Heute ist es soweit. In 570 niederösterreichischen Gemeinden - können Sie sich noch an die Schätzung der Anzahl der Gemeinden eines Kandidaten zur letzten Nationalratswahl erinnern? - sind die Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, durch ein einfaches Kreuz bei einer Parteibezeichnung zu bestimmen, wer die Geschicke jenes Ortes für die nächsten 5 Jahre politisch dirigieren soll, in welchem man sein Zuhause aufgeschlagen hat. Einige Parteien laden dabei auch dazu ein, einer konkreten Person auf der eigenen Liste den Vorzug zu geben.
In den letzten Tagen haben sich einige Kandidatinnen und Kandidaten daher besonders präsent gegeben: es wurde von dem einen oder anderen Handschüttelmarathon berichtet: so hat der Bürgermeister einer Stadtgemeinde aus dem Wiener Umland etwa mehrmals berichten lassen, dass er es sich nicht nehmen lasse, 1500 Hände persönlich zu schütteln. Super Sache - würden sich die getätigten Spekulationen in Schweizer Franken damit wegschütteln lassen, dann könnte das ja tatsächlich ein Kriterium für die Wahlentscheidung sein. Denn dann wäre ja endlich der finanzielle Spielraum dafür da, Kanal- und Wassergebühren, so wie eigentlich vorgesehen, tatsächlich auf das Ausmaß zu reduzieren, welches dem tatsächlich notwendigen Aufwand der Gemeinde entspricht - und zugleich wäre Geld vorhanden, um etwa jungen Menschen durch leistbare Wohnmöglichkeiten einen Verbleib in ihrem Heimatort zu ermöglichen und Kinderspielplätze wieder so zu gestalten, dass sie die Bezeichnung auch verdienen. Anderen Orts wurde das Wahlvolk mit herrlich duftenden Semmeln samt Butter und Marmelade an der Tür überrascht. Natürlich samt einer Zusammenfassung der Argumente, welche für die eine und gegen alle anderen Parteien sprechen könnten. Eine andere sehr beliebte Methode war ein von der Post mittels Flugblättern zugestellter öffentlicher Schlagabtausch über die korrekte Zurechnung von Verdiensten um Errungenschaften der letzten Jahre - ähnlich der Fernsehwerbung, die für "Wer hat´s erfunden?" bekannt wurde. Ebenso beliebte Methode: alles schlecht reden, gegen alles wettern und ohne konkrete Vorstellungen, was da eigentlich auf Gemeindeebene unternommen werden könnte, Angst und Hass zu schüren.
Kurz: in den letzten Tagen gab es eine unübersehbare Präsenz von Politik. Als Bürgerin beziehungsweise Bürger kam man sich umworben vor - allerdings auch irgendwie erschlagen. Denn während man die letzten Jahre kaum gefragt wurde, wie es einem geht und was man sich bei den Themen, die in der Politik zur Entscheidung anstanden, wünschen würde, so kam auch jetzt diese Einladung viel zu selten an. Es hat zwar offenbar so aussehen sollen, als würde man wenigstens bei diesem Wahlentscheid als Bürgerin beziehungsweise Bürger im Mittelpunkt gesehen. Angefühlt hat es sich aber oft anders: so, als würde einem jede der antretenden Gruppierungen ohnehin nur ultimativ erklären wollen, weshalb man wie zu denken habe und dementsprechend sein Kreuzerl am Wahlzettel zu setzen hätte. Es hatte oft etwas, das an Nestroy erinnert, der mal geschrieben hat, dass alle Macht bei vom Volk ausgehe, um bis zur nächsten Wahl nicht mehr zu ihm zurückzukehren.
Nehmen wir unser Wahlrecht dennoch Ernst. Entscheiden wir, wem wir am ehesten vertrauen, einen Dialog in unserer Gemeinde zu leiten, in welchem wir, die Bürgerinnen und Bürger, eingebunden sind in Entscheidungen. Geben wir einer Partei - besser noch: einer Person - dieses Vertrauen und nehmen wir uns selbst vor, die nächsten 5 Jahre immer wieder anzubieten, über unsere Bedürfnisse mit dieser Person zu sprechen. Einzufordern: wir sind das Volk, reden wir darüber, wie Politik uns helfen kann, jenen Rahmen zu schaffen, den wir brauchen, um selbstbestimmt glücklich zu werden und all das vorzufinden in unserer Gemeinde, was wir dabei brauchen. Gehen wir heute wählen und sehen wir das als Startschuss für eine neue Art der Kommunalpolitik!