Es ist eine der Realitäten unserer Zeit, dass Ehen nicht mehr automatisch für die Ewigkeit geschlossen werden. Die Wegwerfgesellschaft, in welcher es Usus ist, etwas, das Probleme macht, lieber aufzugeben und durch etwas neues zu ersetzen als sich daran zu machen, Wege der Repartur und Verbesserung zu suchen, macht auch vor der Familie nicht halt. Natürlich ist es nicht in Frage zu ziehen, dass jedem Menschen das Recht zugestanden werden muss, den persönlichen Weg zum Glück zu gehen. Auch ist es unverhandelbar, dass es keinem Menschen zugemutet werden kann, an einer sich zum Matyrium entwickelnden Partnerschaft einfach festzuhalten. Dabei stellt sich allerdings oftmals die Frage, ob eine Trennung wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Denn viele stellen mit Verwundern fest, dass die Scheidung oftmals keinesfalls der Schlusspunkt ist, sondern gerade in jenen Fällen, in welchen Kinder mit im Spiel sind, dem Konflikt lediglich eine andere Dimension gibt.
Aus der Vielzahl möglicher Komplikationen und Herausforderungen nach der Entscheidung zum Einschlagen getrennter Wege sei einmal der Blick auf die betroffenen Kinder gerichtet. Auf Kinder, welchen viel zu häufig das Schicksal des Verlustes der Beziehung zu einem Elternteil droht, weil es die Erwachsenen nicht schaffen, Eltern- und Paarebene zu trennen.
In einer aufrechten Beziehung sind Eltern in einer selbstverständlich gelebten Aufteilung für die Kinder da
Die betroffenen Kinder wachsen vor einer Scheidung der Eltern in einem Familienverband auf, in welchem ganz individuelle Regeln der Betreuung selbstverständlich gelebt werden. Finanzielle Aspekte, Fragen der Freizeitgestaltung und der Forderung und Förderung des Nachwuchses sind da zwar regelmäßig für Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten gut, doch kann ein Kind sich meist sicher sein, dass es nicht überbleibt und von beiden wahrgenommen wird. Mama und Papa haben zwar andere Zugänge zu vielen Lebensfragen, doch das wird von Kindern oft sogar als Bereicherung empfunden; so lernen sie, dass es verschiedene Sichtweisen gibt zu ein und derselben Frage und sie beobachten auch gleich, wie mit solchen Differenzen umgegangen werden kann: Eltern sind ja lange Zeit notwendige Idole. Außerdem ist gerade diese Unterschiedlichkeit eine oftmals gerne genutzte Gelegenheit, einen Wunsch durchzubringen, da Kinder genau registrieren, zu welchem Elternteil sie damit kommen müssen. Die Frage, wer denn nun finanziell oder zeitmäßig mehr investiert, ist nebensächlich: man ist Mama und Papa, man ist da und sorgt dafür, dass es dem Kinderleben so gut wie möglich an nichts fehlt. Und ist mal die persönliche Betreuung - berufsbedingt - von keinem der beiden möglich, so werden Hort oder Kindergarten auch nicht als Beinbruch erlebt.
Eine Scheidung vermengt oft eigene Gefühle der Angst und der Wut stark mit den Anforderungen ans Elternsein
Bei einer Scheidung bekommen Kinder dann plötzlich eine Bedeutung, der sie gar nicht gewachsen sind und welche man ihnen eigentlich nicht antun darf. Es gilt es dann, darauf aufzupassen, dass Kinder nicht zum Faustpfand für die Begleichung offener Rechnungen und zum Symbol des Machtausgleichs zwischen den getrennten Eheleuten verkommen. Auch dürfen Kinder nicht quasi als Kollateralschaden der gescheiterten Ehe Gefahr laufen, nun automatisch und gesellschaftlich nicht nur geduldet, sondern oftmals sogar unterstützt, ein Elternteil zu verlieren. Gar nicht so leicht in einer emotional oft als Ausnahmesituation empfundenen Lebensphase der Erwachsenen: zu groß scheint da der eigene Schmerz, zu tief die erlttenen Verletzungen, zu unsicher der Blick nach vorne. Wird man sich das eigene Leben noch auf dem gewohnten Lebensstandard leisten können? Wird man den Kindern diesen Standard noch bieten können? Wird Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch unter den Bedingungen der neuen Lebenssituation gelingen? Wird die Zeit auslangen, um alle Bedürfnisse des eigenen Nachwuchses trotz der neuen Situation, in welcher man sich plötzlich auf sich selbst gestellt sieht, da man den Partner auch auf Elternebene nicht mehr mitdenkt, abdecken zu können? Fragen, zu welchen sich dann noch der Groll auf den Partner mischt, der doch daran Schuld trägt, dass es so weit gekommen ist. Vor dem man daher das Kind schützen muss, damit es nicht eben dieselbe Erfahrung machen muss.
Das Wechselmodell - als Garant für eine unveränderte Beziehung des Kindes zu Mama und Papa ...
Ein Modell, welches sich in einigen Ländern bereits durchgesetzt hat und nun auch in Österreich und Deutschland zunehmend diskutiert wird, ist das so genannte Wechselmodell: statt das eigene Kind im Scheidungsfall zu behandeln wie das Haus, das Auto oder das Kaffeesercice, welches es aufzuteilen gilt, soll standardmäßig davon ausgegangen werden, dass das Kind auch weiterhin zu beiden Elternteilen gleichberechtigten Kontakt haben darf. Es soll also dem Gericht, wie es heute in Deutschland und Österreich vorgesehen ist, nicht mehr mitgeteilt werden müssen, wer von beiden nun die überwiegende Betreuung übernimmt und wer sich degradieren lässt zu jenem Elternteil, welchem nur noch ein - in der Praxis oft schlecht funktionierendes - Besuchsrecht in minimalem Ausmaß und dafür die scheinbar alleinige Verpflichtung, den gesamten finanziellen Aufwand der Betreuung des Kindes zu stemmen, zugestanden wird. Das Feigenblatt des juristischen Begriffs der weiterhin bestehenden "gemeinsamen Obsorge" soll statt dessen mit Leben befüllt werden, es soll der Kontakt zu beiden Eltern in gleichen Teilen fortzusetzen sein. Eine verblüffend faire Lösung für das Kind, welches nicht mehr Spielball der noch nicht abgeschlossenen Fehden zwischen den Eltern werden soll - und doch spießt es sich in der aktuell laufenden Diskussion. Immer wieder mitschwingendes Argument dagegen: dann gibts doch keine Alimente mehr - wie soll dann der Elternteil, welcher in der aktuellen Rechtsrealität meist mit der überwiegenden Betreuung betraut und damit zum Zahlungsempfänger wird, überleben können?
... doch bekomme ich dann noch Alimente von meinem ehemaligen Partner?
Ein Argument, das paradox ist vor dem Hintergrund, dass Alimente keinen Versorgungscharakter für einen Elternteil haben. Mit ihnen soll lediglich sichergestellt sein, dass das Kind auch weiterhin finanziell abgesichert ist hinsichtlich der Erfüllung seiner Bedürfnisse. Und wenn ein Kind weiterhin zu beiden Elternteilen Kontakt haben darf wie es ja auch vor einer Scheidung der Fall war, wo ja auch beide Elternteile sich selbstverständlich zuständig gefühlt haben nach ihrer Wirtschaftskraft, erübrigt sich doch eigentlich dieser finanzielle Ausgleich zwischen den Eltern, da ja der direkte Kontakt zum Kind gleichberechtigt vorhanden bleibt.
Kindeswohl - ein Perspektivenwechsel in die Sicht der Kinder kann helfen
Eigentlich verwunderlich, dass die aktuellen Initiativen zum Wechselmodell auf diesen Teilaspekt nicht eingehen und nicht einmal den Versuch unternehmen, dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen auch in dieser Frage näher zu kommen. Ein Grund, sich damit einmal näher auseinanderzusetzen: Wechselt man also konsequent die Perspektive in jene der von einer Scheidung der Eltern betroffenen Kinder, so wird man - mit ganz wenigen Ausnahmefällen - zum Schluss kommen, dass ein solches Wechselmodell nicht nur für die Entwicklung des Kindes am ehesten über die Trennung hinweghilft, welches diese nicht als eigenen Verlust verarbeiten muss mit der damit verbundenen Gefahr, dass es sich daran die Schuld gibt, sondern auch den Eltern hilft, die unverändert bestehende Eltern- und die gescheiterte Paarbeziehung auseinanderzuhalten. Auch für die getrennten Partner bringt es Unabhängigkeit voneinander und zugleich die unveränderte gemeinsame Obsorge für das Kind: denn wenn das Kind zu Vater und Mütter in gleichen Verhältnissen kommen kann auch nach einer Scheidung, so werden ja auch die finanziellen Aspekte der Betreuung damit automatisch aufgeteilt und es ist sichergestellt, dass das Geld tatsächlich der Person zugutekommt, um die es bei Alimenten doch geht: dem Kind. Damit ändert sich für das Kind wie auch die Eltern auch am wenigsten: auch in aufrechter Ehe ist so gut wie nicht zu beobachten, dass sich eine Seite gänzlich unzuständig fühlt, für Gewand, Essen, Trinken, Schulbedarf, medizinische Kosten oder Hobbys aufzukommen.
Modelle der Unterstützung der finanziellen Seite für das Kindeswohl nach einer Scheidung
Es hieße, an der Realität vorbeizusehen, würde man diese Überlegungen tatsächlich eins zu eins auf alle Scheidungsfälle umlegen. Die Annahme, dass Vater und Mutter dieselben Möglichkeiten haben, finanziell für ein Kind zu sorgen und den gewohnten Lebensstandard des Kindes nach einer Trennung sicherzustellen, entpuppt sich nämlich leider immer noch als Wunschdenken. Als ein Relikt der Alimentationszahlungen des nur mit Besuchsrechten ausgestatteten Elternteils müsste daher eine Ausgleichszahlung erfolgen, welche sich an den finanziellen Möglichkeiten der beiden Elternteile orientiert und ermöglicht, dass Vater wie Mutter finanziellen Bedürfnissen des Kindes unverändert entsprechen können: können beide nach ihrem Ausbildungsstand in ungefähr dasselbe verdienen, so wird sich eine solche Zahlung erübrigen, verdient ein Elternteil deutlich mehr, so wird eine Ausgleichzahlung zu leisten sein, welche einen Bruchteil dessen ausmacht, was aktuell an Alimenten zu zahlen wäre, um sicherzustellen, dass das Kind auch wirklich zu beiden Seiten kommen kann mit gleicher Wahrscheinlichkeit, dass Wünschen entsprochen werden kann auf dem gewohnten Lebensstandard. Damit sollten auch die aus finanziellen Gründen heraus Bedenken hegenden Gegnerinnen und Gegner ihren Widerstand gegen das Wechselmodell als Standard fallen lassen können: beide Elternteile haben beizutragen zu Betreuung und finanziellen Aspekten, wobei auf beiden Seiten die bestehenden und zumutbaren Möglichkeiten Berücksichtigung finden; im Zentrum steht das Kind, welches möglichst keine Einschränkungen erfahren soll durch die Scheidung der Eltern. Denn Kindeswohl im Auge zu haben heißt ja: mit den Augen der Kinder darauf zu achten, dass möglichst keine Verluste durch das Gericht verfügt oder durch die Eltern vereinbart werden dürfen. Nicht übersehen werden darf dabei ein Randaspekt: nämlich jener der Gleichberechtigung: Vater und Mutter werden dann gleich behandelt und gleich dazu verpflichtet, sämtliche Aspekte der Kinderbetreuung auch nach einer Trennung eigenverantwortlich nach bestem Können zu erfüllen.
Weitere Anregungen
Da gerade die finanziellen Aspekte der Kinderbetreuung nach einer Scheidung immer wieder als Knackpunkt der Auseinandersetzungen zwischen den geschiedenen Eltern beobachtet werden müssen - Rechtsanwaltschaft und Gerichte wissen da ein Lied davon zu singen ob der zahlreichen Festsetzungsanträge zur Höhe der Alimente auch Jahre nach einer Scheidung -, wäre es interessant, diesen Faktor vollkommen ausblenden zu können: angedacht werden könnte hier etwa eine Pflichtversicherung, welche bei relativ geringen Prämienzahlungen, bemessen an der Höhe des Haushaltseinkommens, ab der Geburt eines Kindes im Fall der Fälle die Alimentation des Kindes sicherstellt. Die Idee dazu stammt aus vielen Mediationsgesprächen, wo auf die Frage des Mediators "Wie wäre es, wenn es eine dritte Person gäbe, welche die Alimente zur Gänze übernimmt?" regelmäßig eine kurze Phase der Entspannung eintritt und die Regelung des Umgangsrechtes wesentlich erleichtert.
Selbstverständlich kann kein Modell, welches vom Gesetzgeber vorgesehen wird, die Eigenverantwortung der Menschen ersetzen. Auch wenn daher das Modell der Wechselbetreuung gewisse Vorzüge hat gegenüber dem Istzustand in Österreich und Deutschland, so wird es doch immer wieder notwendig sein, im Einzelfall Abweichungen vornehmen zu können, wenn dies erforderlich erscheint: festgelegt werden kann dies in Eigenverantwortung der Betroffenen etwa im Zuge einer Mediation, oder auch durch ein Gericht.