hagerhard
Heute – wie versprochen – ein Blick, was sich abseits der kuriosen Chatprotokolle in der grossen weiten Welt bezüglich der zu erwartenden wirtschaftlichen Auswirkungen aus der Coronapandemie so tut.
Die Coronakrise ist ja nur die Krise vor der Krise, denn wenn es endlich gelingt das Virus halbwegs unter Kontrolle zu bekommen – wie z.B. Neuseeland mit seiner No-Covid-Strategie, Portugal und China mit harten Lockdowns oder die USA und Israel mit „impfen, impfen, impfen“ – gehts erst richtig los.
Das weiss auch der neue POTUS und plant ein massives Infrastrukturprogramm mit dem er Millionen von neuen Jobs schaffen will.
Ausserdem hat jeder US-Haushalt mit einem Jahreseinkommen von bis zu 80.000 US-Dollar eine Einmalzahlung von 1.400 US-Dollar bekommen und das erhöhte Arbeitslosengeld, das demnächst ausgelaufen wäre, wird bis 6. September verlängert.
„Die USA verteilen schnell, massenhaft sehr viel Geld, das möglichst großflächig in den Konsum fließen soll und so zu einer raschen Erholung der Wirtschaft führen soll.“
Atanas Pekanov, WIFO
Dazu im Vergleich in Österreich.
Auch, wenn Kanzler Kurz in seiner „Osteransprache“ wieder einmal versprochen hat, dass „in den nächsten 100 Tagen“ alle geimpft werden können, erscheint das nach heutigem Stand sehr unrealistisch und sein Versagen in dieser Pandemie ist ganz offensichtlich.
Diese „Krise nach der Krise“ sendet auch in Österreich ihre ersten unübersehbaren Vorboten, wie eine „Delogierungswelle„ oder eine ebenfalls zu erwartende grosse Anzahl von Insolvenzen. auch Privatinsolvenzen.
Aufgrund des „extremen Rückstaus an Insolvenzen und der Zunahme der verschuldeten Haushalte infolge des Verlusts tausender Arbeitsplätze steht fest, dass auf Österreich eine Insolvenzwelle zukommen wird.“
Die Schliessung des MAN-Werkes in Steyr ist da nur die berühmte Spitze des Eisberges.
Unser Finanzminister allerdings sieht den aktuellen Rückstau als Erfolgsmodell und lobt sich für den Rückgang der Pleiten um 40 % gegenüber dem Vorjahr. Dafür kritisiert meint er: „Einen gewissen Nachzieheffekt können wir nicht gänzlich ausschließen.“
Und Arbeitsminister Kocher sieht das ohnehin nicht sehr tragisch. weil es nur kleine und Kleinstunternehmen treffen wird.
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Unsere Regierung liebt ja den Vergleich und rühmt sich bei jeder Gelegenheit um zu verdeutlichen wie gut sie die Wirtschafts- und Gesundheitskrise meistert. Blümel sieht Österreich gar als Spitzenreiter bei den Covid-Hilfen.
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Das lässt sich nur nicht überprüfen, weil diese Hilfen über die COFAG organisiert sind und „top secret“ behandelt werden. So sind natürlich Spekulationen Tür und Tor geöffnet.
Es wäre also auch möglich, dass Österreich tatsächlich eine Spitzenposition inne hat. Ebenso aber, dass diese Spitzenposition auf die selbstverständlich zufällige Unterstützung von Parteifreunden und Spendern der Regierungspartei beschränkt ist.
„Jemand, der im Verdacht der Freunderlwirtschaft steht, sollte nicht darüber entscheiden, wer Corona-Hilfen bekommt und wer nicht.“
Erstaunlich bzw. – je nach Sichtweise – verständlich wirken da die kaum wahrnehmbaren Aktivitäten des Finanzministers beim EU-Corona-Aufbaufonds, Recovery and Resilience Facility (RRF).
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Österreich könnte sich in den nächsten Jahren über 3,3 Milliarden daraus „abholen“. Bis Ende April sollten geeignete Investitions-Pläne der EU vorliegen. Möglicherweise will man diese Förderungen nun doch voll ausschöpfen, nachdem auf ÖVP-Seite vor wenigen Wochen noch überschaubares Interesse signalisiert worden war. Wohl hoffentlich nicht, weil die Opposition dringend eine Anbindung und vor allem die Kontrolle der Mittelverwendung durch das Parlament gefordert hat?
Ein ähnliches Trauerspiel bietet der erst seit 3 Monaten im Amt befindliche – mit viel Vorschusslorbeeren bedachte – ehemalige IHS-Chef und nunmehre Arbeitsminister Kocher.
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Es gibt keine Einmalzahlungen für Arbeitslose mehr. Die Aufstockung der Notstandshilfe auf die Höhe des Arbeitslosengeldes wurde mit 31. März beendet. Man setzt auf „andere Massnahmen“.
Und im Gegensatz zum US-Finanzministerin Janet Yellen und mehreren WirtschaftsNobelpreisträgern hält er die Erhöhung des Arbeitslosengeldes derzeit nicht für sehr sinnvoll. Martin Kocher glaubt es besser zu wissen.
Der Minister hat diesbezüglich eine sehr simple Sichtweise:
„Ist das Arbeitslosengeld zu hoch, sinkt der Anreiz, sich einen Job zu suchen“
(Anmerkung: in Österreich mit einer Ersatzrate von nur 55 % im Vergleich sehr niedrige ALG)
Und das bei knapp einer Million Menschen ohne Job oder in Kurzarbeit. Vergleichszahl: Im März 2021 waren in Österreich rund 74.000 offene Stellen gemeldet
Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung sagt in der Kleinen Zeitung:
„Die überraschendste Erkenntnis aus der Pandemie ist, dass man offenbar auch mit der Hälfte der Belegschaft der Unternehmen imstande ist, 84 Prozent der Wirtschaftsleistung zu generieren.“ Die durch den Lockdown erzwungenen Maßnahmen hätten in Österreich ungewollt „gigantische Rationalisierungseffekte aufgezeigt“.
Mit dauerhaft hohen Arbeitslosenzahlen ist also zu rechnen.
Nachsatz zur Kurzarbeit.
5,9 Mrd. Euro Steuergeld wurden bisher an Unternehmen dafür ausbezahlt und zwar unabhängig davon, ob das Unternehmen Schwierigkeiten durch die Pandemie ausgleichen wollte/musste, oder es sich um schlichte Auftragsschwankungen handelt. Auch an Unternehmen, die Dividenden an ihre Aktionäre auszahlen, wie z.B. Novomatic.
Für Arbeitnehmer*innen bedeutet Kurzarbeit aber jedenfalls einen Einkommensverlust von bis zu 20 % was volkswirtschaftlich wiederum auch eine Verringerung der Kaufkraft und somit geringeren Konsum bedeutet.
Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?
Wer oder wie sollen also die wirtschaftlichen Folgen von Corona gemindert, Hilfen und Investitionen bezahlt werden?
Finanzieren will Joe Biden seine grossen Vorhaben zumindest teilweise mit einer Anhebung der Unternehmenssteuern.
Wobei das in der Relation gesehen werden muss.
Trump hat die Unternehmenssteuern drastisch von 35 auf 21 Prozent gesenkt.
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Die nun geplante Erhöhung auf 28 % ist somit nur ein kleiner Schritt zurück.
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Robert B. Reich, US-Arbeitsminister unter Bill Clinton
Damit ist das noch kein „new deal“ und Biden noch kein Roosevelt, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.
Dazu kommt: wenn es gelingen sollte die Unternehmenssteuern in den USA wieder zu erhöhen, nimmt das gewaltig Druck von anderen Staaten im internationalen im Steuerdumpingwettbewerb. Das wäre höchst wünschenswert. Werden doch die sinkenden Steuern in der noch immer grössten Volkswirtschaft als Argument für immer neue Steuersenkungen genannt.
Dazu hat der Chefökonom der Industriellenvereinigung ebenfalls eine Meinung und er wünscht sich „Ausgabenkürzungen“ und keine „höheren Steuern“. Also alles wie gehabt:
Die Industriellenvereinigung wünscht, die Regierung spielt. Wir wissen ja, wer der ÖVP das neoliberale Wirtschaftsprogramm diktiert.
Ein Wunsch, dem sich unsere Regierung nicht verschliessen kann oder will.
Es wird also fix Steuererleichterungen für Unternehmen geben. Dass die KÖSt sinken soll steht fest. Von 25 auf 21 %. Möglicherweise bereits ab kommendem Jahr.
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Festzuhalten ist aber, dass sich die effektive Steuerbelastung von Unternehmen vom nominellen Steuersatz oft stark unterscheidet. So beträgt die effektive Steuer in Österreich mit nur 13 % etwa nur die Hälfte des nominellen Steuersaztes.
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Aber das kann doch einen Neoliberalen nicht erschüttern. Auch nicht Blümels Kollegen, den nunmehrigen Arbeitsminister.
Prof. Dr. Martin Kocher leitete seit September 2016 das Institut für Höhere Studien und ist an der Universität Wien als Professor für Volkswirtschaftslehre tätig. „Eine sinnvolle Senkung von Unternehmenssteuern wirkt stark stimulierend auf die Investitionen und das langfristige Wirtschaftswachstum.“
Seit mehren Jahrzehnten besteht international ein Trend zu sinkenden Steuersätzen. Durch niedrige Unternehmenssteuern sollen mobiler gewordene Unternehmen gehalten und angezogen werden bzw. soll sich die Attraktivität des eigenen Staates für Investitionen erhöhen und Steuerflucht vermieden werden. Entsprechend reduzierte sich beispielsweise der durchschnittliche Unternehmenssteuersatz der 28 EU-Mitgliedstaaten zwischen 1996 und 2018 von 38 auf 21,3 Prozent.
Seit 1981 wurden die Steuern für Reiche in den OECD-Staaten von 62 auf 35 Prozent gesenkt.
Glaubt wirklich irgendjemand, dass die Durchsetzung von Interessen der Finanzindustrie dem Wohl der Menschheit dient?
„Das ist die Weiterführung jener Politik, die vor vierzig Jahren unter der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und US-Präsidenten Ronald Reagan von der Weltbank und anderen Finanzinstitutionen zur Bedingung gemacht wurde. Die Funktionen des Staates sollen so weit wie möglich auf private Träger übergehen, vor allem bei den sozialen Leistungen.“
„Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren“
Die Stehsätze dieser Politik lauten:
„Der Markt reguliert sich selbst!“
“Private Vorsorge ist unerlässlich“
“Keine sozialen Hängematten“
“Ein schlanker Staat“
“Wenigster Staat, mehr privat“
Das es auch anders geht, zeigt – wie schon oft – Jacinda Ardern in Neuseeland.
Mit einer »No-Covid«-Strategie und konsequenter Virus-Eindämmung hat es Neuseeland geschafft, besonders gut durch die Coronakrise zu kommen. Die erfolgreiche Regierungschefin bleibt konsequent, erfüllt nun ein Wahlversprechen und hat mit 1. April den Mindestlohn und gleichzeitig die Steuern für Reiche erhöht.
Es wird also, wie immer, Gewinner und Verlierer geben.
Wahrscheinlich und vorhersehbar ist, dass der Grossteil der Verlierer all die ganz normalen Menschen sind, die glauben grad noch irgendwie davongekommen zu sein.
Die werden dann all das wieder bezahlen müssen.
Auf der anderen Seite wird es welche geben, die an dem „Danach“ ganz ordentlich verdienen.
An den Börsen. Mit Immobilien, die in Not verkauft werden müssen. Mit Übernahme von Firmen die knapp vor der Pleite sind. Oder mit der Ausschlachtung von insolventer Betrieben.
Und die werden es nicht sein, die mit Steuern den nun entstehenden Schuldenberg abtragen.
Das nämlich, werden wir alle sein.
P.S.:
Zu Martin Kocher gibt es noch ein paar „Schmankerln“
Er plädierte in der „Pressestunde“ für einen Selbstbehalt bei teureren medizinischen Leistungen.
Er findet, Hartz IV hat auch positive Aspekte.
Und er meint: „Offensichtlich wird der Wert von Pflege gering bemessen, weil sie kaum spezifische Fähigkeiten erfordert, und es zu viel Angebot am Arbeitsmarkt gibt.“
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