Es ist schon seltsam, wie manche Aufgeregtheiten in der politischen Diskussion sich scheinbar immer wieder wiederholen. Bei welchen sich rasch die verschiedenen Positionen, welche mit ausschmückenden Argumenten vertreten werden, wie ein Lauffeuer durch die Gesellschaft verbreiten und dabei zu einer Lagerbildung von scheinbar einander unversöhnbar gegenüberstehenden Ansichten führen.

Im vorigen Jahrhundert hat Elfriede Jelinek, eine für ihre enttabuisierenden Werke wie "Die Klavierspielerin" bekannte österreichischen Künstlerin, wiederholt ihren Eindruck in Worte gekleidet, dass eine weithin bekannte Person der Homosexualität nicht abgeneigt sein dürfte. An sich so interessant wie ein Reissack, welcher in China umfällt, sofern man nicht selbst amouröse Ambitionen hinsichtlich dieser Person hat und auch keinerlei Straftat begangen wurde. Immerhin ist es doch für die Bekleidung eines öffentlichen Amtes vollkommen irrelevant, welche sexuelle Ausrichtung ein Mensch hat solange dabei die persönliche Integrität anderer Personen nicht in Gefahr gerät. Sollte man meinen. Was sich auf die wiederholten Darstellungen Jelineks jedoch abspielte war doch bemerkenswert: die eigentlich erforderliche Diskussion, weshalb unsere Gesellschaft eigentlich den Anspruch darauf erhebt, die sexuelle Ausrichtung eines jeden Menschen vorgeben zu wollen und dabei zu bestimmen, was normal und was abnormal und somit mit einer Stigmatisierung zu sanktionieren sei, war kaum zu vernehmen. Statt dessen entrüstete man sich einerseits, dass es doch nicht sein dürfe, dass es Homosexualität gibt ohne sofortige zwangsweise Einweisung in eine Therapie - schon gar nicht dürfe eine in einem öffentlichen Amt befindliche Person auch nur in die Nähe des Verdachts gebracht werde, homosexuell zu sein; andererseits wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um diese Mutmaßungen die konkrete Person betreffend im Keim zu ersticken. Statt einer unaufgeregten Auseinandersetzung damit, dass dem Menschen nicht nur am Papier eine Unantastbarkeit der Privatsphäre zuzugestehen ist, sondern auch in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung jene Wertschätzung gelebt werden muss, derer es bedarf, um dieses Grundrecht mit selbstverständlichem Leben zu füllen, wurde eine neue Welle der Homophobie ausgelöst: diskriminierende Wortwahl in der öffentlichen Debatte war da noch das geringste Übel. Und eine Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Paare im Umgang miteinander gegenüber den heterosexuellen Partnerschaften schien dadurch in weite Ferne gerückt.

Die letzten Jahre schien hier langsam endlich ein Klima zu entstehen, welches zumindest im Ansatz vergleichbar ist mit dem gewonnenen aufgeklärten Zugang zur Sexualität als solche in Europa während der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Eine Atmosphäre, welche zumindest im Ansatz einer modernen Gesellschaft im Umgang mit der Individualität auch in Fragen der sexuellen Orientierung würdig ist. Nicht zuletzt ein Verdienst von wunderbaren Menschen wie einem Gery Keszler, wenn auch gleichgeschlechtliche Paare übereinander nunmehr Auskünfte erhalten dürfen im Krankenhaus oder auch offiziell ein Bündnis eingehen dürfen unter Inanspruchnahme einer staatlichen Institution, welche dies dokumentiert. Damit wird signalisiert: ja, es darf sein, dass jemand homosexuell ist - und es geht für die Gesellschaft keine Gefahr davon aus.

Dieser Tage war es wieder die österreichische Kunst, welche ein Wiederaufleben der Diskussion über Homosexualität auslöste. Wurde doch glatt ein Politiker als schwul bezeichnet. Wie bereits vor Jahrzehnten löste dies einen Reflex aus: darf nicht sein, kann nicht sein tobten die einen während andere verlegen das Thema zu meiden trachteten. Für Menschen, die kurz vor ihrem Outing stehen wohl wie ein großer Fels, welcher ihnen in den Weg gelegt wird. Denn schon kann man in den Medien lesen, dass die der Homosexualität bezichtigte Person sich beleidigt fühle und dagegen vorgehe. Es ist schon klar, dass es nicht unbedingt von Nettiquette zeugt, wenn Menschen unabgesprochen in der Öffentlichkeit konfrontiert werden mit Einschätzungen über sie, welche in die Intimsphäre reichen. Doch: ist es eine Beleidigung, wie an vielen Wirtshaustischen dieser Tage argumentiert wird, wenn man in der Öffentlichkeit der Homosexualität bezichtigt wird? Wieso werden Menschen eigentlich nicht klagswütig, wenn sie in der Öffentlichkeit eines Seitensprungs bezichtigt werden, welcher ja ebenfalls dem Sexualleben des Betroffenen zuzurechnen ist? Fragen, welche vor allem jetzt die Stirnrunzeln auf der Stirn zu wahren Gebirgen anschwellen lassen, wo sich doch die Gesellschaft so aufgeklärt zeigt angesichts des Kinofilmes, der die Sado-Maso-Praktiken salonfähig macht.

Es bleibt zu wünschen, dass Fragen der sexuellen Orientierung endlich jenen Stellenwert erreichen, der einer modernen Gesellschaft würdig ist: ein wertschätzendes Sein lassen, wie man ist, solange keine Übergriffe auf andere Lebewesen damit verbunden sind, die von diesen unerwünscht sind. Dann könnte man auf eine solche künstlerische Posse behauptender Homosexualität schmunzelnd reagieren so wie man etwa auf eine Äußerung reagieren würde, man sei Veganer: "Davon wusste ich noch nichts; ich werde aber den Personen, die es angeht, rechtzeitig davon Meldung machen."

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Hansjuergen Gaugl

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