Lieber Herr Schellhorn,

sie schreiben im Blog auf Fisch+Fleisch etwas über Digitalisierung im Zusammenhang mit neuen Arbeitswelten.

Und gleich im ersten Absatz bringen sie mich zum Kopfschütteln.

Da steht, dass sie einen Artikel auf ihrem Smartphone öffneten und sie sich über die mangelnde Qualität der Verbindung ärgerten und im gleichen Absatz etwas über den mangelhaften Breitbandausbau.

Als ob das in diesem Fall etwas miteinander zu tun hätte.

Sie sollten eigentlich wissen, dass Handy und Breitband so gar nix miteinander zu tun haben.

Wie überhaupt die Zukunft nicht im digitalen Breitbandausbau, sondern in der mobilen Datenübertragung liegen dürfte.

Und da red ich jetzt noch nicht von Datentransport durch Quantenverschränkung sondern ganz simpel vom nächsten Schritt moderner Datenübermittlung – 5G

Da stellt sich dann schon die Frage, wie sinnvoll das Graben von Erdlöchern ist?

Jetzt mag ich ausnahmsweise nicht bösartig sein und den Wissensstand des Herrn Schellhorn über digitale Datenübertragung mit seinem Verständnis über die Entwicklung digitaler Arbeitswelten nicht auf eine Stufe stellen.

Aber ich bezweifle, dass seine Analyse über die smarten Arbeitszeitwünsche durch Befragung von privilegierten Jugendlichen in seinem Umfeld (und ich behaupte jetzt, dass es sich dabei um privilegierte Jugendliche aus zumindest gutbürgerlichen, wohlhabenden Elternhäusern handelt, ohne genaue Kenntnis zu haben. Ich lass mich aber gern eines Besseren belehren) mit der gelebten Realität und der konkreten Zukunft des Grossteils von jungen Menschen in Österreich annähernd übereinstimmt.

Und ich bezweifle, dass sich Herr Schellhorn Gedanken darüber macht, wie die Digitalisierung und Automatisierung sich ausserhalb seines Schaffenskreises (Gast- und Hotelgewerbe) in naher und ferner Zukunft auswirken wird.

Um auf sein Beispiel der Metaller zu verweisen, ist anzunehmen, dass gerade Mitarbeiter dieser Branche in Bälde mit sich verändernden Arbeitsbedingungen konfrontiert sein werden.

Es werden völlig andere Kompetenzen und Fähigkeiten gefragt sein und es werden deutlich weniger beschäftigte Menschen sein.

Und ganz prinzipiell:

„Digitalisierung erfordert liberale Prinzipien“

schreibt Sepp Schellhorn.

Und:

„Viele meiner Mitarbeiter wollen mehr arbeiten, weil sie so durch Zuschläge und Überstunden mehr verdienen. Dürfen sie aber von Seiten des Gesetzgebers (und der Sozialpartner) nicht. Absurd. Keine Freiheit, keine Selbstbestimmung, keine Eigenverantwortung für Leistung.“

Ich hab überhaupt kein Problem mit Leistung und Einsatzbereitschaft. Im Gegenteil.

Ich bewege mich Zeit meines Lebens grösstenteils in einem Umfeld, in dem Leistung eine wesentlicher Faktor ist – dem Leistungs- und Spitzensport.

Und ich bin seit nahezu vierzig Jahren als Unternehmer (Freizeitbranche – ich war Miteigentümer und Geschäftsführer eine Sportanlage mit angeschlossenem Gastronomiebetrieb und Betreiber eines Grosshandels mit Sportartikel) oder EPU tätig.

Zum Verständnis und damit klar ist, dass ich nicht „wie der Blinde von der Farb red“:

In dem von mir geführten Betrieb hatten wir tägliche Öffnungszeiten von Mo bis Fr 9.00 bis 23.00 und Sa und So 9.00 bis 21.00 Uhr

Natürlich mit unterschiedlichem Arbeitsanfall, aber mit der Fixierung der Arbeitszeiten zu den Öffnungszeiten.

Gemeinsam mit meinen Mitarbeiter*innen wurde dann folgendes Arbeitszeitmodell erarbeitet.

Die Mitarbeiter*innen erstellten selbständig gemeinsam den notwendigen Dienstplan zur Besetzung von Rezeption und Gastronomie.

Jeder Mitarbeiter sollte möglichst 2 „Schichten“ übernehmen. Ach die Aufteilung auf 2 x 7-Stunden-Arbeitstage war möglich.

Gesamtarbeitszeit also 28 Stunden wöchentlich bei Bezahlung des normalen Kollektivvertrags für 40 Stunden.

Wenn jemand also zb Montag und Dienstag volle Schichten übernommen hat, war der Rest der Woche arbeitsfrei. Samstag und Sonntag galten trotz verkürzter Öffnungszeiten als volle Arbeitstage.

Ein für das Personal sehr zufriedenstellendes Modell mit positiven Auswirkungen auf die Arbeitsleistung.

Entgegen den bestehenden gesetzlichen Arbeitszeitregelungen, was dann auch dazu geführt hat, dass ich wegen fehlender Einhaltung der Ruhezeiten vom Arbeitsgericht bestraft wurde.

Die Liberalität von Herrn Schellhorn stellt sich aber sehr einseitig dar.

Liberal ist offensichtlich nur, wer auch Leistung erbringen will/kann.

Wo bleibt die Freiheit, bzw. Selbstbestimmung KEINE Leistung erbringen zu wollen?

Keiner seiner Mitarbeiter*innen hat die Möglichkeit im Sinne der individuellen Freitheit oder Selbstbestimmung einfach nichts zu tun.

JedeR wird zur Absicherung seiner/ihrer Existenz derzeit dazu gezwungen sich dem System der strukturellen Erwerbsarbeit zu unterwerfen. Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen!

Und nein, ich schreib hier jetzt kein Plädoyer für das bedingungslose Grundeinkommen.

Das hab ich an dieser Stelle ohnehin schon mehrfach – auch mit dem Verweis auf die Digitalisierung – getan.

(Anmerkung: Fast Jeder – es gibt eine Gruppe von Erb*innen, die von den Erträgen ihrer, ohne eigene Leistung, bestehenden Vermögen ihr Dasein fristen können.)

Wie liberal ist es, sich den Bedürfnissen des Arbeitsanfalls unterordnen zu müssen („dann arbeiten, wenn Arbeit da ist.“) ohne auf die Bedürfnisse der Menschen Rücksicht zu nehmen?

Das erinnert sehr stark an den „Manchesterliberalismus“ und das Recht des Stärkeren.

Das ist das, was man heutzutage unter „Neoliberalismus“ subsummiert.

Sorry Herr Schellhorn, aber das ist ein Rückschritt ins 19. Jahrhundert und nicht das, was im 21. Jahrhundert an Notwendigkeiten besteht und an liberalem Gedankengut gefragt ist.

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Markus Andel

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