Nächste Warnung der Gesundheitsministerin: Ehe kann ihre Gesundheit gefährden?

"Scheidung macht Frauen krank" titelte heute eine der großen Tageszeitungen Österreichs. Welche Neuigkeit. Und zugleich: welch wunderbare Bestärkung der Menschen darin, ihr Schubladendenken noch mit schlagzeilenfähigen Zusammenfassungen von aus dem Kontext gerissenen Studienergebnissen anzureichern und einzuzementieren. Paradoxer Weise ist es allerdings dieselbe Tageszeitung, welche sich ansonsten eher zu jenen Printmedien zählt, welche für Gleichberechtigung eintreten, also dafür, dass Mann und Frau dieselben Chancen in unserer Gesellschjaft vorfinden, ihr persönliches Lebensglück zu verwirklichen.

Die Schlagzeile ist eine gute Grundlage dafür, wieder einmal darüber nachzudenken, was eigentlich Scheidung bedeutet: Scheidung ist eine von der Rechtsordnung eingeräumte Möglichkeit, das einander gegebene Versprechen, nicht nur einen Wirtschaftsverband einzugehen, sondern auch die Suche nach der eigenen Verwirklichung in einem gemeinsamen Bemühen zusammenzulegen, wieder aufzulösen. Technisch wunderbar: es scheint fast so, als könnte man eine Ehe somit auflösen wie ein Zeitungsabo. Gefallen einem ein paar Artikel nicht oder denkt man, dass eine andere Zeitung einfach besser zu einem passt, ist es ja auch nichts anderes, als die Auflösung einer einander gegebenen Zusage. Ganz so leicht ist es bei einer Ehe aber nicht, wie es seitens der theoretischen Welt der Paragraphen den Anschein erweckt: verbinden sich zwei Menschen zu einem Paar und besiegeln dies mit einer Hochzeit vor Staat und vielleicht sogar Kirche, so sind es in der Regel viele gemeinsame Hoffnungen, Sehnsüchte und Bedürfnisse, die nicht erst mit diesem Datum vereint werden. Es wurde dabei in unserem Kulturkreis für gewöhnlich bereits mehr oder weniger lange davor eine emotionale Verbindung eingegangen, die durch den einer Auflösung zugänglichen Rechtsakt lediglich bezeugt und meist in fortan getragenen gemeinsamen Zeichen wie dem Ehering oder auch einem gemeinsamen Familiennamen nach außen sichtbar gemacht wird, nicht jedoch begründet. Dies legt auch nahe, dass der umgekehrte Fall die Scheidung in den allerseltensten Fällen ein emotionaler Schlusspunkt sein kann. Besonders deutlich wird dies, wenn aus der Beziehung gemeinsame Verantwortung hervorgegangen ist: nicht nur Kinder, auch gemeinsame Haustiere machen dies für alle Beteiligten oft schmerzlich spürbar.

Dass Scheidung daher krank machen kann ist für all jene nachvollziehbar, welche schon einmal in das Dilemma gekommen sind, einen Akt umkehren zu wollen und dabei erkennen mussten, dass manche Entscheidungen einfach nicht vollständig reversibel sind; dass sie zumindest Spuren hinterlassen und in diesen Bereichen nichts mehr so werden zu können scheint, wie es mal war. Egal, wie sehr man es sich wünscht. Ein einmal entzündetes Streichholz wird nie wieder durch bloßes Streichen an der Reibfläche der Zündholzschachtel Feuer spenden können. Man könnte es reparieren - einfach von alleine etwa durch bloßes Auslöschen des Feuers wird es allerdings nicht gehen. Ebenso kann man auch eine Beziehung, in welche man sich einmal voller Vertrauen auf die Stärke von Zweisamkeit mit dem gewählten Menschen eingelassen hat, nie wieder ungeschehen machen können. Die Beziehung, diese Verbundenheit und auch die Verletzungen, die einen flüchten lassen wollen, bleibt in einer Art erhalten, die durch kein Gericht dieser Welt verändert werden kann. Und genau diese gespürte Gewissheit kann krank machen, wenn man zugleich mit voller Energie dagegen ankämpft, diesen Umstand anzuerkennen.

Wozu dann eigentlich Scheidung? An dieser Stelle sei wieder einmal das alte Ehepaar, welches am Tag seiner diamantenen Hochzeit gefragt wird, was denn das Geheimnis ihrer Liebe sei, strapaziert: "Wir sind in einer Zeit aufgewachsen, als es noch nicht üblich war, Dinge, die Schwierigkeiten machen, einfach wegzuwerfen.", lächeln die beiden einander an und greifen gegenseitig nach ihren Händen. "Wenn etwas nicht mehr in Ordnung war, haben wir es uns angeschaut und uns die Zeit genommen, es wieder zu reparieren." Ja, die Zeit genommen. Genau das ist es, was es braucht: die Zeit nehmen, auch abseits der Gerichtstermine daran zu arbeiten, das Fortbestehen der Beziehung auf einem anderen Niveau und mit geänderten Zielsetzungen zu akzeptieren und aktiv mitzugestalten für den Fall, dass tatsächlich eine Scheidung für unumgänglich gehalten wird. Oder eben für die Reaparatur der Ehe. Von beiden Seiten - wobei es hier stets zu empfehlen ist, die ersten Schritte zu machen statt darauf aus sicher guten Gründen zu warten, dass das Gegenüber beginnt: für sich selbst und auch in der Gewissheit, dass es ja meist auch nur eine Seite gebraucht hat dafür, den Verfall einzuleiten - weshalb sollte dies daher nicht auch umgekehrt irgendwann Früchte tragen.

Bei all diesen Überlegungen zu unterstellen, Männer und Frauen würden pauschal mehr oder weniger leiden und damit auch der Gefahr psychosomatischer Erkrankungen geschlechtsbedingt unterschiedlich ausgesetzt sein, heißt, den einzelnen Menschen die Wertschätzung vorzuenthalten, derer sie bedürfen für ein friedliches Miteinander. Auch Männer sind Menschen. Auch Männer leiden, auch Männer können sprichwörtlich an gebrochenem Herzen sterben. Die Lösung liegt daher nicht darin, Frauen zu beklagen, sondern den Menschen ohne Ansehung des Geschlechts, dafür aber in Würdigung ihrer subjektiven Empfindungen dabei zu helfen, mit schwierigen Situationen in Partnerschaften konstruktiv umzugehen.

Konsquenter Weise würde die eingangs zitierte Überschrift übrigens auch indizieren, verpartnerte Männer würden hier das Glück haben, Trennungen gänzlich unbeschadet überstehen zu können während verpartnerten Frauen von der Gesundheitsministerin eigentlich die Trennung verboten werden müsste. Oder noch besser: als nächste Intiative nach dem durchgeboxten Rauchverbot könnte doch das Vorhaben in Angriff genommen werden, rein präventiv nur noch Beziehungen von Männern mit Männern zuzulassen und alle anderen Formen der Beziehung zu verbieten. Rein aus Gesundheitsgründen also das Ende der Menschheit einzuläuten. Wäre sicher eine Alternative - der wertschätzende Umgang mit Menschen beiderlei Geschlechts und Lösungen, welche geschlechtsunabhängige Unterstützung zu subjektiv als überfordernd empfundenen Krisen anbieten, scheinen allerdings mehr Vorteile zu haben für einen friedlichen Fortbestand unserer Gesellschaft.

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