Hans-Jürgen Gaugl www.lassunsreden.at
Er hat noch nicht besonders viel Zeit auf dieser Welt verbracht. Auf einer Welt, die er so liebt und die ihn wahnsinnig interessiert: all die anderen Lebewesen, all die Schönheit, die er bewundert. Besonders Kinder haben es ihm angetan: bei denen spürt er, dass auch sie diese Unbekümmertheit in sich tragen.
Gut, es war eigentlich auch schon viel Schmerzhaftes dabei, das er da erfahren musste. Hunger etwa. Ja, es gilt halt, schnell zu sein, wenn mal was da ist. Denn er ist ja nicht allein mit seinem Wunsch, etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Und genug gab es da, wo er aufwuchs, eigentlich nie für alle. Und dann noch diese Erfahrung, welche dafür sorgte, dass er erfahren musste, dass selbst Knochen weh tun können.
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Alles allerdings kein Grund, aufzugeben. Oder schwarz zu malen. Oh nein – da waren doch all diese schönen Dinge, von denen er immer schon wusste, dass er sie erleben wird. Unbändig blieb daher seine Neugier, ungebremst seine Hoffnung, Freude zu erleben. Und irgendwas Erfreuliches gibt es selbst in den dunkelsten Momenten. Davon ist er fest überzeugt.
Und dann war er da: dieser Tag, der alles ändern sollte. Dass es ein Auto sein wird, das ihn da in einen neuen Lebensabschnitt bringt, hat er irgendwie geahnt. Das war ja auch der Grund, weshalb er den unter seinesgleichen verbreiteten Respekt vor diesen herumzischenden Dingern hat vermissen lassen. Die Transportkiste war etwas unbequem, die Reise aber zum Glück nicht sehr lange. Er ist sicherheitshalber stehen geblieben, damit er nichts verpasst. Und dann durfte er übersiedeln in ein weiteres Auto, in welchem er spürte: ja, das fühlt sich irgendwie geborgener an. Jetzt konnte er sogar entspannen. Ein wenig schlafen. Im Wissen, dass da jetzt jemand anderer aufpasst.
Die nun kommenden Stunden waren enorm aufregend: war er zunächst begeistert von dem Auto, da es in ihm warm war und er ein wenig Ruhe genießen konnte, so konnte er es gar nicht fassen, dass das im Haus genauso toll war – nur mit viel mehr Platz. Und er durfte echt drinbleiben. Allen Ernstes. Am meisten faszinierte ihn der Fußboden. Ein Boden, der sogar in den Raureifnächten im Herbst warm ist – das hätte er sich nicht träumen lassen. In dem Haus gab es auch unzählige spannende Dinge: da kam etwa dauernd Essen – und Trinken konnte man auch ständig. Ist das das Paradies? Es dauerte ein paar Mahlzeiten, ehe er erkannte, dass es jetzt gar nicht mal erforderlich war, in Rekordtempo alles Verfügbare in sich reinzuschlingen. Dann diese Wand, in der ein Hund war – allerdings nur, wenn er direkt davorstand. Oder diese andere Wand, aus der dauernd herausgeredet wurde und man dazu ständig andere Bilder sah.
Die anderen Vierbeiner im Haus waren nicht unbedingt begeistert von seiner Anwesenheit – aber das war schon okay. Die kommen auch noch drauf, dass er gar keine großen Ansprüche hat. Die Zweibeiner schwor er sich nicht mehr aus den Augen zu lassen. Ganz kurz vielleicht bei einem Abstecher in die verschiedenen Winkel des großen Gartens – aber sonst nicht. Er war sich nämlich nicht ganz sicher, ob es sich bei denen nicht um irgendwelche Gottheiten handelt. Gut, das mit dem Wasser hätten sie sich sparen können – haben irgendwas Unverständliches über „Iltis“ geredet und darauf bestanden, ihn in den See im Haus zu stecken. Das Abrubbeln mit dem Tuch hat dann wieder für diesen Schock entschädigt. Auch wenn er noch Schwierigkeiten hatte damit, die Bedeutung der ihm unbekannt vorkommenden Laute der Zweibeiner zu erkennen, so war er doch bemüht, rasch zu erkennen, wie er ihnen eine Freude machen kann. Eigentlich sehr leicht: „aus“ und „da komm her“ verstand er nach wenigen Stunden – und es war toll, dass er dann immer gleich belohnt wurde mit lieben Worten, einem netten Blick und manchmal sogar Streicheleinheiten. Oh, wie gut das tat, diese Hände zärtlich über seinen Körper streichen zu spüren.
Ja, er hatte es gewusst: die Welt ist gut. Er liebt das Leben. Er liebt all diese wunderbaren Wesen auf dieser Welt – sogar die, die ihn bereits aufgegeben haben.