Wir leben schon in einer spannenden Zeit - und dennoch schaffen wir es zugleich, unsere Achtsamkeit für das Besondere zu verlieren. Wir verrohen zunehmend beschreiben diese Entwicklung die einen, während die anderen nicht müde werden, gar ein apokalyptisches Szenario aufkommen zu sehen. Wie kommt es, dass immer mehr Menschen in der Arbeit das Gefühl bekommen, nur als sprichwörtliches Humankapital gesehen zu werden das es gelte, gleich einer Zitrone bis auf den letzten Tropfen auszupressen? Wie kommt es, dass auch im Privatleben Beziehungen immer mehr zum Wegwerfprodukt verkommen, Familien immer kleiner und bedeutungsloser werden für das Streben des Individuums nach dem persönlichen Glück? Haben wir - jede und jeder einzelne von uns - daran Anteil und somit auch die Möglichkeit, eine Trendwende einzuläuten?

Noch vor hundert Jahren war es zum Beispiel ein Abenteuer, wenn man einen Ausflug in die nächstgelegene größere Stadt unternommen hat: bereits die Reise dorthin bedurfte einer ausgeklügelten Planung. Und dann erst die Eindrücke, die man einmal am Ziel angekommen gewinnen konnte: Menschen mit anderer Kleidung, als man sie gewohnt war, anderen Gepflogenheiten. Man war voll Hunger auf das Unbekannte und verspürte eine gewisse Ehrfurcht. Nicht selten fühlten sich die Menschen nach so einer Reise sprichwörtlich erschlagen von den erlebten Bildern und es wurde noch lange berichtet über die einzelnen Episoden dieses Abenteuers.

Heute ist selbst das Bereisen eines anderen Kontinents nichts außergewöhnliches mehr. Soeben noch in Österreich, nur wenige Stunden später in Australien. Die Menschen, auf die man dort trifft, können einen dabei ebenso wenig in Bewunderung versetzen wie die Sehenswürdigkeiten in Natur und Städten. Kennt man ja eh schon alles aus Reportagen und aus dem Reiseführer. Und außerdem hat man ja bereits seit Jahren das Leben von auf facebook gewonnenen Freunden am Destinationsort en passant verfolgt.

Unsere heutigen Transportmöglichkeiten und auch die Möglichkeiten des Internet haben unsere Welt scheinbar kleiner gemacht. Mit einigen Paradoxien: zwar teilen manche von uns ihre innersten Gefühle der gesamten Welt über facebook mit, aber dennoch vereinsamen Menschen zunehmend, verlernen herkömmliche Kommunikation und entfremden sich der eigenen Familie. Zwar glauben wir die Bilder der gesamten Welt zu kennen, aber dennoch haben wir die Ehrfurcht vor den im eigenen Garten blühenden Kirschbäumen verloren und sehen sie gar nicht mehr. Wo früher geredet wurde, wird heute gechattet - und dabei nicht nur auf so viele Ebenen der Kommunikation verzichtet, sondern auch dazu beigetragen, dass die Empathiefähigkeit abstumpft. Emoticons sollen zwar den Eindruck erwecken, dass da über meist nur in Abkürzungen dahingehudelte Nachrichten hinausgehend auch Mitgefühl aufgebaut wird, doch wird dies auf dieser schnelllebigen Plattform nur schwer gelingen können. Ein weiterer augenfälliger Widerspruch besteht darin, dass unsere Gesellschaft sich mehr denn je in einem Umfeld gedanklich über Statusmeldungen und Bilder austauscht, das keinerlei geografische Grentzen kennt, allerdings im echten Leben alles nach Religion oder geografischer Herkunft einteilbar Fremde panisch ablehnt: soeben noch "Je suis Charlie" gepiostet, gleich danach in der U-Bahn sitzend auf diese furchtbaren Menschen geschimpft, welche es doch glatt wagen, nicht Deutsch zu sprechen. Welche Sprache wurde da im Post nochmals verwendet .....

Die Social Media haben uns dabei in eine Falle gelockt, der viel zu viele von uns erlegen sind: es wird eine virtuelle Welt ermöglicht, in der es von Freunden nur so wimmelt. In der immer jemand da ist für einen, um zuzuhören. In der sich immer jemand findet, der uns versteht oder uns sogar beipflichtet. Und gibt es einmal Streit, dann wird die Person einfach entfreundet und durch 20 neue ersetzt. Dieses Angebot deckt sich so sehr mit unseren Grundbedürfnissen nach sozialer Anerkennung und auch vermeintlicher Sicherheit, dass wir rasch in Versuchung kommen, aus der reellen Welt in jene der social media zu flüchten. Und dabei übersehen, wie sehr diese virtuelle Welt beschleunigt, wie rasch die Eindrücke auf uns niederprasseln und unser Leben in einen Sog ziehen. Mit den beschriebenen Konsequenzen der Abstumpfung sowie der Überforderung gegenüber Konflikten im reellen Leben. Burn out, Depressionen und Vereinsamung sind die Folgen.

Legen wir doch wieder öfter unsere Smartphones bewusst beiseite, um mit unseren Mitmenschen zu reden. Achten wir darauf, wie sich die Stimme anhört, wie es sich anfühlt, was da in Worte gefasst wurde. Ersetzen wir wieder öfter die Anonymität des Bildschirms durch das Spüren der Präsenz des Gegenübers. Damit entschleunigen wir Gesellschaft wieder - mit mehr Zeit, diese Wertschätzung für die Schönheiten der Natur und der Lebewesen, welche uns umgeben, wieder zu entwickeln und aufzubringen. Dann wirds auch wieder besser laufen echten Leben - egal ob in der Arbeit oder im privaten Umfeld.

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Silvia Jelincic

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Hansjuergen Gaugl

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