Karl Valentin, ein Münchner Komiker, hat einst einen Sketch geschrieben, welcher noch heute den Menschen ein herzliches Lachen entlocken kann – trotz des bitteren Beigeschmacks selbstgemachter ähnlicher Erfahrungen.
Der Buchbinder Wanninger steht vor der Frage, ob er den von ihm soeben auftragsgemäß fertiggestellten Büchern bei der Lieferung gleich die Rechnung beilegen soll. Na, das wird sich doch leicht klären lassen. Einfach bei seinem Auftraggeber, der Baufirma Meisel & Compagnie, nachfragen. Wozu gibt’s das Telefon – und durchs Reden kommen ja die Leute zusammen. Gesagt getan. Was dann allerdings folgt, entlockt sogar dem gutmütigen Kerl nach frustriert aufgewendeter Zeit ein verzweifelt geknurrtes „Saubande, dreckade!“: er wird mit der doch recht simpel erscheinenden Frage von einem Ansprechpartner zum nächsten verbunden, ohne die erhoffte Information zu erhalten. Jeder neue Gesprächspartner steht in der Firmenhierarchie höher, was nicht nur des um Verständnis bemühten Buchbinders Geduld strapaziert, sondern ihn auch sprachtechnisch herausfordert: normalerweise im gepflegten Münchner Dialekt sprechend versucht er, alle seine Sprachregister zu ziehen, um sich auch der schlussendlich hochdeutschen Artikulation anzupassen. Als er endlich bei der offenbar richtigen Stelle angekommen ist, ertönt schließlich eine Klingel und die Dame antwortet, statt die zum Greifen nahe gewünschte Antwort zu geben, nur: „Wir haben jetzt Büroschluss, rufen Sie doch morgen bitte wieder an.“
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Auch in der heutigen Zeit hat sich bei vielen Unternehmen wenig geändert. Zwar wird auf den bunten Homepages mit den oft von Werbefachleuten und Rechtsanwaltskanzleien um teures Geld gekauften Formulierungen Kundenservice der zuvorkommendsten Art versprochen, doch die Realität sieht leider häufig anders aus: ausgefüllte Kontaktformulare, mit denen gleich einmal das Einverständnis zum Weiterverkauf der persönlichen Daten erteilt werden soll, landen scheinbar zwar im Katalog zahlreicher Werbemailverteiler, nicht jedoch bei jemandem, der die drückenden Fragen beantworten will und kann. Bei Hotlines heben entweder vollkommen genervte oder bereits an der Aussprache erkennbar in einem weit entfernten Land sitzende unterbezahlte Menschen ab, die gar nicht das Pouvoir haben, echte Lösungen und konkrete Antworten auf ausgefallenere Fragen anzubieten. Zunehmend sind es auch Leute, die offenbar bereits einige Rhetorikschulungen, bei denen das Wissen um das eigene Unternehmen und die eigenen Produkte als überflüssig erachtet wird, zuviel gemacht haben und einfach alles, was da auf sie einprasselt, mit inhaltslosen Beschwichtigungsfloskeln beantworten. Gut, das hat zumindest für das Unternehmen, das solche Callcenter betreibt, einen Vorteil. Es kann seine Dienste überall anbieten: derlei Floskeln passen auf die Beschwerde über nicht vorgenommene Zustellungen ebenso wie auf eine Erregung über die ungerechtfertigt zugestellte Mahnung.
Eigentlich schade, dass die direkte Kommunikation zwischen Kundschaft und Unternehmen, aber auch zwischen Lieferantinnen und Lieferanten untereinander, hier scheinbar mehr Rück- als Fortschritte gemacht zu haben scheint. Von beiden Seiten: auch Kundinnen und Kunden vergreifen sich viel zu oft im Ton oder verwechseln die Hotline eines Unternehmens mit der Kummernummer.
Es ließe sich mit einem gelungenen Kommunikationsmanagement viel Geld sparen – einige namhafte Wirtschaftsprüfungskanzleien gehen hier von bis zu zweistelligen Prozentzahlen gemessen an der Bilanzsumme des Unternehmens aus – und zugleich hätte das eine positive Auswirkung auf die Kundenzufriedenheit. Eine Zufriedenheit, die auch in andere Lebensbereiche ausstrahlen würde und damit von gesellschaftspolitischer Relevanz wäre.