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Gerald Fleischmann, stellvertretender Kabinettschef im Bundeskanzleramt und Kanzlerbeauftragter für Medien twittert:
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60 Prozent unserer Intensivpatienten haben Migrationshintergrund
Die Headline der Presse könnte ebenso aus Krone oder Oe24 sein und ist jedenfalls dazu angetan Vorurteile zu schüren.
Was will uns der Medien-Capo des Kanzlers mit diesem Tweet mitteilen?
Dass er ein ganz gewöhnlicher Alltagsrassist ist?
Oder irgendetwas, was wir noch nicht wissen.
Es geht um dieses Interview mit Intensivmediziner Burkhard Gustorff
Der sagt:
Menschen mit Migrationshintergrund sind in Österreich überdurchschnittlich oft von Covid-19 betroffen. Unter anderem deshalb, weil die Regierung sie nicht erreiche. Er plädiert daher für eine zielgruppenorientierte Kommunikationsstrategie.
Anmerkung: Zuständig und verantwortlich für die Kommunikationsstrategie der Regierung während der Corona-Pandemie ist Gerald Fleischmann.
Der Mediziner sagt weiter:
Der typische Intensivpatient ist zwischen 50 und 70, zu 60 Prozent männlich und weist einen der bekannten Risikofaktoren auf, die zu einem schweren Verlauf dieser Krankheit beitragen können.
Die Headline der Presse hätte also auch lauten können:
60 Prozent unserer Intensivpatienten sind Männer.
Weiter im Text:
Übergewicht, eine bestehende Nierenerkrankung oder -schwäche, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und koronare Herzerkrankungen. Was wir außerdem schon von Anfang an beobachten, ist ein verhältnismäßig hoher Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund – mit dem Problem von Sprachbarrieren im Kontakt zu ihnen.
Richtig ist der hohe Prozentsatz von Erkrankungen bei Menschen mit Migrationshintergrund in der Klinik Ottakring. Festzuhalten ist, dass der %-Anteil dieser Personengruppe in Bundesländerspitälern völlig anders aussieht.
Richtig ist, dass die Sprachbarriere eine Rolle spielt.
Richtig ist, dass die beengten Wohnverhältnisse zum Problem beitragen.
Richtig ist aber auch, dass dies weniger mit Migration, als mit sozialen und ökonomischen Verhältnissen zu tun hat.
Richtig ist ebenfalls, dass es einen sehr hohen Migrant*innenanteil in systemerhaltenden Berufen gibt und diese damit einer höheren Belastung und einem höheren Risiko ausgesetzt sind.
Man findet sie an der Supermarktkasse oder als Zusteller ebenso wie sie einen grossen Teil der Pflege- und Reinigungsarbeiten übernehmen.
Gesundheit und Lebenserwartung hängen unmittelbar mit sozialem Stand, Bildung und wirtschaftlichen Möglichkeiten betroffener Menschen zusammen. Nicht erst seit Corona.
Als exemplarisches Beispiel dient die unterschiedliche Lebenserwart in den Wiener Bezirken. So lag diese 2018 in Döbling durchschnittlich bei 82,1 Jahren, in Hietzing bei 81,8 und bei 81,7 Jahren im 1. Wiener Gemeindebezirk. Zum Vergleich dazu: am Ende der Tabelle finden sich Hernals mit 74,7 Jahren, Ottakring mit 75 Jahren sowie die Brigittenau und Floridsdorf mit je 75,1 Jahren.
MATTHIAS RICHTER, Professor für Medizinische Soziologie:
Wir wissen zum Beispiel aus der Forschung zu Krebserkrankungen oder anderen schweren chronischen Krankheiten, dass Personen mit einem niedrigen sozialen Status weit stärker an den finanziellen und auch an den psychosozialen Folgen ihrer Erkrankung leiden.
und:
Menschen aus dem unteren Fünftel der Gesellschaft haben ein rund zwei- bis dreifach höheres Risiko für chronische Krankheiten als Menschen aus dem oberen Fünftel. Das gilt für Krebs, Diabetes, koronare Herzkrankheit aber auch schweres Asthma. Das sind quasi fast alle Erkrankungen, die einen Menschen besonders anfällig für eine Covid-19-Erkrankung machen.
Es ist also weder Herkunft noch Rasse die krank machen.
Richtig ist: Armut macht krank.