Silvester, die Zeit der Feuerwerkskörper - gehts auch anders?

Kurt ist erfreut: in der Post findet er den bereits sehnsüchtig erwarteten Prospekt, in welchem die diesjährigen Aktionen für Feuerwerkskörper enthalten sind. Seitenweise wird das Sortiment vorgestellt, welches einen bunten Himmel, sensationelle Effekte und damit einen gelungenen Höhepunkt der Neujahrsfeier bei sich zu Hause verspricht. Zu wieder durchaus erschwinglichen Preisen. Selbst die großen Raketen kosten nicht die Welt. Ein paar hundert Euro werden es ihm so wieder ermöglichen, seine Gäste zu erfreuen. Und ihm selbst macht es auch Spaß: schon als kleiner Bub war es das schönste für ihn, mit diversen Knallfröschen zu hantieren und dann den unvergleichlichen Geruch des Schwarzpulvers in die Nase steigen zu lassen.

Zur selben Zeit bereitet es Thomas wieder Mühe, in seine Stiefel zu kommen. Er hat gelernt, auch ohne seinen rechten Arm die Aufgaben des Alltags zu bewerkstelligen. Doch immer um diese Jahreszeit fällt es ihm besonders schwer. In seinem tiefsten Inneren verbindet er einfach alles rund um den Jahreswechsel mit dieser folgenschweren Silvesternacht vor drei Jahren: Alkohol war geflossen und die Stimmung ausgelassen, als er mit seinen Freunden beschlossen hatte, die billig im benachbarten Ausland erworbenen Feuerwerkskörper zu zünden. Als Abschussrampen haben ihnen einige ausgetrunkene Sektflaschen gereicht – „scheiss Dich nicht an“ hat ein Freund noch gemeint als er fragte, ob denn da eh nichts passieren könne. Und als er dann den vermeintlichen Blindgänger, welcher nicht gegen Himmel schießen wollte nach dem Abbrennen der Zündschnur, wegwerfen wollte, passierte es: was genau, das weiß er nur aus Erzählungen. Denn sein Hirn verweigerte ihm als Gnade der Natur den Zugriff auf die Erinnerung an die folgenden Momente, in welchen er seinen Arm für immer verloren hat.

Auch Emily verbindet mit der Zeit, in welcher die ersten noch vereinzelten Kracher zu hören sind, mit keinen guten Gefühlen: sofort sind die Erinnerungen an die alljährlich nach dem Neujahrsfest tagelang in der Luft liegenden beißenden Gerüche da. Und erst diese stundenlange nicht enden wollende Abfolge von ohrenbetäubenden Explosionen, begleitet von Blitzen egal wo man hinschaut. Es fühlt sich jedes Jahr an wie Weltuntergang. Sie beginnt bereits darüber nachzudenken, wo sie heuer Zuflucht suchen wird: unter dem Bett hilft es wenig und selbst im Keller ist der stundenlang andauernde Lärm unerträglich. Als Frauli ihr voriges Jahr ein Beruhigungsmittel vom Tierarzt geholt hat, war das zwar nett gemeint, aber auch nicht unbedingt toll: sie hat dann, was ihr voll peinlich war, nur ständig ins Haus gemacht. Und der um sie herum passierende Albtraum war zwar dumpfer, allerdings um nichts weniger furchteinflößend. Ja sogar eher schlimmer, da all diese grellen Farben und Detonationen ineinander verschwommen sind zu einem einzigen Horror, zu welchem sie selbst zum Zittern zu betäubt war.

Richtig. Die Rede ist hier vom weit verbreiteten Brauch, das neue Jahr mit vielen privaten Feuerwerken zu begrüßen. Es ist vielen Menschen ein Bedürfnis, mit einem sinnbildlichen Paukenschlag all jene Erfahrungen aus dem alten Jahr abzuschütteln, zu welchen die guten Vorsätze nunmehr verhindern sollen, dass sie wieder gemacht werden müssen: alles soll besser werden. Und so bedarf es scheinbar einer lauten und farbkräftig den nächtlichen Silvesterhimmel erleuchtenden Kulisse, um das auch wirklich zu unterstreichen. Um zu zeigen: „jetzt gilt´s“.

Aus gutem Grund sieht der Gesetzgeber in Österreich und vielen anderen Ländern allerdings Spielregeln vor: gemäß dem Pyrotechnikgesetz ist die Verwendung von Feuerwerkskörpern der Kategorie F2 (das sind Blitzknallkörper, Schweizerkracher, Pyrodrifter, Raketen, Knallfrösche, Sprungräder und andere) im Ortsgebiet grundsätzlich verboten. Es geht dabei um Sicherheit, es geht um Rücksichtnahme gegenüber jenen Lebewesen, für welche so ein Feuerwerk alles andere als Sinnbild von Hoffnung ist. Für alle, denen das Wohlergehen dieser nicht zu unterschätzenden Gruppe, welcher beispielsweise Kleinkinder und Tiere angehören, nicht Grund genug ist, sich an dieses Verbot zu halten, hält der Gesetzgeber eine weitere Motivation parat: bei einer Anzeige drohen bis zu € 3.600,-- oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Wochen.

Also: wie wäre es, wenn heuer auf die zahlreichen unkoordinierten stundenlangen Feuerwerke rund um Silvester verzichtet würde? Wenn statt dessen für eine Viertelstunde an einigen festgelegten Orten außerhalb des Ortsgebietes organisierte und damit professionell inszenierte Feuerwerke abgeschossen würden, denen man gegen eine Spende beiwohnen darf? Dann wäre Hilfe für den Fall eines Zwischenfalls sofort parat, man hätte die Möglichkeit, sich bei Gefallen ein umwerfendes Lichterspiel am Himmel anzusehen und es würde das Leiden jener, für welche das bedrohlich anmutet, deutlich reduziert. Wenn dann auch noch ein Bruchteil dessen, was somit nicht investiert werden müsste in private Feuerwerkskörper, einem guten Zweck zugeleitet würde, so gäbe es nur Gewinner. Wie wäre es?

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