diese Menschen sein? Wie verzweifelt?
...was haben die Gutmenschen damit zu tun?
Nun heißt dieser Beitrag nicht "Von Homophobie", sondern "...zum Gutmenschentum". Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Wir erleben derzeit in Österreich eine unglaubliche Polarisierung in "Links" und "Rechts". Auch in diesem Streit habe ich mich stets ein bisschen als Außenseiter gesehen - ich war nie politisch engagiert, zwar immer interessiert, aber mein Wahlverhalten war stets "situationselastisch", um ein schön österreichisches Wort zu gebrauchen. Dennoch fällt mir nunmehr gerade auf "Gutmenschenseite" oftmals ein bewusstes Verdrängen von Argumenten auf; eine Lösch- und Blockwut, wie ich sie bislang nicht kannte. Da werden Freunde von der Facebookseite gelöscht, weil sie "den Hofer!" wählen; da wird medial Stimmung gemacht und selbst FuF bleibt nicht vom Löschen von Beiträgen verschont, die als "unerträglich" eingestuft werden, wenngleich keine Beleidigungen oä darin vorkommen, sondern lediglich Social Media Beiträge zitiert werden.
Auch dieses Verhalten erscheint mir hochgradig emotional und nicht nachvollziehbar. Da wird der anderen Seite unterstellt, Argumente hätten eh keinen Sinn, und es wird geblockt - perverserweise anstelle, dass erwähnt wird, was diese "Argumente" sind!
Und dann kommen erstaunlich ehrliche Aussagen - um bei FuF zu bleiben: So wurde ja auch hier vor ziemlich genau acht Monaten ein emotionaler Artikel betreffend der Ängste einer Bloggerin verfasst, der einen gewaltigen Aufschrei des Establishments zur Folge hatte - und in weiterer Folge auch gelöscht wurde. Und auch unlängst konnte selbe Bloggerin nicht umhin zu betonen, dass auch sie manchmal "Vorurteile in sich spüren" würde, diese aber bewusst übertönt bzw ignoriert.
Und jetzt stellt sich in mir die Frage - was ist, wenn hier ein ähnlicher Reflex vorliegt wie bei chronischen Homophoben? Wenn der "Rassist", den es zu bekämpfen gilt, nicht der FPÖ-wählende Volksschulfreund ist, sondern die Stimme tief in einem selber drinnen, die leise flüstert "was ist, wenn die Rechten recht haben?"? Wenn die Diskussion, auf die man sich nicht einlassen möchte, die gleiche ist, die man dem "inneren Rechten" verweigert? Wenn das eigene "moralisch höherstehende" Selbstbildnis möglicherweise nicht mit dem "inneren Selbst" übereinstimmt?
Der Vergleich hat durchaus etwas - ähnlich wie Sexualität ist ja auch der "Herdentrieb" und damit einhergehend Misstrauen gegenüber Fremden und Fremden ein fundamentaler Instinkt, der uns über Millionen von Jahren treu beschützt hat. Wie groß muss die Anstrengung sein, diesen Instinkt nicht argumentativ zu entkräften, sondern bewusst zu ignorieren, zu verdrängen?
Die Aufregung über Hofer-Wähler ist dann plötzlich verständlich - "Wie kommt der dazu, was zu sagen, was ich mir nicht einmal erlaube, zu denken!?"; "Wie komme ich dazu, mir was anzuhören, womit mein grausliches Unterbewusstsein zustimmen würde?!". All das sind nachvollziehbare Reaktionen. Wie krampfhaft versucht man, die eigene moralische Überzeugung ("Van der Bellen!" ) zu halten - obwohl der Bauch was ganz anderes sagt? Wie groß müssen die Schuldgefühle sein, wenn man "der Bauch" zustimmend nickt, wenn er irgendeinen Kommentar über Mängel bei Integration, Grenzschließungen etc hört, und der Kopf dies stets verleugnet? Wie zerrissen müssen die Menschen sein, die so etwas mitmachen - um ja nicht als "rechts" geoutet zu werden (und damit den gesellschaftlichen Tod zusterben, ähnlich wie Homosexuelle vor zwanzig Jahren)?
Natürlich würde dies - ebenso wie bei Homophoben - nicht auf alle "Gutis" zutreffend - würde aber die massiv emotionalen Reaktionen, die zur Zeit Social Media prägen, erklären.
Also sind Gutmenschen so schlimm wie Homophobe?!?!
Um der unvermeidbaren Empörung vorzugreifen - das möchte ich damit nicht sagen. Als Couchpsychologie sehe ich hier nur erschreckende Parallelen - und eine derartige von eigenen Schuldgefühlen geprägte innere Zerrissenheit würde nicht gerade zur Diskussionskultur beitragen.
Was ich erreichen möchte ist ganz einfach Seelenforschung; ein ehrliches Hinterfragen der eigenen Position - gerade auch bei den "Gutmenschen" bzw den sich als "links" und "eh tolerant!" einschätzenden Menschen - und in letzter Konsequenz eine ehrliche Diskussion mit dem eigenen Ich. Denn ein Verdrängen eigener "brauner" Gedanken ist genauso ungesund, wie ein Verdrängen bzw Verleugnen anderer Instinkte - und vor allem macht es jede ehrliche, faktenbasierte Diskussion über reale Probleme, die uns auf Generationen beschäftigen werden, unmöglich.