Österreich ist ein schönes Land in Europa, mit einer wundervollen Natur und einem breiten, gut aufgestellten Mittelstand. Ihm gehören viele kleine und mittlere Unternehmen an, die das solide Rückgrat für unsere heimische Wirtschaft bilden. Der Großteil dieser Betriebe produziert für das Inland oder das europäische Ausland. Da gibt es zum Beispiel das Handwerk mit seiner bunten Produktpalette und den Handel, der diese Produkte von den Handwerkern zum Kunden bringt. Eine Symbiose, die für beide Seiten ihre Vorteile hat. Alles in allem ein gut funktionierendes Ökosystem.
Das Wunder der Natur, die Zirbe
In Österreich wird seit Jahrhunderten viel mit dem heimischen Holz gearbeitet. In Tirol ist besonders die Zirbe fest im Alltag verwurzelt. Sie sieht so aus, wie kleine Kinder im Kindergarten einen Nadelbaum zeichnen. Handwerker nutzen sie zum Bauen, und Künstler erschaffen Kunstwerke aus dem natürlichen Rohstoff. Sie wird in Kissen gefüllt und in Kugelform auf Karaffen gesetzt. Sie ist einfach vielfältig und nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Und das schon seit hunderten von Jahren.
Justitia wurde missbraucht, um einen kleinen Onlineshop zu verklagen
So hat auch ein Zwei-Mann Betrieb aus Tirol vor Jahren damit angefangen, aus Zirbenholz kleine Anhänger in Form eines Nadelbaumes zu schnitzen und zu vertreiben. Ein 100-prozentiges Naturprodukt, das so rein ist, dass es problemlos auch mal von einem Kind in den Mund genommen werden kann, ohne es gleich mit einer Vergiftung ins Krankenhaus bringen zu müssen. Auf dieses Produkt wurde auch der Tiroler Elmar Frischmann, Besitzer eines Onlineshops, aufmerksam. Er vertreibt seit Jahren Produkte aus dem Alpenraum über seinen Shop 4betterdays.com. Besonders Holzmöbel, Kissen, Spielzeuge und viele andere Produkte, die bevorzugt aus der Zirbe gewonnen werden, gehören dazu.
Jetzt wurde die Firma 4betterdays.com von einem amerikanischen Chemiegiganten wegen dieses Zirbenbäumchens verklagt, weil die Form und der Zweck des Zirbenanhängers eine Kopie des Einweg-Riechstoffverbreiter sei, der ebenso die künstliche Form und Silhouette eines abstrakten Nadelbaumes hat.
gschichten.com
Wo fängt Vorbenützerrecht an und wo der Musterschutz?
Das Chemieunternehmen mit seinem Einwegprodukt argumentiert, „dieser Zirbenbaum bedroht unsere Absatzzahlen in Europa und auf der ganzen Welt, er muss verschwinden“. Mit Hilfe eines spezialisierten Anwaltteams wurde der Zirbenbaum per einstweiliger Verfügung durch das Handelsgericht Wien erfolgreich vom Markt verdrängt.
Es ist beängstigend, wie mit dieser fast schon perversen Firmenphilosophie, jetzt auch hier bei uns an Gerichten dem Handel zu Leibe gerückt wird. Zugunsten dieser ausländischen Firmen, die bei uns nicht mal reale Arbeitsplätze schaffen, Steuern zahlen oder sonst wie positiv zu unserer Wirtschaft beitragen. Beste Beispiele hier sind Amazon, Facebook oder andere Internetgiganten, die ihre Firmensitze in Steueroasen haben und das Wort Steuer und Arbeitsrecht nur aus Wikipedia kennen, falls überhaupt.
Klar ist, dass es Firmen viel Geld und Arbeit kostet, Logos, Schriften und Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, um sich ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen. Im Musterschutzgesetz sind viele Aspekte geregelt, die dieses Recht vorwiegend für unserer heimischen Firmen regeln und auch durchsetzen. Aber wie kann es nun sein, dass die Form des Nadelbaums so geschützt ist, dass wir sie nicht mehr verwenden dürfen?
Zirben-Wunder vs. Chemie-Baum
Das Urteil wurde im Sinne dieser Konzerne vom Wiener Handelsgericht gefällt, die kleine Internetplattform 4betterdays.com muss nun zahlen. Nicht nur die Prozesskosten, sondern auch eine halbseitige öffentliche Entschuldigung in der Sonntagsausgabe der Kronenzeitung sowie eine offizielle Entschuldigung auf der eigenen Webseite. Laut Geschäftsführer Elmar Frischmann belaufen sich die Kosten bisher auf über 40.000 Euro. Auch für eine Firma ist das ein immenser finanzieller Schaden.
Man könnte das Ganze auch das „Wunder von Wien“ nennen. Wie soll es weitergehen für den österreichischen E-Commerce? Laufen wir Gefahr, dass das Aufkeimen des österreichischen Onlinehandels schon bei den ersten Gehversuchen zurück in den Laufstall gesperrt wird?
Die Politik und Vertreter der Industrie werfen mit den Unwörtern Digitalisierung und Onlinehandel um sich, aber es steckt nichts hinter diesen Aussagen aus Wirtschaft und Politik. Dabei ist der digitale Wandel im vollem Gange, und wir werden per Gerichtsbeschluss hinten anstehen müssen.
David gegen Goliath heißt es jetzt in Tirol
Herr Frischmann hat den Kampf gegen diesen Missstand nun aufgenommen. Er setzt sich aktiv für eine bessere Regelung des Onlinehandels ein. Laut eigener Aussage sollte es eine klare Regelung von Seiten der Politik für das so oft geforderte „digitale Zuhause“ geben und einen besseren Schutz für heimische Firmen. Damit die geforderte Umsetzung der Digitalisierung auch real umsetzbar ist und damit vielen die Angst am digitalen Handel und der Nutzung des Internets als Präsentationswerkzeug genommen wird.
Diesmal hat es ein mittelständisches Unternehmen getroffen. Aber was ist, wenn ein kleiner Familienbetrieb von einer ausländischen Marke verklagt wird? Die Justitia in Wien scheint ja lieber „America First“, statt heimisches Vorbenützerrecht anzuwenden. Ein Ernstfall in Österreich, aber einer der schnell die Runde macht, wenn noch mehr dieser Abmahn-Anwälte das Land mit Ihren Briefen fluten, nachdem sie jetzt Blut geleckt haben. Unser wohlgemeinter, nicht ganz unironischer Tipp ist: Falls Sie ein Herstellungsbetrieb sind, sollten Sie schon mal ihre Produkte abchecken. Es könnte ja sein, dass Sie aktuell, ohne es zu wissen, gegen geltendes Recht verstoßen.
Die Erde ist eine Scheibe und unseren täglichen Baum gib uns heute
Als wir in Österreich die Vorteile der Zirbe in all ihrer Vielfalt zu nützen anfingen, dachten viele noch die Erde ist eine Scheibe. Anscheinend ist dieses falsche Weltbild einer antiquierten Denkweise auch noch in den verstaubten Gerichtskammern in Wien verankert. Wenn Amerika ruft, hat man stramm zu stehen und das zu machen, was einem gesagt wird. Ganz egal, ob damit die heimische Wirtschaft kaputtgeTrumpelt wird oder nicht. Das wäre dann der Anfang vom Ende für den österreichischen eCommerce, der - man glaubt es kaum - derzeit mehr oder wenige inexistent ist.
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