Gedanken aus Sicht des Konfliktmanagements zu Zielsetzung und Umsetzung von Feminismus

Feminismus stellt in unserer Gesellschaft ein Wort dar, um welches sich nicht nur unterschiedlichstes Verständnis von seiner Bedeutung rankt. Wird dieses Wort in eine Diskussion eingeworfen, so kann es rasch passieren, dass es eine Wirkung entfacht wie etwas Natriumbicarbonat (Backpulver), welches in Essig geschüttet wird: es beginnt zu brodeln und es entsteht rund um das eigentlich besprochene Thema explosionsartig soviel Schaum, dass eigentlich gar nicht mehr so recht klar ist, worum es den Beteiligten eigentlich geht.

An sich bezeichnet das aus dem Französischen abgeleitete Wort nicht mehr als eine politische Bewegung, welche für Gleichberechtigung, Menschenwürde und Selbstbestimmung von Frauen sowie das Ende aller Formen von Sexismus eintritt. Kann ernsthaft dagegen Position bezogen werden? Gibt es in unserem Kulturkreis ernsthaft Menschen, allesamt in einer Frau herangereift aus einer befruchteten Eizelle und von einer Frau geboren und solchermaßen in einer untrennbaren Beziehung zu ihr stehend, welche am Geschlechtsmerkmal der Weiblichkeit einen Grund erblicken, Menschenwürde abzusprechen, zu diskriminieren? Oder ist es nicht ohnehin „normal“ für uns, dass Frauen selbstverständlich selbstbestimmt und eigenverantwortlich Beitragen zum Miteinander in unserer Gesellschaft?

Als Frau hast Du es schwer, wenn Du alleine ausgehen willst

Beginnt man, hinter die salbungsvollen theoretischen Abhandlungen und die aufgetürmten Zahlenwerke zu blicken, welche da zur Unterlegung der einen oder auch der anderen im Namen des Feminismus ausgesprochenen Handlungsempfehlung zusammengetragen werden, dann erhellt das den Blick auf die wahren Herausforderungen weit mehr als die Lektüre der hundertsten Schrift dazu. Nehmen wir etwa Patrizia her. Sie ist Single, sehr weltoffen und reiselustig. Nachdem sie ganz gut verdient, könnte sie es sich leisten, ihrem regelmäßig verspürten Fernweh folgend und die Neugier auf fremde Kulturen stillend die Welt zu bereisen. Wenn da nicht ihre bereits in Teenagerjahren mit eigenen Erlebnissen gefütterte Angst wäre, als alleinstehende Frau rasch zum Freiwild erklärt zu werden. Angst um ihre sexuelle Selbstbestimmung haben zu müssen. Auf ihr Geschlecht reduziert, belästigt, und im schlimmsten Fall sogar vergewaltigt zu werden mit dem anschließenden stillen oder auch weniger stillen Vorwurf, allein verreist zu sein und sich vielleicht zu aufreizend verhalten und gekleidet zu haben. Bereits als Teenager war es ihr nicht möglich, ohne eine größere Gruppe von Freundinnen oder im besten Fall einen männlichen „Beschützer“ auszugehen: ununterbrochen wurde sie nämlich angegrapscht oder blöd angemacht, wenn sie mal allein an einem Tisch saß oder an der Bar stand, um einfach nachzudenken, die Musik zu genießen, ihren Cocktail zu schlurfen – zu chillen. Wenn Patrizia versuchte, zu erklären, dass das unangenehm ist und sie sich belästigt fühlt, wenn nicht einmal ein bestimmtes „Nein, danke“ reichte, dann wurde sie ausgelacht: sie solle doch froh sein, dass man sich für sie interessiere und man sie attraktiv fände – ein Mann würde sich geschmeichelt fühlen. Würde – ein wichtiger Konjunktiv. Denn abgesehen von wenigen Stars, die – ja warum denn bloß? – ständig Bodyguards um sich haben, ist diese ständige plumpe Anmache unter Missachtung selbstbestimmter sexueller Würde Männern eher unbekannt. Patrizia lernte also früh: als Frau musst Du Dich ständig schützen, wenn Du nicht zum Objekt rascher sexueller Befriedigung werden willst.

Frauenparkplätze - ein Beweis für mangelnde Einparkkünste?

Maria findet es besonders schlimm, dass Männer die Frauenparkplätze, welche es in mittlerweile den meisten Parkhäusern Gott sei Dank gibt, belächeln und nicht respektieren. „Die sind extra breit gebaut, damit auch Frauen reinfinden“ – dieser weit verbreitete Schmäh treibt sie zur Weißglut. Ebenso wie die sarkastische Frage, ob Frauen sich denn als behindert

sehen würden, da ansonsten ja nur Menschen mit Behinderung diese Sonderbehandlung zuteil werde. Ja, stimmt schon, dass Frauen- und Familienparklätze oft zusammengelegt sind – für letztere Bestimmung ist nämlich die mancherorts vorgesehene Extrabreite vorgesehen. Schon mal damit gekämpft, das Kleinkind aus dem Kindersitz zu bekommen, wenn der Nachbarparkplatz besetzt ist? Aaah, da geht dann vielen ein Licht auf, dass das mit Einparkkünsten überhaupt nichts zu tun hat, sondern einfach jemand mitgedacht hat bei der Festlegung der Breite. Eine Mutter oder ein Vater vielleicht, der eigene Erfahrung hat abseits der Vorurteile setzen konnte? Frauenparklätze sind übrigens eine Antwort auf Männern praktisch unbekannte Ängste: im dunklen Parkhaus bedrängt zu werden in einer noch deutlicheren und hemmungsloseren Vehemenz – nicht zwecks Raubes, sondern für bis zur Vergewaltigung reichender sexueller Belästigung. Deshalb die besonders gute Ausleuchtung des Bereiches, die verstärkte Videoüberwachung, die Nähe zum Ausgang.

Solche Geschichten gäbe es viele. Diese Schilderungen stimmen alle nachdenklich. Und machen nicht nur Frauen, sondern auch Männer traurig: was rennt da falsch, dass Menschen ihres Geschlechts wegen schlechter behandelt werden, gedemütigt werden, in ihrer großartigen Individualität nicht gewertschätzt sondern auf äußerliche Unterscheidungsmerkmale reduziert werden? Was könnte hier die Antwort sein, um dem ein Ende zu setzen?

Kampf für etwas, das selbstverständlich sein sollte; Wo liegt dann das Problem?

Damit kommen wir wieder zum Feminismus: die positiven Forderungen des Feminismus werden also wohl kaum von einem vernunftbegabten Menschen abgelehnt werden. Es geht hier um eine Gerechtigkeitsfrage und Gerechtigkeit ist nicht erst seit der französischen Revolution ein Bestreben, welches einen wichtigen Antrieb der Individuen darstellt. Es gilt hier, diese vorhandene Energie in allen Menschen zu bündeln und auf ein gemeinsames Ziel zu konzentrieren: Menschenwürde und Selbstbestimmung für alle durch Wertschätzung der Bedürfnisse des Individuums in konstruktivem Zusammenwirken aller Teilgesellschaften. Bei allen Gerechtigkeitsthemen gibt es allerdings auch eine große Herausforderung: niemand darf hier das Gefühl erlangen, zum Verlierer des Prozesses zu werden, über zu bleiben mit seinen eigenen Bedürfnissen. Menschenwürde ist ein unverhandelbares Recht und ist daher allen Menschen gleichermaßen zuzustehen. Sobald auch nur der leiseste Verdacht sich einschleicht, das Ausräumen von Ungerechtigkeit müsse mit Schuld und Sühne gegen Teilgesellschaften verknüpft werden, wird die Energie nicht mehr auf das Ziel gerichtet werden können sondern sich in einen Kampf und einen Abwehrkampf der betroffenen Teilgesellschaften verlagern samt dabei kaum zu verhindernder Kollateralschäden. Statt einer Verbesserung droht dann eine Verschlimmerung, statt einem mehr an Außerstreitstellung der unantastbaren Menschenwürde droht dann in der Eskalation eine Ausweitung auf bisher unbeschadet gebliebene Lebensbereiche.

Männer als ebenso Betroffene von Defiziten in der Menschenwürde

Wie soll etwa Kurt es verstehen, unter dem Schlagwort der „positiven Diskriminierung“ – allein von der Wortwahl her ein Paradoxon, wenn im Zusammenhang mit Diskriminierung etwas positiv gesehen werden soll – ständig bei Chancen des beruflichen Aufstiegs den Kürzeren zu ziehen trotz Bescheinigung seiner im höchsten Maße gegebenen Eignung, weil er halt leider ein Mann ist? Wie fühlt sich Franz, selbst als Kind sexuell misshandelt, wenn er ständig konfrontiert wird mit den Bildern des Bedrohungsbildes von Männern für die selbstbestimmte weibliche Sexualität – ist er nicht selbst, obwohl Mann, auch Opfer, das es verdient, wahrgenommen zu werden in seinem Schicksal? Wie geht es wohl Hans, wenn er belächelt wird für seine Berufswahl in einem Feld, das als „Frauenberuf“ verschrien ist? Was ist mit Peter, der sich mit seiner Frau darauf geeinigt hat, die Kinder zu betreuen und zu Hause zu bleiben – hat er da keine Einkommenseinbußen in der Lebensverdienstsumme hinzunehmen und beim Wiedereinstieg zu kämpfen? Was soll Herbert sagen, wenn er im Kampf um das selbstverständliche Recht seines Kindes, auch mit ihm Zeit verbringen zu dürfen, ständig mit der Angst leben zu müssen, als Mann unter Pauschalverdacht des Gewaltbereiten zu stehen, sodass ein vollkommen aus der Luft gegriffenes „Hilfe, er ist gewaltbereit“ schon reicht, dass er seine Kinder auf lange Zeit nicht mehr sieht und – was bekanntermaßen kaum restlos möglich ist zumal bereits Ulpian wusste „negativa non sunt probanda“ – sich freibeweisen muss von den im Gesellschaftsbild verankerten und durch eine einfache Behauptung konkretisierten Vorwürfen? Wer schützt sie, die Männer, welche sich in ihrer Menschenwürde nicht wahrgenommen und vom Weltbild radikaler Formen des Feminismus sogar darüber hinaus bedroht fühlen? Braucht es hier auch eine, mindestens ebenso radikale, Gegenbewegung, damit sie nicht auf der Strecke bleiben mit ihrem Grundbedürfnis sozialer Anerkennung?

Es wäre leicht, selbstverständlcihes im Miteinander zu erreichen

Wenn es nicht Ziel ist, Menschen vor den Kopf zu stoßen, gleichsam über Leichen zu gehen im Namen der hochgehaltenen Flagge des Kampfes für Menschenwürde und Selbstbestimmtheit, sollte begonnen werden, den Menschen zuzuhören: den Menschen, unbeachtlich ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder ihrer Weltanschauung. Was hier auf den ersten Blick so aussieht, als könnte es nur unter Hervorstreichung des Geschlechts, der Herkunft oder der Weltanschauung einer Lösung zugeführt werden, könnte dann nämlich auch in unvermuteten Teilgesellschaften Betroffene und an einer Lösung sehr interessierte hervorbringen. Menschen sind nämlich nicht, anders als es jede radikale Bewegung versucht, in nur zwei Gruppen einteilbar. Menschen sind Individuen und bewältigen ihr Leben in verschiedensten Farben und Schattierungen. Erkennt und respektiert man das, so kann man damit Lösungen im Miteinander möglich machen, ganz ohne Kollateralschäden, ganz ohne Verliererinnen oder Verlierer. Es sollte daher begonnen werden, von den Menschen die Themen einzusammeln, von Patrizia wie von Herbert, von Maria wie von Kurt – ohne Rechenschieber, statt dessen in Wertschätzung für jedes einzelne Individuum, dessen Bedürfnisse Ernst nehmend; sie sollten anschließend losgelöst werden von den Personen und dann einer gemeinsamen sachlichen Auseinandersetzung zugeführt werden, wie hier den Ängsten, Befürchtungen und Bedürfnissen der Menschen Rechnung getragen werden kann. Unaufgeregt. Das ist demokratisch, das ist die Menschenwürde lebend, welche ja erreicht werden soll. Es ist kein leichter Prozess, auch keiner, der von heute auf morgen implementiert werden kann und Früchte trägt – es ist allerdings ein Weg, auf welchem sofort eine weitere Ausbreitung von Leid und Ungerechtigkeit gestoppt werden kann. Denn wer diskriminiert in seinen Argumenten und Forderungen, der wird Diskriminierung ernten – wer Menschenwürde verankern will, muss Menschenwürde vorleben.

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