Die kleinen Tricks im Miteinander: 2. Auch mal über Gefühle reden

Gefühle sind ein ungeheurer Antrieb, Dinge zu tun – zugleich aber auch oftmals eine schier unüberwindbare Blockade. Während Glücksgefühle dank des Botenstoffes Dopamin die Produktion von Endorphinen anregen und einen solchermaßen in die Lage versetzen, frohen Mutes an alle Herausforderungen des Lebens heranzutreten, können Wut, Angst und Trauer vor allem in der Kombination mit Stress eine regelrechte Starre auslösen. Emotionale Regungen finden demgemäß auch zurecht Eingang in viele Redewendungen: „Ich könnte vor lauter Glück Bäume ausreissen“ bringt dabei die Zuversicht in eigene Stärke zum Ausdruck während ein „ich bin blind vor Wut“ es auf den Punkt bringt, dass die durch ein einzelnes Ereignis ausgelöste Wut ebenso sehr rasch um sich greifen kann und kognitive Fähigkeiten auszuschalten scheint.

Emotionen werden dabei als sehr subjektive Erlebnisse beschrieben und in einer wissenschaftlichen Herangehensweise der Psychologie eingeteilt in verschiedene Dimensionen: die Richtung gibt dabei etwa an, wie angenehm oder unangenehm sie erlebt werden, die Qualität gibt Aufschluss über den Erlebnisinhalt beziehungsweise die Aufmerksamkeit oder Ablehnung (Verdrängung), welche ihnen geschenkt wird; unterschieden wird auch nach dem Ausmaß der Aktivierung, also der Intensität, mit welcher sie Einfluss auf nachfolgendes Denken und Handeln nimmt sowie dem Bewusstsein für die Regung. Die Stärke schließlich beschreibt, wie sehr die Person erregt ist und wie intensiv das Gefühl aktivierend auf Denken und Handeln einwirkt. Es wird dabei davon ausgegangen, dass Gefühle also eine körperliche, eine psychische und eine verhaltenssteuernde Komponente besitzen: man bebt etwa vor Wut, fühlt sich dabei blind und setzt in weiterer Folge destruktive Verhaltensweisen.

Bedenkt man die Wucht, mit welcher Gefühlsregungen das Leben zu beeinflussen vermögen und dabei wesentliche Entscheidungen in die eine oder andere Richtung begünstigen oder erschweren, so ist es eigentlich verwunderlich, dass ihnen oftmals in der Kommunikation kaum bewusste und ausgesprochene Bedeutung geschenkt wird. Wahrscheinlich liegt es daran, dass Kindern oft von klein auf eingetrichtert wird, emotionale Ausbrüche für sich zu behalten: Zornausbrüche werden im Keim erstickt und auch überschwängliches Lachen oder Liebesbekundungen werden rasch zurückgepfiffen, da es sich gerade nicht gehöre. Im Berufsleben wird ebenfalls selbstverständlich darauf Wert gelegt, dass man es sich verkneift, Trauer, Angst, Wut und Freude Ausdruck zu verleihen. Die Gesellschaft definiert sich mit zunehmendem Zivilisationsgrad eher an rational nachvollziehbaren Vorgängen, und da scheint es für den emotionalen Antrieb wenig Platz zu geben. Was allerdings nicht bedeutet, dass Emotionen dabei auch weniger auftreten – es wird ihnen lediglich weniger Bedeutung beigemessen, sie werden nicht mehr bewusst als solche erlebt und benannt, sie werden verdrängt; womit ihre Intensität, mit welcher sie Einfluss auf das Handeln nehmen können, allerdings eher zu- denn abnimmt, und das scheinbar unkontrollierbar man verlernt hat, sie anzunehmen.

Es ist daher gar nicht weiter erstaunlich, dass viel zu selten über Gefühle geredet wird. Geredet – nicht bloß in Floskeln verpackt. Oder mit freier Meinungsäußerung verwechselt: dabei werden Gefühlsregungen mit Einschätzungen zu Fakten vermischt und jeder Widerspruch somit sofort auf der persönlichen Ebene als Angriff gewertet. Ein Vater etwa, der seine Kinder gerne auch nach einer Trennung von deren Mutter öfter sehen will, bekommt von der Gesellschaft kaum den Raum zugestanden, sich seiner Gefühle der Liebe, der Angst und der Trauer bewusst zu werden und diese dann in weiterer Folge auszudrücken und einzusetzen für das konstruktive Elterngespräch – statt dessen wird er als der Papa, der versagt hat abgestempelt. Auch das „Ich liebe Dich“ versetzt viele Menschen in Erstaunen, wenn darauf die Frage kommt, was genau denn das bedeute, wie sich das denn anfühle.

Diese Trennung zwischen Gefühlen, Einschätzungen und auch Erwartungshaltungen kann allerdings wieder erlernt werden. Der Mensch ist mit dieser Fähigkeit auf die Welt gekommen, sie wurde ihm abtrainiert, sie wurde dabei ins Unterbewusstsein abgedrängt – natürlich ist es daher umgekehrt auch wieder möglich, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Gefühle etwas kostbares sind, das nicht versteckt werden muss. Eine Möglichkeit ist es dabei, sich zunächst bei jedem Gespräch mit dem engsten Freundeskreis dafür Zeit zu nehmen, was das gerade besprochene Thema mit einem macht: krampft es einem den Magen zusammen, steigt die Herzschlagfrequenz, beginnen die Hände zu schwitzen, fällt es schwer, zuzuhören, …? Alles körperliche Anzeichen dafür, dass da Gefühle ins Spiel kommen, die darauf ein Anrecht haben, wahrgenommen zu werden. Hier besteht dann die Möglichkeit, sie bewusst anzunehmen als Ratgeber – oder sie beiseiteschieben zu wollen und damit zu bewirken, dass sie ihre Kraft unterbewusst entfalten werden im darauf folgenden eigenen Verhalten. Jetzt besteht die Möglichkeit, sich zu offenbaren – mit in den meisten Fällen sehr konstruktiver Auswirkung auf das weitere Gespräch: statt nicht nachvollziehbaren Vorwürfen an das Gegenüber eröffnet die scharfe Trennung von Beobachtung, Interpretation und eigenen Emotionen die Chance, dass das Gegenüber darauf eingehen kann. „Das ist wieder typisch – Du hörst mir gar nicht zu; anscheinend ist es Dir vollkommen egal, was ich sage!“, bringt zwar die Trauer und auch die Wut darüber zum Ausdruck, dass man sich nicht Gehör verschaffen kann mit seiner Meinung oder seinen Bedürfnissen, macht es dem Gegenüber allerdings sehr schwer, da jetzt konstruktiv zu bleiben auf dem Weg, den man sich doch eigentlich so dringend wünscht. Bleibt man stattdessen bei sich, benennt die Emotionen, die gerade aufsteigen, so wird das wesentlich hilfreicher sein. „Mir ist es wichtig, dass ich Dir erklären kann, was da meine Sicht der Dinge ist. Es macht mich enorm traurig und wütend auf mich selbst, dass es mir einfach nicht gelingt, die richtigen Worte zu finden.“, besagt genau dasselbe, wobei die angesprochene Person jetzt in keine reflexartige Abwehrhaltung gehen muss sondern statt dessen sehr wahrscheinlich sogar dazu angeregt wird, Verständnis aufbauen zu wollen.

Um über Gefühle reden zu können bedarf es erstens einer entsprechenden Beschäftigung mit sich selbst und zweitens viel Übung in ihrer haargenauen Trennung von Meinungen, Beobachtungen und Interpretationen. Viel Erfolg beim Ausprobieren. Seien Sie dabei bitte geduldig – vor allem auch mit sich selbst!

5
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

liberty

liberty bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

FraMoS

FraMoS bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

Hansjuergen Gaugl

Hansjuergen Gaugl bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

2 Kommentare

Mehr von Hansjuergen Gaugl