Dieses Wochenende wurde der mehr oder weniger am innenpolitischen Geschehen interessierten Öffentlichkeit ein Wechsel in der Bundesregierung bekanntgegeben: Johanna Mikl-Leitner wird die Bundesregierung verlassen und Wolfgang Sobotka soll stattdessen dem Bundespräsidenten zur Angelobung als Bundesminister für Inneres vorgeschlagen werden. An sich ja gleich ein schönes Beispiel für die Aufgaben eines Bundespräsidenten beziehungsweise einer Bundespräsidentin, doch dazu ein anderes Mal.
Okay, so ein Wechsel ist an sich nichts Ungewöhnliches: Privat- wie auch Berufsleben sind einem ständigen Wandel unterworfen – weshalb soll daher kein Wechsel in der Position der Leitung eines Ministeriums beziehungsweise des Finanzressorts eines Bundeslandes stattfinden dürfen? Gründe kann es viele geben – Mutmaßungen über sie anzustellen, ist daher mit einer großen Wahrscheinlichkeit, daneben zu liegen, verbunden. Natürlich ist eine solche Veränderung dennoch für viele Menschen reflexartig Anlass, eine Beurteilung abzugeben. Wie bei einem Spielerwechsel während eines Fußballmatches fühlt sich das Publikum bemüßigt, eine Bewertung vorzunehmen: Während die einen mit frenetischem Applaus auf die Bank verabschiedet und eingewechselte Spieler mit Vorschusslorbeeren willkommen geheißen werden bei Anerkennung der Entscheidung des Trainers, diesen Wechsel vorzunehmen, gellen bei anderen anlässlich der Rochade laute Unmutsäußerungen.
Bleiben wir bei dem Bild des Zuschauers beziehungsweise der Zuschauerin im Fußballstadion: käme jemand auf die Idee, den Spielern vorzuhalten, dass der Rasen keinen gut bespielbaren Eindruck macht? Würde jemand in Buh-Rufe, Pfiffe oder beleidigende Sprechgesänge einstimmen, um dem eingewechselten Mann vorzuhalten, dass das Wetter den Aufenthalt ungemütlich macht? Würde es einen Grund für Verhöhnungen bei der Verabschiedung eines Stürmers vom Spielfeld darstellen, wenn es dem Tormann seiner Mannschaft zuvor bei einem Elfmeter nicht gelungen ist, den Ball zu halten?
Wenn man sich so das Rauschen durch die Kanäle der social media anlässlich der Bekanntgabe des Wechsels in der Regierungsmannschaft ansieht, dann kann das nachdenklich stimmen. Was wird hier eigentlich bewertet? Dass in der österreichischen Demokratie Gesetze vom Parlament beschlossen und geändert werden, sollte eigentlich hinlänglich bekannt sein. Besteht Unzufriedenheit mit dem gesetzlichen Rahmen etwa der Asylgesetzgebung, so ist es ungefähr so sachlich, die scheidende Innenministerin dafür zu tadeln, wie wenn man es einem Stürmer vorhält, dass ein Elfmeter nicht gehalten wurde. Eine Bundesregierung hat einzig und allein den Auftrag, die Rechtsordnung zu vollziehen und ist dafür dem Parlament und damit der Bevölkerung verantwortlich.
Was hat Johanna Mikl-Leitner gemacht? Sie hat bei ihrer Angelobung als Bundesministerin für Inneres die Aufgabe angenommen, das für die Sicherheit des Landes zuständige Ressort zu leiten: keine sehr dankbare Aufgabe, wenn man bedenkt, dass vom Gesetzgeber immer weniger Geld für diese enorm bedeutsame Aufgabe zur Verfügung gestellt wird, um über ausreichend Geld für die zahlreichen anderen Aufgaben des Staates wie etwa die Sicherung des Pensionssystems oder des Gesundheitswesens zu verfügen. Sehenden Auges hat sie dennoch ja gesagt dazu – und hat auch nicht das Handtuch geworfen, als es galt, angesichts der Flüchtlingsströme den Spagat zu schaffen zwischen dem Vollzug der Vorgaben des Parlaments und dem eigenen Anspruch an Menschlichkeit: Menschlichkeit gegenüber jenen, die Angst haben vor den in der Öffentlichkeit ausführlich beschriebenen Bedrohungen, die mit den Zuflucht suchenden Menschen verbunden sein sollen – Menschlichkeit aber auch gegenüber jenen Menschen, die in ihrer Heimat keine Möglichkeit zum Überleben mehr sehen.
Wer Johanna Mikl-Leitner kennt, der weiß, dass sie ein sehr großes Herz hat und obendrein mutig ist mit dem eisernen Willen, Dinge anzupacken. Sie ist keine Frau der großen Worte – eher beratschlagt sie sich mit Expertinnen und Experten und setzt entsprechende Handlungen. Dass sie sich dabei oft nach der Decke strecken muss macht es für sie nicht leicht – hält sie allerdings auch nicht davon ab, auch unter erschwerten Rahmenbedingungen das bestmögliche herauszuholen.
Ist es fair, dieser Frau nun Prügel nachzuwerfen? Für Dinge, die zu beeinflussen nicht ihre Aufgabe war? Bringt es Österreich etwas, wenn zwei Kinder in der Zeitung lesen müssen, dass ihre Mama, die sie als liebevolle Frau erleben, abgestempelt wird zur personifizierten Unfähigkeit der Gesellschaft, tragbare Rahmenbedingungen zu schaffen für den Umgang mit Not und Leid auf dieser Welt? Oder wäre es eher angezeigt, ihr zu danken, dass sie den Spagat versucht hat trotz der widrigen Umstände?
Ich persönlich danke ihr lieber für ihren Einsatz. Am System selbst hätte ich auch einiges zu bemängeln, doch ist dafür das Parlament erste Adresse, wenn es nicht um Kritik der bloßen Kritik wegen gehen soll. Und ich wünsche ihr nun dankbarere Aufgaben in Niederösterreich – sie hat es sich verdient!
Ailura https://commons.wikimedia.org/wiki/File:WahlNÖ2013_MiklLeitner_5003.jpg