Lieber Karl,
nun, in Deiner Funktion als Bürgermeister hast Du viel um die Ohren. So eine Stadtgemeinde will gemanagt werden: neben Deinen Aufgaben, die Dir vom Gesetzgeber zugedacht wurden, wie etwa jene in der Bauordnung, gibt es unzählige andere Dinge zu bedenken. Die Menschen wollen sich wohlfühlen in ihrer Heimatstadt. Dazu braucht es saubere Straßen und Gassen, gepflegte Grünanlagen und Spielplätze, ein kulturelles Angebot, Kindergartenplätze und vieles mehr. Du wirst dabei als verantwortlich gesehen dafür, dass im Winter die Straßen geräumt sind und im Sommer das Freibad ausreichend Liegeplätze hat – aber auch dafür, dass es ausreichend Nahversorger in der Stadtgemeinde gibt, sich genügend Ärzte niederlassen, das Polizeiwachzimmer und das Bezirksgericht erhalten bleiben, ausreichend Arbeitsplätze und freier erschwinglicher Wohnraum verfügbar ist … eine Liste, die sich unendlich fortsetzen ließe.
Dass die Menschen sich auch vertrauensvoll an Dich wenden in Angelegenheiten, zu welchen Du eigentlich gar keine Zuständigkeit hast, schmeichelt Dir sicher: für viele wurdest Du bereits mehr als ein bloßer Amtsträger. Sie kommen mit allen Sorgen und Nöten, bei welchen sie nicht mehr weiterwissen, an Deinen Stammtisch oder auch in Deine Sprechstunde. In freudiger Erwartung: „Der Karli wird hier wissen, was zu tun ist – er wird es regeln.“ Egal, ob es da nun um einen Strafzettel geht, den man sich eingefangen hat, weil man auf einem der wenigen Parkplätze am Hauptplatz während des Friseurbesuches ohne Parkscheibe erwischt wurde oder ob es um eine Lehrstelle für das eigene Kind geht.
Es scheint für Dich normal zu sein, stets ein Lächeln und ein paar hoffnungsspendende Worte parat zu haben. Obwohl es sicher nicht immer leicht ist. Obwohl auch Du mal schlechte Tage haben darfst. Obwohl auch Du Dich manchmal fragen darfst, weshalb Du es Dir eigentlich antust, für Deinen Einsatz, bei welchem Du es niemals allen Recht machen kannst, Kritik zu ernten.
Du stehst oft in der Zeitung – oft lachst Du mir aus einer der Printausgaben diverser Medien entgegen. Auch heute hat es mich daher gar nicht weiter gewundert, dass Dir wieder ein Artikel gewidmet war. Öffentlichkeitsarbeit beherrschst Du wie kaum ein anderer – wahrscheinlich eines Deiner Erfolgsrezepte. „Tue Gutes und sprich darüber“ – manchmal vielleicht sogar über gute Dinge, die eigentlich andere engagierte Menschen aus Deiner Stadtgemeinde auf die Beine gestellt haben. Heute allerdings habe ich den Artikel mehrmals lesen müssen um auch glauben zu können, was da steht: Es gehe so nicht, unter dem Deckmantel der Flüchtlingshilfe kann nicht jeder machen, was er will, so sollen Deine Worte gelautet haben in einem Gespräch mit Karl Steinbacher von „Heute“. "Ich habe diese Initiative verboten." Und dann wird Deine Begründung dazu mit den Worten beschrieben, Schwimmkurse dürften nur von Profis durchgeführt werden.
Was ist passiert? Gerty Schabas und Lydia Mondl haben mit weiteren Freiwilligen 20 Menschen das Schwimmen beigebracht. 20 Menschen, die zur Untätigkeit verurteilt auf den Entscheid warten, ob sie weiter in unserer Heimat bleiben dürfen. Denen auch heiß ist, die auch fröhliche Gesellschaft lieben, die sich integrieren wollen auch durch das Kennenlernen der in Österreich gepflogenen Bräuche im Umgang mit sommerlicher Hitze. Integration heißt mehr, als bloß eine Sprache zu erlernen.
Als eine Antwort darauf, dass vielerorts lautstark bemängelt wird, dass Baderegeln durch Asylwerberinnen und Asylwerber nicht eingehalten werden, Unsicherheit verbreitet werde, haben also Freiwillige angeboten, ihr Wissen über das Schwimmen und das Verhalten in einem Freibad weiterzugeben. Sicherheit daher nicht nur im Umgang mit Wasser zu schenken, sondern auch Sicherheit im Umgang mit den anderen Badegästen. Und nun wird dieses Engagement vor den Vorhang geholt von Dir: aber nicht, um Danke zu sagen, sondern um ein Verbot auszusprechen. Immerhin bist Du ja der Hausherr, bezahlst jährlich mit zigtausenden Euro an Steuergeldern den Erhalt des Bades. Und da haben Deine Regeln zu gelten – nur noch Profis sollen Schwimmunterricht geben dürfen.
Darf nun ein Vater, der seinen Kindern und deren Freundinnen und Freunden das Schwimmen in Purkersdorf beibringen will, dies ebenfalls nur noch nach Absolvierung entsprechender Qualifikationsprüfungen? Oder gilt dies etwa nur für fremdländisch aussehende Personen?
Lieber Karl, ich hoffe sehr, dass es sich da um eine missverständliche Wiedergabe Deines Standpunktes gehandelt hat bei dem, was ich da heute lesen musste. Oder dass es da andere Gründe für Deine Entscheidung gab als „die Häufung von Beschwerden von Badegästen“ (worüber überhaupt?) oder die „fehlende Klärung von Haftungsfragen“. Gravierende. Wobei sich dann wieder die Frage stellen würde, ob Du dann zuständig wärst für eine solche Sanktion.
Gerty Schabas und Lydia Mondl gehört mit ihrem Team in meinen Augen Dank ausgesprochen – Dank dafür, dass nicht lange gefragt wurde, ob sich etwas verdienen lasse mit Engagement; dass statt dessen nachgedacht wurde, wie zu einer offenbar heiklen Frage der Freibadnutzung durch Asylwerberinnen und Asylwerber Lösungen gefunden werden können, die allen Interessen gerecht werden; und dann auch gehandelt wurde. Danke! Willst nicht auch Du Dich noch bedanken, lieber Karl?
Dein ehemaliger Kollege im Stadtrat von Purkersdorf
Hans-Jürgen