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lieber gsund, schön, jung, reich und gscheit (wie der KHG)
als krank, schiach, alt, arm und deppad (so wie ich)
auf diesem niveau wird grad ein wichtiges thema im wahlkampf – und auch schon davor und wahrscheinlich auch danach – diskutiert.
die erbschaftssteuer.
ein, mit sehr viel emotionen besetztes thema.
angeblich geht’s um leistung die besteuert werden soll.
so sagt zb herr kurz in einer diskussion mit armin wolf: man muss das aus sicht des „erblassers“ sehen.
das stell ich mir ziemlich schwierig vor, weil, wie armin wolf richtig feststellt: „der ist aber tot“. und sterben ist nicht wirklich eine aussergewöhnliche leistung. das können wir alle.
in der feststellung des türkis-schwarzen bundeskanzlers in spe zeigt sich aber deutlich, wie faktenbefreit diese diskussion geführt wird.
aber bevor wir uns in weiterer folge mit den unterschiedlichen arten, zugängen und begründungen beschäftigen, erzähl ich euch eine kleine geschichte.
also jetzt stellts euch vor, ich hab eine nette ältere dame als nachbarin, für die ich dringende wege erledige. also apotheke, post, diverse einkäufe in den 3. stock ohne aufzug schleppe, behördenwege und ich kümmer mich um die pflege ihres schrebergartens – rasenmähen, regelmässig das kleine häuschen putzen, im winter schnee räumen und den wasserhahn abdrehen.
was halt so notwendig ist.
aber sie ist nicht pflegebedürftig, kann in der wohnung die notwendigen arbeiten erledigen und braucht auch keinen sachwalter.
und in diesem fall nicht ganz unwesentlich, sie ist als durchaus wohlhabend und auch mit einer höheren rente ausgestattet.
sie kann es sich daher leisten, meine dienste nicht nur aus mitgefühl oder mitleid in anspruch zu nehmen und mir ausser dank auch noch eine angemessenen entlohnung für meine dienste zu überweisen.
sagen wir, € 800,- monatlich. inklusive einer schriftlichen vereinbarung über die art der tätigkeiten und die zahlungen.
für diesen betrag bin ich daher in jeder beziehung abgabenpflichtig.
ich leiste etwas, bekomme dafür eine entsprechende entlohnung und zahle dafür die gesetzlichen steuern und sozialversicherungsbeiträge.
und um ein oft verwendetes argument gegen die erbschaftssteuer auch gleich vorwegzunehmen – meine bezahlung erfolgt von bereits versteuertem geld.
die gleiche geschichte könnte aber auch andere enden haben.
also zb die österreichische lösung, dass es keine schriftliche vereinbarung gibt und es keine offiziellen geldflüsse und dieses tätigkeiten als schwarzarbeit (oder schöner formuliert: als nachbarschaftshilfe) bezeichnet werden können.
oder aber, ich treffe mit der netten dame ein „gentlemans agreement“ und sie schenkt mir einfach einmal im jahr € 10.000,-. ich verlang dafür dann nichts, wenn sie meine hilfe braucht. und geschenktes geld brauch ich auch nicht zu versteuern.
und dann die ganz perfide möglchkeit:
sie überweist monatlich € 800,- auf ein sparbuch und ich habe die gewissheit, dass ich im falle ihres ablebens testamentarisch mit diesem sparbuch inklusive einer vereinbarten wertsteigerung bedacht werde. ich erbe!
und da brauch ich natürlich auch keine steuern oder andere abgaben bezahlen.
es gibt aber auch so einige geschichten, in denen zb nachbarn oder auch die gesellschaft in form von pflegeeinrichtungen (erst recht nach der notwendigen abschaffung des pflegeregesses) in jeder weise hilfreich zur seite stehen, nichten oder neffen die tante grad einmal vom hörensagen kennen, im falle eines todesfalls aber jene, die leisten bei der erbschaft leer ausgehen und so die „nichtleister“ zu einem patzen geld kommen. ohne besteuerung und ohne einen beitrag für jene zu leisten, die sich um die nette dame gekümmert haben.
und von erbschleichern – die ebenfalls ohne irgendwelche gesetzlichen abgaben ans grosse geld kommen – red ich da noch gar nicht.
da fallt mir auch gleich ein – wieviel geld wird eigentlich so an religionsgemeinschaften oder tierschutzvereine (oder sonstige sicher sehr ehrbare vereine, institutionen, politische parteien usw.) vererbt? auch da gibt’s dann ja keinen anteil für die allgemeinheit.
jetzt frag ich mich: ist das jene gerechtigkeit, für die sich die gegner der erbschaftssteuer einsetzen?
mit dieser frage im hinterkopf wenden wir uns den fakten zu.
das pochen auf eine steuerbefreite vermögensübertrag auf nachkommen beruht auf einem alten, überholten, aber weitverbreitetem gesellschaftsbild.
dabei ist das traditionelle bild der familiengesellschaft durch die neuzeitigen entwicklungen weitgehend zersetzt.
viele ehemalige funktionen der familie, wie erziehung, gerichtsbarkeit, armen-, kranken- und altenfürsorge sind mehr und mehr an den staat gefallen. dafür muss der staat auch entschädigt werden.
die forderung nach einer erbschafts- und schenkungssteuer ist also mehr als legitim.
diesen veränderungen wird in den meisten teilen der welt auch rechnung getragen.
zb haben folgende länder eine gesetzliche regelung über die erbschafts- und schenkungssteuer:
Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Ir-land, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal, die Schweiz (Kantone), Spanien, die Türkei oder die USA.
dabei sind zwei grundsätzlich unterschiedliche modelle der besteuerung zu beachten.
in gross britannien (und teilweise in der schweiz) wird die verlassenschaft als solche besteuert. der steuersatz beträgt dabei satte 40 % unabhängig vom verwandschaftsverhältnis der erben. die steuer wird direkt vom nachlass abgeführt und erst danach darf das erbe auf die begünstigten verteilt werden. dabei gibt es keine persönlichen freibeträge, sondern einen einmaligen freibetrag in der höhe von dzt. 325.000 pfund.
in den meisten oecd-staaten wird dagegen der jeweilige erbnehmer besteuert.
für die erben bedeutet ein erbanfall einen reinvermögenszuwachs und damit eine steigerung der finanziellen leistungsfähigkeit. da diese steigerung durch die allgemeine einkommenssteuer aber nicht erfasst wird, rechtfertigt sich eine besondere erbschaftssteuer, zumal es sich um einen vermögenszuwachs ohne gegenleistung (arbeit) handelt.
der erbschaftssteuer wird auch eine umverteilungsfunktion zugesprochen. dem staat werden dabei mittel zu lasten begüteter zugeführt um soziale ungleichheiten auszugleichen, oder um besteuerungsungleichheiten auszugleichen, die die armen indirekt durch direkte steuern (zb UST) stärker trifft.
die eben angesprochenen ungleichheiten insbesondere im leistungslosen vermögenszuwachs zeigen auch eine – vom europäischen parlament ausgezeichnete – studie der ÖNB.
zentrale aussage der studie ist, dass die relative position der privaten haushalte in der vermögensverteilung in allen ländern des euroraums besonders durch das erben bestimmt wird.
einige wirtschaftsforscher sprechen gar von den „anfängen eines feudalistischen kapitalismus“. das hängt auch damit zusammen, dass die heiratsmärkte bis heute über die maßen homogen sind. also reiche reiche heiraten und das geld unter sich bleibt. die schere zwischen reich und arm wird weiter aufgehen.
und eine auf österreich zugeschnittene studie der WU Wien zeichnet folgendes bild:
Bis ins Jahr 2030 werden sowohl die Zahl der Erbfälle als auch die Höhe der Erbschaften in Österreich stark ansteigen, erwartet etwa Stefan Humer, Ökonom an der Wirtschaftsuniversität Wien. Statt knapp acht Milliarden Euro wie noch im Jahr 2010 werden dann über zwanzig Milliarden Euro vererbt (oder verschenkt) werden, errechnete er gemeinsam mit seinem WU-Kollegen Wilfried Altzinger.
Schon heute ist der typische Erbe in Österreich zwischen 45 und 65 Jahre alt.
Je geringer das Wirtschaftswachstum ist, desto schwieriger wird es für die Bevölkerung, einen Euro zu verdienen. Und desto mehr wiegt im Gegenzug jeder ererbte Euro der Vorfahren.
Unerfreuliches Beispiel ist hier Österreich. Nichts ist in diesem Land entscheidender für den sozialen Aufstieg als eine Erbschaft.
Die Studie zeigt, dass in allen Euroländern das Erben deutlich mehr als der eigene Verdienst zum Wohlstand eines Haushalts beiträgt. Aber in keinem Land wäre eine steilere Erwerbskarriere als in Österreich notwendig, um den „Makel" des Nichterbens auszumerzen. Ein Österreicher müsste schon einen Einkommenssprung über mehr als die Hälfte aller Haushalte des Landes schaffen, um in der Vermögensverteilung so weit wie ein Erbe aufzusteigen.
der ökonom guy kirsch fordert gar eine 100 %ige erbschaftssteuer und liefert dazu auch die passenden argumente:
seine these könnte man unter „erbengemeinschaft statt generation erbschaft“ zusammenfassen.
Der Professor hört schon einmal den Vorwurf, er sei Kommunist. Aber das wäre ein Missverständnis. Er versteht sich als Liberaler, genauer als "individualistischer" Liberaler: "Der Liberalismus geht davon aus, dass mit jedem Individuum das Leben neu beginnt", sagt er. Will sagen: Ohne leistungslos erworbenes Vermögen. Überhaupt gebe es Erbschaften nur, weil die Menschen Angst vor dem Tod haben. "Die Hoffnung auf ein Weiterleben im Jenseits geht verloren, jetzt hofft man auf ein Weiterleben im Diesseits, obwohl klar ist, dass das nicht geht." Und dann der Satz: "Es ist schlicht ein Unding, dass die Toten über das Leben der Lebenden entscheiden."
Der große Liberale John Stuart Mill sprach sich schon im 19. Jahrhundert für eine progressive Erbschaftsteuer aus, um die breite Verteilung von Vermögen zu fördern. Und dann zitiert Kirsch noch den amerikanischen Stahlmagnaten Andrew Carnegie, der einmal sagte: "Ein Mann, der im Reichtum stirbt, der stirbt in Schande."
interessant in diesem zusammenhang sind in vorwahlzeiten natürlich auch die positionen der österreichischen parteien.
övp, fpö, flö und neos treten gegen eine erbschaftssteuer auf.
die dabei verwendeten argumente sind vor allem, dass diese finanzmittel bereits besteuert wurden, und dass österreich ohnehin eine bereits sehr hohe steuerquote aufweist.
spö, grüne, pilz und kpö sind für eine erbschaftssteuer, allerdings mit unterschiedlichen ansätzen vor allem, was die höhe eines eventuellen freibetrages betrifft.
auf das argument der bereits versteuerten gelder habe ich ja bereits bei meiner „geschichte“ hingewiesen. es gibt faktisch kein geld, dass nicht bereits in irgendeiner art und weise steuerlich belastet wurde und wird.
auch der kauf einer leberkässemmel aus meinem bereits versteuertem einkommen ist durch weitere steuern und abgaben belastet.
das argument der hohen steuerquote ist ein sehr fadenscheiniges, vor allem, weil die genannten parteien gleichzeitig entlastungen des faktors arbeit fordern. gerade mit den einnahmen aus einer wirksamen erbschaftssteuer wären entlastungen für arbeitnehmer finanzierbar.
auch die „enkelfitte gesellschaft“ der neos entlarvt sich durch diese ablehnung als eine enkelgesellschaft für wenige erben unter ausserachtlassung der vielen.
anstatt über eine eventuelle gerechte ausgestaltung (zb steuerbefreiung von genutzten hauptwohnsitzen) einer – von nahezu allen ökonomen geforderten - erbschaftssteuer zu diskutieren, wird also aktuell versucht, diese diskussion als neiddebatte darzustellen und mit vorgeschobenen argumenten die pfründe von einigen wenigen auf kosten der allgemeinheit zu schützen.
nicht zufällig wird im internet österreich als steuerparadies für erben dargestellt.
österreich ein steueroptimaler wohnsitz!
eine ganz persönliche anmerkung zum schluss.
natürlich wär ich auch angfressen, wenn ich sag ma einmal a million erben tät und davon müsst ich dann zb 30 oder 40 % steuer zahlen.
aber letztendlich ist von der politik – im gegensatz zu mir als individium – immer das gesamtbild einer gesellschaft zu beurteilen. und da erwarte ich mir verantwortungsvolles handeln bei immer grösser werdenden ungleichheiten.
nicht mehr und nicht weniger.
zur klarstellung: eine erbschaftssteuer bedingt auch immer eine schenkungssteuer. durch einen verzicht auf diese, müsste damit gerechnet werden, dass durch schenkungen zu lebzeiten die erbschaftssteuer umgangen wird.