Bald ist es auch in Österreich wieder soweit. Während in Deutschland der Vatertag, welcher dort traditionell mit Christi Himmelfahrt zusammenfällt, bereits begangen wurde, steht er in Österreich dieses Jahr noch bevor: am zweiten Sonntag im Juni sollen wieder die Väter gefeiert werden. In vielen der nach einer Berechnung der Statistik Austria knapp 1,4 Millionen Familien mit Kindern im Haushalt bedeutet das bereits dieser Tage eine mehr oder weniger hektische Planung für diesen besonderen Tag: während in vielen Kindergärten und Volksschulen bereits begonnen wird mit Bastelarbeiten für ein liebevoll angefertigtes Geschenk, sehen sich ältere Söhne und Töchter nun zunehmend den Werbebotschaften mit unterschiedlichsten Kauf- und Ausflugsideen ausgesetzt. Aber auch eine gute Gelegenheit, sich einige Gedanken zur Rolle der Männer im Allgemeinen und Väter im Besonderen zu machen:

Vor gar nicht allzu langer Zeit war es selbstverständlich gelebtes Gesellschaftsbild, dass Männer die Starken zu sein haben: sie waren es, welche bereits als Kind geeicht wurden auf Durchsetzungsvermögen und Erfolgsorientierung. „Ein echter Indianer kennt keinen Schmerz“ hieß da die Devise, wenn ein Bub sich verletzt hat. Wer als Mann taugen wollte, musste im Stande sein, eine Familie zu ernähren, seine Vorstellung von Leben durchzusetzen und gegen seinesgleichen notfalls auch mal körperliche Überlegenheit zu demonstrieren. Wenn dann die Frau an der Seite eines solchen Mannes im Kreißsaal lag, dann wurde dies zeitgleich ausgiebig mit den Kumpels feuchtfröhlich gefeiert – um danach in den durch Vorführsparziergänge mit dem Kinderwagen unterbrochenen eigenen Alltag zurückzukehren. So ein Kind änderte eigentlich wenig im Alltag des durchschnittlichen Mannes. War ja Sache der Frau.

Irgendwann kamen dann Zweifel auf: wozu soll eigentlich diese Stellung des Mannes gut sein? Hat es irgendeinen Mehrwert, die Berufswelt den Männern zu überlassen, während Frauen dazu geboren schienen, sich um Mann, Kinder und Haushalt zu kümmern und mit einem mehr oder weniger großzügigen Taschengeld abzufinden? Sehr rasch fiel als erste von vielen weiteren Schranken die noch vor wenigen Jahrzehnten in Geltung gestandene Pflicht einer Ehefrau, vor Antritt eines eigenen Jobs die schriftliche Einverständniserklärung des Ehemannes einzuholen. In weiterer Folge wuchs das Selbstbewusstsein von Frauen, welche Stück für Stück das für sich erobern konnten, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: auch Frauen sind Menschen, welche es verdient haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Und das Wirtschaftswachstum der 70er- und 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts ermöglichte es, den Grundstein dafür zu legen, dass auch ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Was natürlich Auswirkungen auf das Familienleben hatte: wenn nun also auch Frau mit einem Einkommen beisteuert zur finanziellen Bedeckung der Bedürfnisse der Familie, wer sollte dann zuständig sein für Haushalt und Kindererziehung?

Lange Zeit war es scheinbar ungeschriebenes Gesetz, dass, wenn schon geduldet wird, dass auch Frauen arbeiten gehen, diese gefälligst unverändert auch dafür zu sorgen haben, dass es dem Mann und den Kindern gut geht und der Haushalt auf Vordermann gebracht wird. Eine wahnsinnige Bürde für Frauen, welche damit eine Doppelbelastung zu schultern hatten. Bis dann endlich das weibliche Selbstbewusstsein mit tatkräftiger Unterstützung der Politik so weit gestiegen ist, dass die Forderung nach dem „Halbe-Halbe“ salonfähig wurde. Die Geburtsstunde des Mannes im Kreißsaal, um seiner Frau mehr oder weniger sinnvoll beizustehen; des Mannes, der sich auch mal den Baby-Björn umschnallt; des Mannes, der es selbstverständlich nicht nur in der Zeit als Junggeselle, sondern auch in der Beziehung schafft, Fenster zu putzen, abzuwaschen und die Wäsche zu erledigen. Neben dem Job. Warum auch nicht?

Was natürlich eine gravierende Änderung des Rollenbildes von Männern im Allgemeinen und Vätern im Speziellen mit sich brachte: während Frauen ausgehend vom allgemeinen Wahlrecht nach einem rund ein Jahrhundert andauernden Kampf um ihre Gleichstellung ein wichtiges Etappenziel erreicht haben, fühlen sich viele Männer nun das erste Mal spürbar in ihrer gesellschaftlichen Position beschnitten: während auf der einen Seite von vielen weiterhin der Druck verspürt wird, vor den eigenen Kumpels auch weiterhin als Matscho gelten zu müssen, um nicht an Männlichkeit zu verlieren, wird gleichzeitig auch realisiert, dass am Geschirrspüler halt nicht „Achtung, nur Frauen dürfen dieses Gerät bedienen“ steht. Und es wird erkannt, wie schön es sein kann, sich aktiv in die Erziehung und Begleitung seiner eigenen Kinder einzubringen.

Was natürlich nun auch Männern das abverlangt, was zuvor viele Frauen vielfach unbemerkt geleistet haben: nicht nur die Termine im Job sind im Auge zu behalten, nun bedarf es auch, eine Übersicht über den Familienterminkalender zu behalten. Es ist nun nicht mehr alleinige Aufgabe der Frau und Mutter, sich darum zu kümmern, dass die Kinder rechtzeitig zum Fußballtraining, zur Geburtstagsfeier des besten Freundes oder in Kindergarten und Schule gebracht werden und die Hausübungen erledigen. Auch zu Hause bedarf es nun einer ständigen Koordination. Vatersein hat nun ein Mehr an Inhalten und Verantwortung bekommen – ein Vater ist nun nicht mehr die Respektperson, mit welcher gedroht wird „warte, bis der Papa nach Hause kommt“; er ist Vater. Der ebenso das Frühstück machen kann und die Jausenbox füllen wie die Mama; der ebenso da ist, wenn die Hausübungen Schwierigkeiten machen, wie die Mama; der ebenso das Krankenbett hüten kann …

Es ist schon klar, dass das idyllisch gezeichnete Bild der Vaterrolle nicht in allen Familien ganz so deutlich anzutreffen ist; selbst dort nicht, wo dem klassischen österreichischen Familienbild entsprechend Vater, Mutter und Kinder in einem Haushalt leben. Zu oft kommen da die eigentlichen Aufgaben zu kurz, zu oft mischt sich da auch unentschuldbare Gewalt in die Idylle und wird die Integrität der heranwachsenden Menschen missachtet. Auch in nach außen unauffälligen Familien wird oftmals gekämpft mit den neuen Rollenverständnissen von Mann und Frau und ergeben sich daraus Komplikationen, dass Beruf und Familie für Mann und Frau gleichermaßen schwierig zu vereinbaren sind. Oftmals ist es dabei gar nicht mal so sehr der moderne Gendergedanke, welcher diese Veränderung in den letzten Jahren so deutlich vorangetrieben hat. Meist ist die Antriebsfeder schlicht und ergreifend der wirtschaftliche Druck auf die Familien, welche es sich gar nicht mehr leisten können, ihren Lebensstil mit nur einem Einkommen zu finanzieren. Dies treibt eine Weiterentwicklung der Rollenbilder voran, welche nicht nur für die Frau Schwierigkeiten mit sich bringt, Vorurteilen des Arbeitsumfeldes zu begegnen, sondern auch für jene Männer, welche sich den Erwartungen der emanzipierten Mitbeteiligung in Haushalt und Kinderbetreuung stellen und dabei meist auf vollkommenes Unverständnis im beruflichen Umfeld stoßen; Dauerstress somit auch für Väter, welche ihre zunehmenden Freuden in der Begleitung ihrer Kinder damit bezahlen, dass in der öffentlichen Wahrnehmung kaum beachtet wird, dass im Gleichklang ja die meist nur im Zusammenhang mit Frauen erörterte Vereinbarkeit beruflicher Anforderungen mit den Aufgaben in der Familie Herausforderungen auch für den Mann darstellen.

Besonders schlimm wird es für Väter, wenn die Beziehung zur Mutter der eigenen Kinder als Partnerin scheitert: unter massiver Beteiligung der Politik in Form des Familienrechts und der Familiengerichte werden Väter hier schier zurückgebombt in die Zeit vor der beschriebenen Veränderung der Rollen im Familienverband. Was in aufrechter Beziehung als selbstverständlich postuliert wird, soll ab dem Moment der Trennung auf der Paarebene scheinbar nicht mehr gelten: man könnte fast meinen, Legislative und Rechtsprechung hätten hier die Entwicklung der letzten Jahrzehnte nicht mitbekommen, wenn hier immer noch das Bild vorherrscht, dass Väter die alleinige Verantwortung für die finanzielle Absicherung der Kinder haben und Mütter das Vorrecht auf die Begleitung der Kinder durch den Alltag haben. Schmerzhaft für Väter und Kinder – lediglich bei Müttern wird dann erkannt, dass ihnen besondere Unterstützung angeboten werden muss mit dem Status der Alleinerzieherin. Wer denkt, dies seien Einzelschicksale, übersieht, dass allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz am heutigen Tag rund 3 Millionen Kinder und Jugendliche nicht das Privileg genießen, mit Mama und Papa in einem Haushalt leben zu können – diese unvorstellbar große Zahl, welche die Einwohnerzahl der österreichischen Bundeshauptstadt bei Weitem überschreitet, sollte eigentlich unübersehbarer Auftrag an die Politik sein, hier etwas zu verändern. Gleichzuziehen mit dem Rollenbild, das für aufrechte Familien bereits zur Selbstverständlichkeit wurde: „Halbe-Halbe“. Es gäbe da sogar bereits eine UN-Resolution …

Der Vatertag ist einerseits für die Wirtschaft eine willkommene Institutionalisierung, welche in Österreich mit 1955 eigentlich erst sehr spät erfolgte und in letzter Zeit zunehmend zum Garanten dafür wird, dass die Umsätze angekurbelt werden können. Ein wichtiger Aspekt, vor allem in einer Zeit, in welcher es gilt, auch über die Binnennachfrage Arbeitsplätze zu sichern. Dieser Ehrentag gibt dabei auch Gelegenheit dazu, einfach mal ganz bewusst „Danke!" zu sagen zu seinem Vater; „Danke!" für all die Leistungen die es braucht, ein Kind auf dem Weg in ein eigenständiges und erfülltes Leben zu begleiten – und zwar über das hinaus, was die älteren Generationen den eigenen Kindern gerne vorrechneten mit einer am Ende stehenden Summe, um welche ein Einfamilienhaus errichtet werden könnte.

Vatertag ist andererseits aber auch eine Gelegenheit für die Gesellschaft, einmal kurz zu prüfen, ob sie sich auf dem richtigen Weg sieht im Umgang mit Familien im Allgemeinen und Vätern im Besonderen. Sind die zunehmend bekannt werdenden Geschichten von „Zahlvätern", welchen der Umgang mit ihren eigenen Kindern verleidet oder verweigert wird und für die sie nur möglichst viel an Alimente an die Mutter überweisen sollen, das, was sich die Gesellschaft wünscht? Ist es im Interesse der Allgemeinheit, dass „Halbe-Halbe" in aufrechten Beziehungen zwar erfolgreich installiert wurde, im Fall einer Trennung aber die überholten Rollenbilder aufleben? Ehrentage wie dieser können sicher ganz gut belächelt werden als Symbol der Kommerzialisierung unserer Gesellschaft – sie bieten aber vor allem die Möglichkeit, möglichst breit aufgestellt darüber nachzudenken, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt und wo dabei unser aller Möglichkeiten bestehen, dazu beizutragen, die Chancen dafür auch zu schaffen und zu nutzen. Ohne zur Anklage erhobene Zeigefinger. Einfach mit Verständnis für menschliche Emotionen und Reaktionen und der Schaffung von Angeboten der Unterstützung. Vatertag 2016 könnte ganz bewusst genutzt werden: nicht bloß, um dem eigenen Vater Aufmerksamkeit und Dank zu schenken – mit oder ohne einer Kleinigkeit; am Telefon, persönlich oder auch „bloß" in Gedanken. Vatertag 2016 ist eine neuerliche Chance, nach vorne zu schauen und daran aktiv mitzuwirken, dass die Familie von morgen ein Stück weit näher an dem ist, was man sich als Gesellschaft für sie wünscht.

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