Um mit Konflikten besser umgehen zu können, gilt es zunächst einmal, das Entstehen, die Erscheinungformen und die Dynamik dahinter zu erkennen. Mit einer Artikelserie (erster, zweiter, dritter und vierter Teil sind bereits erschienen) soll jenen Leserinnen und Lesern, die schon mal darunter gelitten haben, im Streit mit an sich geschätzten Menschen hängen zu bleiben, ein kleiner Einblick gegeben werden in die diesbezüglichen Erkenntnisse. Dies kann bereits helfen, sich herauszunehmen aus unangenehmen Auseinandersetzungen und wieder zum Pfad eines konstruktiven Miteinanders zurückzufinden statt sinnloser Verletzungen, die am Ende des Tages keinem helfen. Das Gefühl, nach einer heftigen Auseinandersetzung im darauf folgenden nächsten Moment der Ruhe keine Antwort auf die Frage zu haben, wozu denn die eigene Aufregung und der darauffolgende Angriff wieder gut gewesen sein sollen, wird sich vielleicht auch mit diesem Wissen nicht gänzlich vermeiden lassen. Es wird allerdings etwas leichter, die zur Versöhnung angebotene Hand bei der nächsten Begegnung nicht als eigenen Gesichtsverlust sehen zu müssen. Was man begreifen kann, lässt sich leichter in den Griff bekommen.
Nachdem ein grober Überblick gegeben wurde über das Wesen von Konflikten und das Funktionieren der dahinter steckenden Dynamik soll nun ein Blick darauf gerichtet werden, welche Möglichkeiten es gibt, Konflikten die Giftzähne zu ziehen und statt dessen die in ihnen wohnende Energie für sich und ein konstruktives Miteinander zu nutzen.
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Von alleine läuft es selten in die gewünschte Richtung
Eine Menge von automatischen Mechanismen wirken intensivierend auf den Konflikt, und nicht umgekehrt in eine positive Richtung. Nur durch Bewusstmachen und auch durch viel Mut kann der Mensch diesen Mechanismen und somit dem destruktiven Potenzial eines Konflikts begegnen und damit die möglichen positiven Früchte aus einer bewussten Konfliktverarbeitung ernten. Wer denkt, den Kopf in den Sand stecken zu können bis wieder alles von alleine gut geworden ist, wird sehr wahrscheinlich überrascht werden von immer stärker werdenden Wellen des ausgesessen vermuteten Konflikts. Gras wächst meist nur über die Sache, wenn der zunehmend verbrannte Boden wieder aktiv aufbereitet wird und Grassamen der gewünschten Sorte gesäht und ausreichend versorgt werden. Hilfstechniken dabei kann man in den Möglichkeiten zur Steigerung der Selbstwahrnehmung, des Eigenverständnisses, der Selbstakzeptanz und der gelebten Eigenverantwortlichkeit genauso finden wie in den Kommunikationsregeln der gewaltfreien Kommunikation nach Rogers und Rosenberg. Die Auflockerung des linearen Denkens durch fernöstliche Denkweisen kann ebenso ihren Betrag für die Schaffung eines für Wachstum geeigneten Klimas leisten wie die Einnahme einer mediativen Grundhaltung in der Begegnung mit sich selbst und der Umwelt.
Authentizität als Grundstein
Wer seinem sozialen Umfeld mit Offenheit und Respekt entgegentreten will, wird dies zunächst an sich selbst praktizieren müssen. Verantwortung ist nicht vorstellbar ohne Eigenverantwortlichkeit, Liebe nicht vorstellbar ohne Eigenliebe. Das klingt auf den ersten Blick banal, auf den zweiten mag es in vielen den Widerspruchsgeist wecken: was soll denn das eine mit dem anderen zu tun haben? Nun, sehr viel: einerseits geht es um Authentizität, also die nonverbale Kommunikation mit dem Umfeld in Übereinstimmung mit den gewählten Worten und gesetzten Taten. Kaum jemand wird nämlich den schwärmerischen Worten eines Vegetariers Glauben schenken können, der die Vorzüge eines Schweinsbratens anpreist. Zum anderen geht es darum, Projektionen der an sich selbst versteckten Persönlichkeitsanteile auf die Umgebung zu verhindern: wer sich selbst beispielsweise Unpünktlichkeit nicht eingestehen kann, der wird diese an sich selbst bekämpfte Möglichkeit, einmal nicht zur vereinbarten Zeit an einen vereinbarten Ort kommen zu können, auch anderen nicht ohne Weiteres zugestehen können.
Wollen, können und tun
In Konflikten geht es immer um Bedürfnisse. Es geht stets darum, Bedrohungen der Erfüllung eigener Bedürfnisse zu beseitigen. Es ist daher für einen konstruktiven Umgang mit Konflikten unerlässlich, sich des eigenen Wollens klar zu werden: welche sind die eigenen Bedürfnisse, wie beeinflussen einen die individuell unterschiedlichen persönlichen Faktoren des Wahrnehmens, Denkens und Fühlens, wodurch bezieht man seine Motivation für sein Handeln? Je größer die Kenntnis seiner selbst zu diesen Punkten ist, desto standfester wird man sein- und desto leichter wird es sein, auch auf das Gegenüber einzugehen, ohne eigene Standpunkte damit zu verraten.
Zur Abklärung des eigenen Wollens im Bezug auf einen Konfliktschauplatz kann es in einem weiteren Schritt hilfreich sein, sich den so genannten möglichen Konfliktgewinn ebenso wie den drohenden Konfliktverlust anzusehen: kennt man die Dynamik unkontrollierten Konfliktgeschehens mit der Tendenz zur Ausweitung nicht nur auf andere Lebensbereiche und Themen, sondern auch auf das soziale Umfeld, so wird dabei wohl sehr rasch klar, dass selbst dem größtmöglichen Vorteil einer Eskalation enormes Potenzial an Schaden gegenübersteht. Kann es daher dem eigenen Wollen überhaupt entsprechen, die destruktiven Seiten von Streit weiter wirken zu lassen oder gar sogar voranzutreiben? Ist die Wahrscheinlichkeit, in einem auf das Miteinander ausgerichteten Gespräch den eigenen Bedürfnissen entsprechende nachhaltige Lösungen zu finden nicht ungleich höher, als diese im Kampf zu suchen und danach ständig verteidigen zu müssen?
In einem weiteren Schritt gilt es, das eigene Wollen zu übersetzen in ein Tun. Dazu braucht es ein Können: die Fähigkeit, sich selbst zu artikulieren wie auch das Gegenüber zu hören. Gar nicht so leicht, wenn man sich einmal dabei erwischt, dass der Verstand sich aus dem Konflikt verabschiedet zu haben scheint und blanke Emotion statt dessen das Ruder des Geschehens zu übernehmen droht. Zunächst gilt es dabei, sich nochmals selbst in Erinnerung zu rufen, was man will. Und sich selbst wieder in einen Zustand zu bringen, in welchem man spürt, dass man „Herr seiner Sinne“ und zugleich auch in der Lage ist, seine Emotionen annehmen zu können. Da hilft oft so etwas simples, wie ein paar Mal tief auszuatmen und sich dabei vorzustellen, dass man alles Gift, das man eigentlich versprühen wollte, rauspustet. In weiterer Folge sind dann neben den Fähigkeiten der Empathie auch Grundregeln der gewaltfreien Kommunikation sehr hilfreich. Es sind oft Kleinigkeiten wie trotz aller Unstimmigkeiten ausgedrückte Wertschätzung für das Gegenüber, welche hier über den weiteren Verlauf eines Konfliktes entscheiden. Irgendwas findet man am Gegenüber ja immer noch toll. Ein kleiner Trick dabei: das Wort „aber“ sollte man ebenso aus seinem Wortschatz streichen, wie die Frage nach dem „Warum“: „aber“ wirkt wie ein Vorschlaghammer, der alles zertrümmert, was davor aufgebaut wurde („Ich freue mich, dass Du mich angerufen hast, aber ….“ Und schon lässt das Wort „aber“ das Gegenüber an der Sinnhaftigkeit zweifeln, den ersten Schritt des Anrufes gesetzt zu haben) – und wer die Frage nach dem „Warum“ durch das im Sprachgebrauch als Synonym verwendete „Wozu“ ersetzt, der vermeidet es, einen Rechtfertigungsreflex im Gegenüber auszulösen, welcher selten geeignet ist, auf die Zukunft gerichtete Lösungen zu ermöglichen.
Wie sehr man sein eigenes Tun beeinflussen kann, wird an folgendem Gleichnis deutlich, welches in ähnlicher Art auch die Literatur immer wieder zu großen Werken inspirierte und damit Menschen berührte und gleichermaßen zum Nachdenken anregte: Ein alter Cherokee-Indianer erzählte seinen Enkelkindern etwas über die Lebensprinzipien. Er sagte: „Meine lieben Kinder, jeder Mensch hat in seinem Innern zwei Wölfe, die gegeneinander kämpfen. Ein Wolf ist ärgerlich, neidisch, gierig, traurig und hochmütig. Der andere Wolf ist fröhlich, friedfertig, hoffnungsvoll, demütig, freundlich, barmherzig und wahrhaftig. Diese beiden Wölfe kämpfen in einem Menschen gegeneinander.“ Da fragte eines der Enkelkinder: „Opa, wer ist denn der Sieger?“. Dieser antwortete: „Der Wolf, den du mit Essen ernährst!“
Wenn all das nicht mehr reicht und sinnlos erscheint
Es ist nicht leicht, sich selbst aus einem Konflikt wieder ohne Schaden herauszuziehen. Trotz Einhaltung all der in dieser kleinen Auswahl an Möglichkeiten genannten Schritte kann es passieren, dass keine Verbesserung einzutreten scheint. Dass sich vielleicht sogar im Gegenteil das Gefühl zusätzlich einschleicht, vollends sein Gesicht zu verlieren, sich zum Kasperl zu machen. Dies ist dann ein Indiz dafür, dass es vielleicht doch an der Zeit ist, sich Hilfe hinzuzuholen. Dabei gibt es verschiedenste Angebote und Möglichkeiten: das kann ein Freund beziehungsweise eine Freundin sein, um so genannte Nachbarschaftshilfe zu leisten, das kann ein therapeutisches oder coachendes Angebot sein, ein Mediator beziehungsweise eine Mediatrix oder auch ein Gericht. Maßnahmen der Selbsthilfe haben nämlich eine Grenze: solange von allen im Konflikt befindlichen Seiten außer Streit steht, dass es trotz bereits einsetzender Polemik und ersten Taten statt Worten noch als wahrscheinlich gesehen wird, auf Verliererinnen und Verlierer verzichten zu können, machen sie Sinn und haben gute Erfolgsaussichten darauf, dass so eine friedliche Beilegung erfolgen kann. Bei höher eskalierten Streitigkeiten ist die Grenze für jegliche Selbsthilfe allerdings meist bereits überschritten.
Im nächsten Artikel wird es einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten geben, Konflikten unter Hinzuziehung außenstehender Dritter den Schrecken zu nehmen und sie vielmehr als Chance wahrzunehmen. Bis dorthin: Viel Erfolg beim Auffinden von persönlichen Möglichkeiten, Konflikten die Giftzähne zu ziehen und eine beobachtete Eskalationsspirale rechtzeitig – nötigenfalls mit professioneller Hilfe – zu stoppen!