Haselsteiner, Benko, Gusenbauer: Warum eine neue Große Koalition für Österreich bequemer, aber schlecht wäre.

„Wähler fordern Reformen, wollen aber keine Regierung, die diese dann umsetzt“. Überspitzt formuliert, das Dilemma jeder europäischen Regierung. Weder Macron, der für Reformen gewählt wurde und allein wegen Reformplänen mit (Un)Beliebtheitswerten trumpschen Ausmaßes zu kämpfen hat, noch die abgewählten Reformregierungen Schröder, Schüssel machen Österreichs Parteien Mut zur Veränderung. Die Bürger schimpfen zwar über den angeblichen Parteienfilz in dem sich umstrittene Milliardäre wie Benko oder Haselsteiner mit Beratern wie Ex-SPÖ-Chef Gusenbauer und parteinahen Managern ausbreiten und fordern Veränderung, die aber bitte alle anderen, nur nicht einen selbst betreffen sollen. Der heilige Florian als Schutzpatron der Wähler hat eine lange Tradition in Österreich. Was spricht also gegen eine Fortsetzung der reformfaulen, aber berechenbaren Großen Koalition? Noch dazu, wo die Krise offenbar überwunden ist? Große Koalition – ärgerlich, aber bequem und diesmal ganz ganz neu?

Auch die in den letzten Jahren massiv gewachsene Verstrickung zwischen Politik und milliardenschweren Tycoons wie Rene Benko oder Politspender Haselsteiner – abgesichert auf roter wie auch schwarzer Seite - lähmt das Land. Benko ist das Musterbeispiel dafür, wie man sich mit einem roten Ex-Kanzler an der Seite und dem wohl künftigen ÖVP-Kanzler als gutem Bekannten, ein funktionierendes Netzwerk – finanziert von fragwürdigen Quellen wie dem wegen Korruptionsverdacht verhafteten Diamantenmilliardär Steinmetz und SPÖ-Ex-Berater Silberstein-Partner – aufbaut, das selbst bei einer eigenen Verurteilung nicht ins Wanken kam. Erstinstanzlich von einer Richterin als „Musterfall für Korruption“ bezeichnet, ist Benko auch heute noch gern gesehener Gast in Österreichs Politsalons.

Österreich braucht aber die Veränderung, braucht ein Durchlüften, ein Kappen der überbordenden Strukturen, der immensen Förderungen. Österreich war einmal „das bessere Deutschland“ – heute hinken wir nach. Unser Land braucht ein über die Jahre zumindest ausgeglichenes Budget, gleichzeitig mehr Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Integration. Das wird nicht ohne Reformen funktionieren und wenn diese nicht primär die Bürger treffen sollen, dann muss „das System“ abspecken. Allein aus Eigeninteresse wird eine SPÖ-ÖVP Koalition nie in der Lage sein, diesen nötigen Neustart des Staates Österreich voranzutreiben. Zu groß sind Begehrlichkeiten und Ansprüche der eigenen Funktionärsscharen. Menschlich verständlich, für das Staatswesen aber belastend.

Zusätzlich haben die letzten Regierungsperioden das persönliche Klima zwischen SPÖ und ÖVP auf Jahre hinaus vergiftet. Dabei handelt es sich primär gar nicht um Parteichefs und Minister, die sich auf persönlicher Ebene oft sogar sehr gut verstanden haben. Ab der zweiten Ebene sieht das aber immer öfter völlig anders aus. SPÖ und ÖVP erinnerten die letzten Jahre immer mehr an ein altes Ehepaar, dass sich mittlerweile einfach nicht mehr ausstehen kann, aber wegen Verlustängsten trotzdem zusammenbleibt.

Dass eine neue Regierung es besser macht, dafür gibt es selbstverständlich keine Garantie. Und klarerweise würde eine freiheitliche Regierungsbeteiligung eine andere Politik bedeuten, als beispielsweise eine linksliberale Koalition. Jede neue Regierung braucht zudem für tiefgreifende Reformen eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, muss sich also sowieso weitere Reformpartner suchen. Schwer genug in einem Parteiensystem, in dem keiner einem Partner bisher auch nur einen Erfolg gönnt.

Trotzdem gibt es mit dieser von ÖVP-Chef Kurz erzwungenen Neuwahl ein historisches Zeitfenster für den nötigen Neubeginn. Österreichs Wähler haben ein Angebot an wählbaren, guten Persönlichkeiten und Konzepten wie selten zuvor. Kurz muss in Verantwortung verändern, wenn er überleben will, die FPÖ hat sich aus SPÖ und ÖVP Sicht regierungstauglich gemacht, mit den Neos stehen Veränderer bereit und auch bei der SPÖ weiß Bundeskanzler Kern trotz wahlkampfbedingten Klassenkampfs, dass es Reformen benötigt. Sogar die Grünen beweisen in den westlichen Bundesländern, dass sie realistisch regieren können. Deshalb, liebe Parteien. Bitte erspart uns die nächste Große Koalition des Streits, des Stillstandes und der Neuwahlen. Habt Mut für Neues, denn ihr habt Verantwortung für das Land.

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