hagerhard
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum
(ernst jandl)
Eine eigenartige und ungewöhnliche Gemengelage die sich da in den letzten Wochen gebildet hat. Linke, die nach mehr Polizei und hartem Durchgreifen rufen und Rechtsextreme, die (angeblich) für Freiheit und Grundrechte auf die Straße gehen.
Die Pandemiepolitik unserer Regierung macht es möglich.
Zusammenfassend sieht diese nämlich etwa so aus:
Bei einer Inzidenz von 42 dürfen 3 Menschen aus 4 Haushalten einen Baumarkt eröffnen, wenn der Friseur mehr als 20qm pro 100.000 Einwohner als Geschäftsfläche in einem Neubau anbietet, eine Teststrasse und einen Schanigarten hat, ausser es sind Zwillinge, wobei einer aus Tirol kommen muss, damit auch geimpft wird.
Neuestes Musterbeispiel für diese Chaospolitik ist der nunmehr vorliegende (verfassungswidrige?) Ministerialentwurf aus dem Hause Anschober betreffend Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden soll.
Dieser Entwurf sieht unter anderem vor, dass künftig Treffen ab vier Personen als „Veranstaltung“ geregelt werden, also bei den zuständigen Behörden anzeigepflichtig sind. Auch in nicht öffentlichen – also z.B. dem privaten Wohnzimmer - Räumlichkeiten. Die Strafen für Teilnehmer und Teilnehmerinnen solcher Veranstaltungen bei Verstössen gegen Regeln (Masken, Abstand) sind hoch. Bis zu € 1.450,-. Auch ein Treffen mit 3 Freunden im Park auf ein Dosenbier mit Abstand, kann in Zukunft anzeigepflichtig sein.
Bei Missachtung einer Untersagung einer Veranstaltung zB einer Demonstration drohen dem Veranstalter nun bis zu € 30.000,- und Freiheitsstrafe.
Dazu das Chaos bei Impfungen, die Ungewissheit über die zukünftige wirtschaftliche Situation bei vielen Menschen oder die Korruptionsermittlungen gegenüber Mitgliedern der Bundesregierung.
Der Ruf: „Kurz muss weg“ von allen Seiten ist daher mehr als nur verständlich – und berechtigt. In der linke Twitterblase mit dem Hashtag #KurzMussWeg und bei rechten Demos auf Transparenten.
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Und genau hier wird’s zwiespältig.
Stellt euch einmal vor:
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Da ist sehr viel Wahres dran!
Da wäre eine völlig andere Kategorie an Widerstand auf den Strassen und mehr Druck von Seiten der Medien. Die Donnerstag-Demos wären dann dagegen nur eine Kinderjause.
Die letzten Demos wurden aber ganz eindeutig von eben diesen Rechten organisiert, angeführt und für ihre Zwecke instrumentalisiert. Darüber gibt es keine Zweifel.
Es wächst zusammen, was offensichtlich zusammengehört. Küssel, Sellner und Kickl waren allesamt bei den Demos involviert.
Wer da trotzdem mitmacht muss sich als das Mindeste den Vorwurf gefallen lassen, dass er/sie sich zum nützlichen Idioten macht.
Die FPÖ folgt eindeutig ihrem Ziel, ihren, durch den Ibizaausflugs ihres Ex-Obmanns, erlittenen Wählerverlust im Zuge der Coronapandemie mit verunsicherten und verärgerten Menschen wieder auszugleichen. Sie sieht diese Demos als Möglichkeit Aufmerksamkeit zu bekommen und ebendiese verlorenen Stimmen zurückzuholen. CoronaleugnerInnen, AluhutträgerInnen und den rechten Narrenrand der Gesellschaft nimmt sie dabei gerne ebenfalls mit.
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Koste es, was es wolle – ohne Rücksicht auf Verluste.
Der dabei zu Tage tretende Antisemitismus ist Teil dieses Systems.
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Der ehemals beste Innenminister aller Zeiten, Herbert Kickl, und seine Vasallen provozieren, die Demo läuft aus dem Ruder und die LPD Wien unter Führung ihres Präsidenten Pürstl sieht „überhaupt keine Fehler“.
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Kickl und Pürstl - ein Bild aus besseren Tagen
Wobei die Rolle der Polizei und die oft zitiert „Verhältnismässigkeit“ eine nähere Betrachtung wert ist.
Erinnern wir uns an einen der grössten Polizeieinätze des letzten Jahrzehnts bei der Räumung der Pizzeria Anarchia:
Ein Polizeihubschrauber, der grüne Panzer, ein Wasserwerfer und Polizisten aus fast allen Bundesländern. Wie viele genau, darüber schweigt die Polizei. Jedenfalls weit mehr als 1.000 Beamte.
Für vielleicht 40 Punks.
Im Feber d.J. beendete Polizei eine nicht angemeldete Aktion mit rund 70 Teilnehmern (es gab 40 Anzeigen) und setzte sogar einen Panzer ein.
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Da stellt sich die Frage: Waren die eingesetzten 1.500 Beamten am vergangenen Sonntag verhältnismässig?
Also alles richtig gemacht.
Der Pürstl muss ein Tiroler sein.
Apropos Tirol
Neben den oft zitierten Demotouristen aus dem Deutschen Vaterland dürften auch die TirolerInnen sehr reisefreudig sein. Busweise und das Andreas-Hofer-Lied singend. Trotz der geltenden Ausreisebestimmungen.
"Wien war eine tolle Demofahrt! 2 voll besetzte Busse!" Ein bekannter Busunternehmer aus dem Bezirk Imst, wirbt auf Facebook mit Video's und Bilder für seine Demofahrten nach Wien.
Der Rächer der Enterbten und Beschützer der Witwen und Waisen.
Kickl dagegen macht, was er immer schon gekonnt hatte und gibt das unschuldige Opfer.
Es ist erstaunlich, wie wehleidig die FPÖ reagiert, wenn ihr angeblich widerfährt, was sie selbst praktiziert hat.
Bei einer Pressekonferenz plaudert Kickl aus dem Nähkästchen. Er weiss ja über die internen Methoden der Polizei bestens Bescheid. Hat er sie doch selbst praktiziert. Stichwort Rapidkessel.
Interessant dabei auch seine ehemaligen Forderungen nach Demoverboten.
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Und der dafür zuständige Innenminister?
Karl Nehammer hat es geschafft dass die Rechten sich gleichzeitig
a) als Märtyrer stilisieren können, denen man das Demonstrieren verbietet und
b) als Helden, die sich die Straße zurück erobern.
Eine wirklich starke Leistung.
Damit beweist er einmal mehr seine Qualifikation als vollwertiges Mitglied dieser Bundesregierung.
Und die ÖVP generell so:
Sie fordert den Rücktritt ihres ehemaligen Partners.
Mahrer: „‚Brandstifter‘ Kickl ist verantwortlich für die Ausschreitungen gegenüber Einsatzkräften und Passanten!“
Kurz nach Corona-Demos: "Das ist inakzeptabel, das widert mich an"
Was wir aber keinesfalls vergessen sollten:
Genau diese ÖVP hat jenen Herbert Kickl zum Innenminister gemacht.
Und noch im Jänner 2019 titelt die Kronen Zeitung:
ÖVP-Lob für Kickl
Staatssekretärin Edtstadler verteidigt Innenminister Kickl. Grundsätzlich schätze sie ihn, „weil er zuhört und reflektiert“.
Epilog
Ja, da waren also nicht nur Rechtsextreme und Covidioten auf den Demos. Ich gehe auch d´accor, dass es berechtigte Sorgen und Unmut von vielen Menschen über diverse Massnahmen und Zustände in dieser Republik gibt und dass das Verlangen, dies auch öffentlich kund zu tun, vorhanden ist. Diese Menschen und ihre Sorgen werden nun von den Rechten vereinnahmt.
Trotzdem geht die Verantwortung jedes Einzelnen soweit, dass er/sie für sein Handeln Verantwortung übernimmt und das beinhaltet, dass man keinesfalls gemeinsame Sache mit Rechtsextremen macht. Das ist eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf.