Frank Stronach in den "Sommergesprächen"

Gestern war es wieder so weit. Sommergespräche. Diesmal war Frank Stronach dran. Dieser Österreicher, der einst auszog, um eine Bilderbuchkarriere hinzulegen: vom hungrigen jungen Mann zum Multimilliardär. Hungrig war er dabei nicht nur nach Erlebnissen in der Welt, er musste am Beginn seines Abenteuers auch oftmals mangels Geld diesen quälenden Mangel an ausreichendem Essen erfahren. Heute, viele Erfolge und Milliarden später, scheint sein Hunger immer noch ungebremst – wobei es ihn aber nach anderem verlangt: er will seinem Österreich, seiner Heimat etwas zurückgeben – und er sucht nach Gerechtigkeit und Anerkennung.

Dieser Mann stand also gestern Herrn Bürger zur Verfügung für Fragen, die nicht ohne Antwort bleiben sollen. Und von Beginn an konnte man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass diese zwei Männer sich nicht so recht darauf einigen können, worum es bei der Sendung nun tatsächlich gehen sollte: Geht es darum, den Chef der nicht nur Popularität, sondern auch Mitglieder im Parlamentsklub beständig verlierenden Partei zu befragen zu seinen persönlichen Befindlichkeiten im Zusammenhang mit den durch alle Schlagzeilen gewanderten Vorkommnissen im Team Stronach, das einst antrat, um Wahrheit, Transparenz und Fairness in die österreichische Innenpolitik zu tragen, oder ging es doch darum, dass dem Parteigründer Möglichkeit gegeben wird, nochmals zu erklären, welche Pläne er für seine Heimat hat?

Während Herr Bürger darauf zu bestehen versuchte, die vorbereiteten Fragen zu stellen und seinen Interviewpartner unter Hinweis auf die optimale Ausnützung der Sendezeit zu kurzen und entlarvenden Antworten zu zwingen, verstand es sein Gegenüber, immer wieder seine Vorstellung von Gesprächsführung durchzusetzen: die Verschuldung, die Wirtschaftslage, das demokratische System – all das waren die Themen, zu welchen er Botschaften loswerden wollte. Dass er nicht versteht, wie Menschen ruhig vor dem Fernseher sitzen können, wenn tausende von Familien dahingemetzelt werden in Kriegswirren war ihm wichtiger zu betonen, als Personalia in seinem Team zu kommentieren. Dass seine Lösungsansätze eines Länder-Euro, den von der UNO zu errichtenden Schutzzonen in den Unruheherden dieser Welt oder des Wesens einer ökonomischen Demokratie nicht in ein paar Sätzen verständlich erklärt werden können, das räumte er ein; lud aber den sich als Volkswirt outenden ORF-Moderator zu einem im Anschluss an die Aufzeichnung möglichen mehrstündigen Gespräch ein. Plakativer wurde Stronach in seinem Appell, Bürokratie abbauen zu wollen: noch sei Zeit dafür, die Ausgaben zu senken und dabei über die verschiedenen Möglichkeiten dazu nachzudenken und eigenverantwortlich auszuwählen; auch Griechenland würde besser dastehen, hätte man die Menschen dort rechtzeitig dazu aufgefordert. Wobei er klarstellte, dass Bürokratieabbau nicht verbunden sei mit Maßnahmen, welche mit der Motorsäge umgesetzt werden sollten, zumal es ja auch in diesem System um Menschen gehe, die betroffen wären - wenngleich er allerdings keinerlei Verständnis habe für die Unterscheidung zwischen Beamten, Angestellten und Arbeitern. In diesem Zusammenhang inszenierte er in Form einer zum Leidwesen von Herrn Bürger eingeschobenen Lesung aus dem Steuerkodex auch seine Verwunderung über die Komplexität der hiesigen Rechtsordnung und den Gleichmut der Bürgerinnen und Bürger dazu.

Wenn Herr Bürger es schaffte, Herrn Stronach doch zu einigen persönlichen Aussagen zu bewegen, dann war da sehr viel Wehmut spürbar: er zeigte sich – weniger vom verbalen, mehr von der Körpersprache und der Intonation seiner Worte – sichtlich enttäuscht, verkannt und verraten zu werden. Charaktereigenschaften seien ihm in Wirtschaft wie auch Politik als Basis von immer möglichem Erfolg enorm wichtig, und soziales Engagement sei für ihn nicht nur eine Sache, die schnell einmal eingefordert werden könne, sondern auch gelebt werden muss: so sei etwa er es gewesen, der, als in Lousiana ein Tornado gewütet hat und tausenden Menschen ihr Heim wegriss, sofort 500 neue Häuser hingestellt hat. Auch sein Engagement im österreichischen Fußball verteidigte er sofort sehr emotional, als er verspürte, dass ihm dieser Erfolg aberkannt werden soll: ein Jogi Löw sei einfach nichts für Österreich gewesen und er habe das erkannt und ihm selbst geraten, doch mit Deutschland Weltmeister zu werden, da dort seine Methoden fruchten könnten; und die Titelerfolge der Wiener Austria seien ebenso Verdienst seines Engagements gewesen und kämen in der Form wohl so rasch nicht wieder wie auch ein David Alaba, den er erst ermöglicht habe.

Dieser Frank Stronach, der gestern Abend im österreichischen Fernsehen von hunderttausenden Menschen gesehen wurde, sah nicht so aus, als hätte er aufgegeben. Unter Hinweis darauf, dass auch ein Abraham Lincoln nicht im ersten Anlauf Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wurde und dennoch als einer der bedeutendsten Männer in die Geschichte eingegangen ist, wischte er alle Versuche, ihm ein Zugeständnis abzuringen, mit seinem politischen Vorhaben in Österreich gescheitert zu sein, beiseite. Er nutzte obendrein die Gelegenheit, auch die Zuseherinnen und Zuseher direkt anzusprechen und aufzufordern, die Werte seiner Bewegung mitzutragen und mitzuarbeiten.

Meine Meinung zu diesem Auftritt ist, dass ich es enorm schade finde, dass Frank Stronach sich den wohl schwierigsten und undankbarsten Weg ausgesucht hat, jene Anerkennung in seiner Heimat zu bekommen, welche ihm eigentlich gebührt: er hat großes geschafft, hat sich als Österreicher, auf welchen man stolz sein kann wie auf die Olympiasieger unter unserer Flagge, durchgesetzt in der Welt – und dabei nie auf seine Heimat vergessen. Österreich ist ihm immer noch ein Anliegen, immer noch spürt er seine Wurzeln hier im Herzen Europas. Und es erscheint mir sehr glaubwürdig, dass er seiner Heimat Gutes will. Dies über Wahlergebnisse mit einer politischen Bewegung erreichen zu wollen ist allerdings der wahrscheinlich schwierigste Weg. Viele andere Möglichkeiten gäbe es, auch gesellschaftspolitisch die von ihm angestrebte Veränderung herbeizuführen. Ja, ich würde mich ganz gern mal mit ihm zusammensetzen. Nicht allerdings, um seinem Aufruf zu folgen, seine politische Bewegung zu unterstützen – nein, ich würde ihm gerne jene Anerkennung ausdrücken, welche er als Mensch in meinen Augen verdient und mit ihm Alternativen besprechen. Wer weiß – vielleicht liest er ja diesen Artikel?

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Silvia Jelincic

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Darpan

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Hansjuergen Gaugl

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