Vorwärts in die Vergangenheit – Nachtrag zum Tag der Arbeit

Acht Stunden arbeiten.

Acht Stunden schlafen.

Acht Stunden Freizeit und Erholung.

So lautete der Slogan der Arbeiterbewegung in den 30ern.

Aber in den 30ern des vorvorigen Jahrhunderts – also 1830!

Nach der Gründung der Ersten Republik 1918 wurde neben anderen Verbesserungen im Arbeits- und Sozialrecht der Achtstundentag gesetzlich verankert.

In der Zweiten Republik wurde die Wochenarbeitszeit schrittweise erst von 48 auf 45, später auf 40 und in einzelnen Branchen gar auf 38 Stunden begrenzt.

Zur Erinnerung:

Die Arbeitszeitregelungen dienten einmal zum Schutz der Arbeitnehmer*innen.

pixabay/52663

Pünktlich zum 1. Mai legt nun die neue Regierung einen angeblich neuen Plan zur Vollbeschäftigung vor. Allerdings mit schon seit längerem bekannten Maßnahmen.

Teil dieses Plans ist auch die Deregulierung der Arbeitszeiten.

12 Stunden täglich und 60 Stunden pro Woche sollen möglich werden.

Jetzt gab es auch im Plan A von Ex-Kanzler Kern einen ähnlichen Vorschlag. Das macht es aber nicht besser. Im Gegenteil. Das zeigt nur, dass die Interessen von Dienstnehmer*innen schon lange auch von „Sozialdemokrat*innen“ nicht mehr vertreten werden.

Die durch den technischen Fortschritt enorme Steigerung der Produktivität sollte unselbständig Erwerbstätigen sowohl in Form von höheren Löhnen als auch durch eine Senkung der Arbeitszeit zumindest teilweise in angemessener Form zugute kommen.

Aber - nicht nur, dass seit mehr als 20 Jahren die Lohnquote zu Gunsten von Unternehmens- und Vermögenserträgen sinkt, gibt es auch seit 1985 keinen Ausgleich durch eine Verkürzung der wöchentlichen als auch jährlichen (Urlaubswochen) Arbeitszeit.

Was es dafür gibt, ist eine „kalte“ Arbeitszeitverkürzung – ohne vollen Lohnausgleich!

Seit dem Jahr 1994 hat sich die Zahl der Teilzeitbeschäftigten von 13,6 % auf 28,7 % im Jahr 2017 gesteigert.

In absoluten Zahlen von 496 Tausend auf 1.224 Millionen Beschäftigte.

Die Anzahl aller geleisteten Überstunden ist in etwa gleich geblieben.

Im Jahr 2004 leisteten 639.000 Erwerbstätige Überstunden, im Jahr 2017 663.000.

(Quelle Statistik Austria)

Lt. einer Untersuchung der Uni Wien wollen Vollzeitbeschäftigte in allen Altersgruppen tendenziell weniger arbeiten, als sie das normalerweise tun. Teilzeitbeschäftigte möchten dagegen über alle Alterskategorien mehr arbeiten.

Was ebenfalls zunimmt, sind All-in-Arbeitsverträge und Überstundenpauschalen. All-in Klauseln sind selten günstig. Vielfach glauben Arbeitnehmer*innen ein angemessenes Entgelt verhandelt zu haben, werden aber durch zahlreiche, nicht extra abgegoltene Überstunden in der Gesamtrechnung auf einen viel niedrigeren Stundensatz gedrückt, oft sogar unter den kollektivvertraglichen Mindestlohn. Dazu kommt, dass jährlich 45 Millionen Mehr- und Überstunden unbezahlt geleistet werden.

Über die Veränderungen am Arbeitsmarkt durch Digitalisierung und Roboter wird vielerots auch öffentlich diskutiert. Seit der berühmten Studie „THE FUTURE OF EMPLOYMENT: HOW SUSCEPTIBLE ARE JOBS TO COMPUTERISATION?“ von Frey und Osbon aus dem Jahr 2013 sind diese Auswirkungen wohl unbestritten. Auch, wenn die Digitalisierung nicht nur Arbeit vernichten, sondern auch neue Arbeitsplätze schaffen wird, stehen wir vor einem tiefgreifenden Strukturwandel.

Soweit die Fakten, die zeigen, dass 12 Stunden täglich/60 Stunden wöchtenlich die falsche Antwort auf eine der wichtigsten Zukunftsfragen ist.

„Freiwillige“ Arbeitszeitflexibilisierung nennt das die Bundesregierung.

Wie „freiwillig“ derartige Flexibilität tatsächlich sein kann, lässt sich bei Menschen in Abhängigkeits(Arbeits-)verhältnissen wohl leicht abschätzen. Vor allem auch in Anbetracht der Tatsache, dass diese Regierung ebenfalls beträchtliche Verschlechterungen für arbeitslos gewordene Menschen plant (zB Abschaffung der Notstandshilfe und Einschränkungen bei der Mindestsicherung).

Zusätzlich zeigen medizinische Studien, dass die Tagesarbeitszeit in der Regel 8 Stunden nicht überschreiten sollte.

Generell gebe es praktisch bei jedem Menschen spätestens aber ab der 10. Tagesarbeitsstunde einen deutlichen Leitungsknick – inklusive erhöhter Unfallgefahr im Beruf oder im Straßenverkehr.

Gerhard Stark, Internist und ärztlicher Direktor für alle Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen der Österreichischen Ordensprovinz der Barmherzigen Brüder sagt:

„Schwere körperliche Arbeit sei über so einen langen Zeitraum nicht möglich. Weniger verlässliche Daten haben wir jedoch im psychischen Bereich. Das Resultat ist eben, dass wir viele Menschen im Bezug auf ihre mentale Leistungsfähigkeit überfordern.“

Und zum Schluss eine ganz eindeutige Stellungnahme des Soziologen Prof. Jörg Flecker – sozusagen die Quintessenz dieser Debatte:

Arbeitszeitverkürzung war immer eine Verteilungsfrage und ist normalerweise eine Umverteilung.

Diese Flexibilisierung bringt eine Umverteilung hin zu den Gewinneinkommen zulasten von Löhnen und Gehältern.

In diesem Sinne:

Bleibt´s gsund und losst´s eich nix gfoin!

Und passt´s auf eich auf!

hagerhard

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