Unter dem Stockholm-Syndrom versteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert. Durch die Sympathie zum Täter versucht ein Mensch unbewusst, ein von Terror geprägtes traumatisches Ereignis zu bewältigen.
Natürlich sind die FPÖ-Wähler*innen keine absolut homogene Gruppe. Da gibt’s die unterschiedlichsten Gründe um sie zu dem zu machen, was sie sind.
Interessant ist aber, warum es welche gibt, die nach den bisherigen Erfahrungen mit der FPÖ-Regierungsbeteiligung noch immer glauben, die FPÖ handelt in ihrem Interesse und verteidigt deren getroffenen Massnahmen.
Ich glaub, bei einem Teil der FPÖ-Wähler*innen kann ihr Verhalten nur mit dem Stockholm-Syndrom erklärt werden.
Mindestens aber ist das als „Post-purchase rationalisation“ oder als „Buyer’s Stockholm Syndrome“ (Käufer-Stockholm-Syndrom) zu bezeichnen. Eine schlechte Wahlentscheidung wird im Nachhinein und unbewusst „schöngedacht“ und als richtig empfunden.
In erster Linie manifestiert sich die Wahrnehmungsverzerrung, die zum Stockholm-Syndrom führt, darin, dass die subjektive Wahrnehmung von FPÖ-Wähler*innen nur einen Teil der Gesamtsituation erfassen kann. Er/sie erlebte Massnahmen vorheriger Regierungen als falsch und fühlte sich mit zunehmender Dauer alleingelassen. Dagegen wird das Agieren der neuen Regierung überproportional wahrgenommen, schon kleinste Zugeständnisse (die Erlaubnis auch in Zukunft in Gasthäusern zu rauchen, Tempo 140, Rechtsabbiegen bei Rot) werden als große Erleichterungen empfunden. Die FPÖ-Wähler*innen erleben eine Situation, in der es ausschließlich „Gutes“ von Strache, Kickl & Co erfährt.
Gebrochene Wahlversprechen wie der Umfaller bei CETA, das hinausschieben der direkten Demokratie oder der 12-Stunden-Arbeitstag werden gegen das harte Vorgehen gegenüber Ausländern „aufgerechnet“ und abstrahiert.
Für diesen Teil der FPÖ-Wählerschaft besteht noch Hoffnung. Hoffnung, dass sie die Zeichen der Zeit und die negativen Auswirkungen die diese Regierung auf ihr eigenes Dasein hat, erkennen und sich von ihren Peinigern trennen.
Anders als bei jenen Wähler*innen, die sich bewusst für diese rassistische und faschistoide Geisteshaltung entschieden haben, von der wir alle annahmen, dass sie im Jahr 1945 endgültig besiegt wurde.