Im AKH gab es dieses Wochenende acht Infarktpatienten. Alle acht Raucher.
Marco Idzko, Leiter der Klinischen Abteilung für Pulmologie von der MedUni Wien bzw vom AKH Wien: In Österreich gebe es zwar eine Spitzenmedizin, "aber wir schaffen es nicht, im Bereich des Nichtraucherschutzes die einfachste Sache umzusetzen. Das ist skandalös."
Eine neue Studie kommt auch zum Schluss:
In Österreich sind 1.029 Todesfälle pro Jahr auf das Passivrauchen zurückzuführen, warnen Mediziner. Demnach sterben mehr Menschen durch Passivrauch als durch Verkehrsunfälle.
Oder durch Messerstechereien oder andere Gewalttaten. Aber das regt kaum jemanden auf.
Und ich sitz da und zünd mir grad eine an.
Ja, ich rauche – ziemlich viel sogar.
Manche behaupten wie ein Schlot.
Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass dieser Umstand meine Gesundheit gefährdet.
Wie es ebenso unbestrittene Tatsache ist, dass Rauchen insgesamt zu den schweren Süchten zählt und insgesamt hohe Todesraten und hohe volkswirtschaftliche Kosten zur Folge hat.
Ich such mir meine Lokale danach aus, ob ich dort meine Sucht befriedigen kann oder nicht.
Noch!
Noch vor Bekanntwerden des neuen Regierungsprogramms schrieb ich im November des Vorjahres:
Am Beispiel Irland – Rauchverbot seit 2004 – zeigt sich:
Eine irisch-britische Untersuchung hat im vergangenen Jahr festgestellt, dass das Rauchverbot in Irland bereits 3700 Menschenleben gerettet hat. „Unsere Studie zeigt, dass der Rückgang der Sterblichkeit vor allem durch die Reduzierung des Passivrauchens zustande kam“, sagt Professor Luke Clancy, der an dem Projekt mitgearbeitet hatte. Die Zahl der Schlaganfälle ging um 32 Prozent nach unten, seit der Glimmstengel aus den Pubs verbannt wurde.
In Umfragen liegt die Zustimmung für rauchfreie Pubs regelmäßig bei weit über 70 Prozent. „Tabak ist der tödlichste Konsumartikel, der je auf den Markt gebracht wurde“, fast Pat Doorley, Vorsitzender des irischen Royal College of Physicians – einer Art Ärztekammer – die Stimmung zusammen.
Selbst die Gastwirte, die jahrelang das Kneipensterben in Irland auf das Rauchverbot zu schieben suchten, sind inzwischen milder gestimmt. „Wir wollen die Raucher nicht im Pub zurückhaben“, sagt der Präsident der irischen Wirtevereinigung VFI, Gerry Rafter, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Die sogenannte Tobacco Control Scale, die Teil der Tabakpräventionstabelle der Europäischen Krebsliga ist, bewertet Tabakpräventionsmaßnahmen auf staatlicher Ebene. Hier nimmt Österreich unter allen 32 europäischen Nationen den letzten Tabellenplatz ein.
Es dürfte auch unter Rauchern unwidersprochen sein, dass der Tabakgenuss und der damit verbundenen Schadstoffe eine der Hauptursachen für diverse schwerwiegende Erkrankungen ist. Lunge, Herz-Kreislauf-System oder Schlaganfälle können unmittelbare Ursachen sein.
Das bedingt natürlich auch grosse volkswirtschaftliche Kosten – vor allem im Gesundheitssystem.
Und zwar unabhängig von all dem persönlichen Leid von Betroffenen und Angehörigen.
Auf Grund der geschilderten Fakten stellt sich nun für mich die Frage, ob ich für oder gegen das Rauchverbot sein soll.
Soll ich meine persönliches Suchtverhalten über das grosse Ganze stellen?
Oder bin ich in der Lage, gesellschaftlich zu denken und zu akzeptieren, dass ich mich meinem Verhalten nicht nur mich selbst schädige, sondern sowohl mein unmittelbares Umfeld, als auch die Gesellschaft im Gesamten.
Ich komm ja gerade von einem Kurzurlaub aus Italien zurück.
Dort gilt seit dem Jahr 2005 ein strenges Rauchverbot.
Ganz offensichtlich gibt es mit diesem Verbot kein Problem.
Die Bars sind voll wie eh und je. Die Italiener*innen trinken ihren Espresso oder Vino Rosso und einige Wenige gehen eben vor die Tür und rauchen.
Ein Jahr nach Einführung der neuen Rauchverbotsregelungen gingen die Zigarettenverkäufe erheblich zurück und mit steigender Akzeptanz in der Bevölkerung. Einer Studie zufolge ist bereits im ersten Jahr nach der Einführung die Zahl der Herzinfarkte in der Region Rom deutlich gesunken, bei den 35- bis 64-jährigen um 11 %, bei den 65- bis 75-jährigen um 8 %.
Ich kann mich auch noch an Zeiten erinnern, in denen im Zug oder im Flugzeug geraucht werden durfte. Seit mehr als 20 Jahren ist das Rauchen in Flugzeugen und seit 10 Jahren auch bei der ÖBB verboten.
Gibt es wirklich noch jemanden, der die Vorteile dieser Massnahmen in Abrede stellen will?
Und trotzdem sitz ich jetzt da und schreib wieder was übers Rauchen.
Und ich rauch dabei.
Warum also schon wieder übers Rauchen?
Weil es sich ganz offensichtlich dazu eignet, populistisch zu agitieren und weil es sich ganz offensichtlich dazu eignet, Rauchschwaden zu verbreiten, um von anderen grauslichen Dingen abzulenken.
Aber bleiben wir vorerst beim Rauchen.
Das Thema Rauchen ist KEIN ideologisches.
Auch, wenn manchmal versucht wird, das so darzustellen.
Raucher*innen gibt es bei den Linken wie bei den Rechten.
Die Argumentationen sind nahezu wortgleich.
Da geht’s um Arbeitsplätze, Minderheitenrechte und vor allem um die angebliche Freiheit.
Es könnte und wird natürlich die Diskussion über jene individuelle Freiheit geführt, die dort endet, wo die Freiheit des Anderen beginnt.
Eine Diskussion, die an die Pharisäer gemahnt.
Soviel ich mitbekommen habe, fordert NIEMAND ein totales Rauchverbot.
D.h. jedeR Raucher*in hat nach wie vor die Freiheit seinem/ihrem Laster zu fröhnen.
Soweit eben, dass die Freiheit und Gesundheit von Nichtraucher*innen nicht eingeschränkt bzw. gefährdet ist. Wie eben in öffentlichen Gebäuden oder in Lokalen.
Es ist evident, dass die derzeitige Regelung diesen Gesundheitsschutz nicht gewährleistet.
In 27 von 28 Wiener Lokalen wurden trotz abgetrennter Raucherbereiche hohe Feinststaub-Konzentrationen gemessen. Das geltende Tabakgesetz, das die Regierung verlängern will, wirkt laut Studie kaum.
Ebenso, wie der Arbeitnehmerschutz durch die bestehende Regelung nicht gewährleistet ist.
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass die derzeitige Regelung des Nichtraucherschutzes in der Gastronomie in der Praxis keine ausreichende Schutzwirkung entfaltet: Weder im Hinblick auf den angestrebten direkten Schutz von nichtrauchenden Gästen noch im Hinblick auf den erhofften indirekten Schutz von nichtrauchenden Servicemitarbeitern.
Auch die „Gschicht“ vom Jugendschutz ist eine Farce.
Rauchverbot im Auto, wenn Jugendliche mitfahren! Wer soll das kontrollieren und wie?
Das Rauch- und Verkaufsverbot von Zigaretten für Unter-18-Jährige fällt in die Länderkompetenz.
Österreichweite Harmonisierung des Jugendschutzes? – Leider nein!
Und Kinder dürfen auch weiterhin in Raucherbereiche von Lokalen.
Durchaus überraschend ist: Das im Dezember noch intensiv diskutierte Betretungsverbot von Raucherlokalen für Minderjährige soll demgegenüber nicht im Gesetzesentwurf stehen – diesbezüglich haben wohl die Proteste der Wirte gefruchtet.
Ebenso wie die im Regierungsprogramm stehende Abgabe pro Verabreichungsplatz im Raucherbereich pro Monat, dessen Einnahme für präventive Maßnahmen geplant war.
Interessant find ich auch die Tatsache, dass 28 Abgeordnete der ÖVP im Jahr 2015 noch für das, nun mit ihren Stimmen gekippte, Gesetz gestimmt haben.
Wendehälse?
Kadavergehorsam?
Hände falten, Goschn halten!
Wahrscheinlich ist denen im Schlaf der heilige Sebastian erschienen.
Von Geist und von heilig kann dabei allerdings keine Rede sein.
Warum also wieder diese Diskussion ums Rauchen?
Wo sich doch die Gastronomie als auch die Raucher und Raucherinnen seit 2015 auf das kommende Rauchverbot vorbereiten konnten.
Ich mag eigentlich nicht glauben, dass wir einen Vizekanzler haben, der sein persönliches Suchtverhalten für so wichtig hält, dass ihm gesamtgesellschaftliche Argumente wie die Gesundheit der Bevölkerung egal sind.
Für viel wahrscheinlicher halte ich, dass die FPÖ dieses Thema als USP (unique selling proposition) für sich entdeckt hat und ohne Rücksicht auf Verluste „politisches Kleingeld“ wechselt.
Verwunderlich ist bei der gesamten Causa auch die Inkonsequenz der FPÖ in Bezug auf die von ihr lautstark und vehement geforderte direkte Demokratie.
Die FPÖ forderte:
Wird ein Volksbegehren künftig von mehr als vier Prozent der Zeichnungsberechtigten unterstützt, das wären derzeit etwas über 250.000 Personen, und dieses vom Parlament nicht berücksichtigt, dann soll es laut FPÖ eine rechtlich bindende Volksabstimmung geben.
In der Zwischenzeit haben weit mehr als 400.000 Menschen für das „Don´t Smoke-Volksbegehren“ unterschrieben. Die im Regierungsprogramm festgelegte Anzahl von 900.000 Wahlberechtigten für die Durchführung einer verbindlichen Volksabstimmung ist mehr als nur wahrscheinlich.
Aber die FPÖ lässt durch ihre Gesundheitssprecherin ausrichten, das Volksbegehren sei „unseriös und parteipolitisch motiviert“.
Direkte Demokratie nur dann, wenn es der FPÖ in den Kram passt?
Durch die Emotionalisierung dieses Themas eignet es sich auch ganz hervorragend um in der Öffentlichkeit damit andere, wesentlich weitreichendere und wichtigere Themen in den Hintergrund zu drängen und ohne öffentliche Diskussion die neoliberale und bürgerrechtsfeindliche Agenda dieser Regierung umzusetzen.
So z.B. das Überwachungspaket. Dieses Maßnahmenbündel ist eine Gefahr für unsere Sicherheit und eine Verletzung unserer Grundrechte.
Aber auch hier (wie auch bei CETA oder TTIP) zeigt sich, was von den Standpunkten der FPÖ zu halten ist. Noch im Juli 2017 sagt Kickl: Sicherheitspaket der ÖVP ist gefährliche Drohung und wird von der FPÖ abgelehnt! Kaum an der Macht, setzt er um, was vor einem halben Jahr noch bekämpft wurde.
Noch unmittelbarer und dramatischer für grosse Teile der Österreicher und Österreicherinnen (darunter auch viele Wähler*innen der FPÖ) und andere in Österreich lebende Menschen wird sich die Kürzung in der Sozialpolitik auswirken.
Das NEWS titelt: Die Ärmeren rupfen.
Das „neue Österreich“ erblüht aus den Kürzungen in der Sozialpolitik – mit dem Segen der Arbeiterpartei FPÖ.
Die von der Regierung geplante Kürzung beim Arbeitsmarktservice und bei Integrationsmassnahmen sorgen allgemein für Kritik.
Vom BVT und anderen Grauslichkeiten reden wir da noch gar nicht.
Wie empathielos diese Regierung unter Neofeschist Kurz agiert zeigt ein weiteres Thema.
Das bereits ausverhandelte Erwachsenenschutzgesetz soll mangels finanzieller Mittel verschoben werden.
Ursprünglich einigten sich im Vorjahr alle Parteien auf das Gesetz.
Nun ist wieder alles anders.
Die Ablösung des über 30 Jahre alten Sachwalterrechts ist vorerst ausgesetzt: Wie das Justizministerium bestätigte, ist das Erwachsenenschutzgesetz, das Menschen mit Behinderung mehr Selbstbestimmung bringen sollte, Teil „laufender Budgetverhandlungen“ und könnte damit nicht wie geplant am 1. Juli in Kraft treten.
Gleichzeitig hat Schwarz-Blau offenbar 50 PressesprecherInnen - so viele wie noch nie zuvor - im Einsatz. Das muss dieses Sparen im System sein, das versprochen wurde.
Da reg ich mich dann so auf, dass ich mir zur Beruhigung glatt wieder eine anzünden muss.
Und dann geh ich und unterschreib für das „Don´t Smoke-Volksbegehren“.
pixabay