Die kleinen Tricks im Miteinander: 8. Routine schrittweise ersetzen durch Achtsamkeit

Der Alltag der meisten Menschen ist davon geprägt, dass ständig danach getrachtet wird, die anstehenden Herausforderungen optimal zu meistern. In ständig wiederkehrenden Mustern wird versucht, einen höchstmöglichen Grad an Effizienz zu erreichen bei der zu verrichtenden Arbeit und den Aufgaben, denen man so begegnet. Meist gleichen sich dadurch die Tagesabläufe in erschreckend hohem Grad. Nach dem in den meisten Fällen durch den Wecker gesetzten Startschuss in den Alltag beginnt das bereits mit den unmittelbar daran anschließenden Ritualen: mit dem für sich selbst gefundenen Morgenzeremoniell bestehend aus der selbst entwickelten und als besonders ausgeklügelt empfundenen alltäglichen Abfolge von Verhandlungen mit der Schlummerfunktion des Weckers, Morgenhygiene, Bekleidung, mehr oder weniger üppigem Frühstück, das bei vielen auch nur aus einer Tasse Kaffee besteht oder ganz entfällt, und anschließender Aufnahme der Tagesaufgaben. Auch diese unterliegen meist bereits in Fleisch und Blut übergegangenen Abläufen. Da muss nicht mehr viel nachgedacht werden bei einzelnen Handgriffen und Entscheidungen – es läuft so wie immer, auch weil es ja immer schon so gelaufen ist. Selbst in der Freizeit scheint es oft so, dass die Macht der Gewohnheit allgegenwärtig ist: ausgegangen wird meist mit demselben Personenkreis, die Gespräche entwickeln sich selbst bei unterschiedlichen Themen stets in einander frappant ähnelnden Mustern und bei Hobbys nimmt man sich wie etwa im Sport sogar einen Trainer oder eine Trainerin, um möglichst routinierte Abläufe zu entwickeln. Auch in Beziehungen schleichen sich rasch einem still und heimlich eingeführten unausgesprochenen Protokoll folgende Rituale ein, zu welchen es bereits nach kurzer Zeit unvorstellbar scheint, daran etwas ändern zu können.

Und die Ausreden, weshalb man nicht ab und an ausbricht und selbst einmal so lustvolle Verrücktheiten ausprobiert wie jene Bekannte, über die sich wieder mal alle – vielleicht sogar insgeheime Bewunderung und Eifersucht versteckend über ihren Mut – den Mund zerfetzen für ihre manchmal unkonventionelle Art, sind auch sofort zur Hand: das gehört sich doch alles so und außerdem hat man das doch immer so gemacht. Darüber hinaus koste es doch nur unnötig Kraft, hier etwas zu ändern – eine Ausflucht, welche paradoxer Weise gerne verwendet wird kurz bevor man zum Schluss kommt, keine Kraft mehr zu haben für die Aufrechterhaltung des mit Zähnen und Klauen verteidigten Alltagstrotts um anschließend Unmengen an Energie darin zu investieren, in einen Loslösungskampf gegen das dann pauschal verteufelte Althergebrachte zu treten. Routine dominiert solchermaßen das Leben der meisten Menschen.

Dass Ritualen die Kraft zugeschrieben wird, Sicherheit zu vermitteln, stimmt zu einem gewissen Teil. Man kennt das nicht nur von kleinen Kindern, die sich mit festen Abfolgen rascher beruhigen lassen, sondern auch von Dingen, die man zum ersten Mal macht: der erste Kasten, welchen man selbst aufbaut, lässt einen zum Beispiel oftmals noch fluchen über die vielen Bestandteile, die es dazu braucht und da kann es auch schon mal passieren, dass die Aufbauanleitung in eine Ecke geschleudert wird beim Versuch, daraus schlau zu werden. Wiederholt man diese Tätigkeit, so erlangt man Sicherheit und gewinnt damit sehr viel Ruhe. Oder die Wegstrecke ins Büro, welche einem bei der ersten Fahrt noch sehr viel Konzentration abverlangt, um sich nicht zu verfahren. Rasch wird die Route zur Selbstverständlichkeit und man ist überzeugt, die Strecke auch im Schlaf fahren zu können.

Letzteres Beispiel veranschaulicht aber auch sehr schön das enorme und leider viel zu oft übersehene Gefahrenpotenzial von Routine. Ihre Monotonie, mit welcher sie sich über die Momente legt, schont nämlich zwar einerseits scheinbar den eigenen Energiehaushalt, andererseits lässt sie allerdings auch die Achtsamkeit enorm sinken. So sehr, dass bereits geringfügige außergewöhnliche Abweichungen vom Regelfall, mit welchen man nicht rechnet, im wahrsten Sinne des Wortes aus der Bahn werfen können: was bei der Autofahrt in tragischen Verkehrsunfällen wegen einem plötzlich hinter einer Kurve auftauchenden Hindernis auf dem bereits blind gefahrenen Heimweg nach einem Arbeitstag endet, äußert sich in bereits automatisiert gelebten Beziehungen in tiefen Krisen bis hin zu schmerzhaften Trennungen.

Wie kann man nun also den Spagat schaffen zwischen Effizienz und Sicherheitsgefühl auf der einen Seite und Achtsamkeit auf der anderen? Müssen Effizienz und Sicherheit erkauft werden um den Preis des Einschleichens von Monotonie in den Alltag und in Beziehungen? Natürlich nicht! Ein paar kleine Tricks dabei, die perfekte Ballance aus Lebendigkeit und Routine in sein Leben hereinzuholen, könnten sein:

1. Neugier am Leben halten: das Leben besteht aus einem ständigen Fluss in Form von Entwicklung. Auch Dinge, die man bereits als selbstverständlich ansieht, unterliegen diesen steten Veränderungen. Momente wie auch Mitmenschen weisen obendrein viele bislang nicht beachtete Seiten auf, die darauf warten, erkannt zu werden. Haben sie zum Beispiel schon einmal darüber nachgedacht, in welchen Bereichen die Menschen in ihrem engsten Umfeld sich seit dem Moment ihrer ersten Begegnung weiterentwickelt haben? Sehen die Menschen das selbst ebenso? Und was ist mit ihnen? In welchen Lebensbereichen würden die Menschen in ihrem Umfeld weiters gerne etwas ändern? Wo sie? Was könnte dann erleichtert werden? Was fehlt eigentlich noch, um das auszuprobieren? Sie müssen dabei nicht gleich alles in Frage stellen – nehmen sie sich kleine Bereiche vor und achten sie darauf, wie es ihnen und den Menschen in ihrem Umfeld damit geht. Entwickeln sie, am besten gemeinsam, ihren persönlichen Weg, über die Neugier die Freude an der Lebendigkeit wieder zu stärken. Und vielleicht auch über besonders schräge Ideen gemeinsam zu lachen.

2. Dankbarkeit zeigen: Handlungen und Worte, die man öfter hört, verfestigen sich allzu rasch in etwas, das man als gegeben hinnimmt. Es fließt ein in ein Gesamturteil, welches man gar nicht mehr so schnell zu hinterfragen bereit ist – im Guten wie im Schlechten. Der Nachteil daran ist, dass man damit nicht nur auf die eigene bewusste Freude über empfangene Gesten, die gut tun, verzichtet; man übersieht auch, dass sich das Gegenüber vielleicht Dankbarkeit verdient hätte – ein Danke, das, sofern es empathisch und aufrichtig ausgesprochen und gezeigt wird, ungeheure verstärkende Wirkung für das beidseitig lustvolle Klima haben wird. Wann haben sie zuletzt Dankbarkeit verspürt und auch gezeigt? Wie können sie dem Gegenüber, das Dankbarkeit vielleicht gar nicht so gewohnt ist und sich schwer damit tut, sie anzunehmen, dabei helfen? Kommen Sie heute bereits auf mehr als drei Dinge, für welche sie Menschen in ihrem engsten Umfeld dankbar sind – und es auch gezeigt haben?

3. Gemeinsam Lachen: Erasmus von Rotterdam hat einst festgestellt, dass ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit die höchste Form des Glücks ist. Wann waren sie zuletzt einmal ein wenig verrückt mit Menschen in ihrem engeren Umfeld? Haben die Routine in ihrem Alltag hinterfragt und dabei über vollkommen schräge Ideen nachgedacht, da mal andere Sichtweisen zuzulassen? Wann konnten sie zuletzt gemeinsam mit anderen so richtig herzlich lachen? In dem Moment, in welchem sie sich erlauben, auch mal ein Stück weit auszubrechen aus dem Alltagstrott, wird es leichter fallen, dem Humor wieder Raum zu geben.

4. Anker setzen: Sicherheit kann nicht nur die vermeintliche Erfahrenheit im Umgang mit Situationen bieten. Gerade im zwischenmenschlichen Bereich gibt es da sehr sinnvolle Alternativen und Ergänzungen zur in abgestumpfter Routine scheinbar steckenden Sicherheit. So kann es beispielsweise enorme Kraft geben, sich ein paar Bilder einzuprägen von Momenten mit seinen Mitmenschen, die als besonders schön erlebt wurden. Von einem Moment, an welchem man herzlich miteinander lachen konnte; von einer Begebenheit, in welcher besonders innige Verbundenheit verspürt wurde; von einer Situation, in welcher man wusste, sich voll und ganz verlassen zu können auf diesen Menschen; von Erfolgen, die man schlussendlich doch gemeinsam feiern konnte obwohl man ursprünglich daran gezweifelt hat, sie erlangen zu können …. Bereits das Heraussuchen solcher Bilder kann enorm viel bewegen und einen erkennen lassen, dass man es schlussendlich zu einem nicht zu unterschätzenden Teil selbst bestimmt, wie man herangeht an gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen: indem man die Sicherheit aus den bereits bewältigten positiven und kraftspendenden Momenten bezieht, um aus ihr heraus neuen Herausforderungen mit dem Mut der Offenheit zu begegnen oder indem man den Schutz unter dem Teppich der Gewohnheit sucht ohne Chance auf neue gemeinsame einzigartige Momente, die ein Foto für die Sammlung wert wären.

Viel Erfolg beim Ausprobieren. Seien Sie dabei bitte geduldig – vor allem auch mit sich selbst!

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