Wenn man so nachdenkt über die Themen, welche uns heute beschäftigen, dann erkennt man rasch, dass die entschlossene Unentschiedenheit in Grundsatzfragen unsere Tagespolitik beherrscht. Es ist daher gar nicht weiter verwunderlich, dass Eskalationen an allen Ecken und Enden das Geschehen prägen. Konsequent wird nämlich vermieden, sich den wahren Anforderungen des Miteinanders in einer Demokratie zu stellen. Statt im Miteinander unter Einschluss der Bedürfnisse aller Individuen Verbesserungen am Gebäude unserer Gesellschaft vorzunehmen, auf dass dieses jedem und jeder Einzelnen die Sicherheit geben kann, derer es bedarf, um ein eigenverantwortliches glückliches Leben zu führen, werden immer wieder Anleihen aus dem Mittelalter genommen: es werden Gesellschaftgruppen nach äußerlichen Merkmalen zusammengefasst und gegeneinander ausgespielt. So gesehen ist es weder Fisch, noch Fleisch, was wir da als Rahmen unserer Gesellschaft haben: Zwar bezeichnen wir unsere Regierungsform als Demokratie, wenn es allerdings darauf ankäme, die damit verbundenen Prozesse auch zu durchlaufen in heiklen Gesellschaftsfragen, dann wird rasch dem Absolutismus wieder der Vorzug gegeben.

Kampf der Religionen: Im Mittelalter wäre es ja in unserem Kulturkreis unvorstellbar gewesen, die Allherschaft des christlichen Glaubens in Frage zu stellen: selbstverständlich wurde jeden Sonntag der Predigt des Pfarrers gelauscht und es war unvorstellbar, sich für einen anderen Glauben zu interessieren - oder gar zu einem solchen zu konvertieren oder sich zu einem solchen zu bekennen. Was nicht heißt, dass auch tatsächlich nach den 10 Geboten gelebt wurde - aber der Schein wurde gewahrt als verbindendes Merkmal einer Fremdbestimmtheit. Es war ja schon ein Frevel, innerhalb des christlichen Glaubens einzelne Details der Bibel in Frage zu stellen oder im Glaubensalltag andere Vorstellungen zu haben - die Geschichtsbücher sind voll von Schilderungen der Sanktionen, die hier verhängt wurden bis hin zur Deportation ganzer Gesellschaftsgruppen. Heute leben wir in einer Demokratie, welche von ihrem Grundverständnis her darauf aufbaut, dass in ihr selbstbestimmte Menschen leben, welche sich in einem Miteinander unterschiedlicher Wertvorstellungen auf Respekt, Toleranz und Wertschätzung verständigen: Andersartigkeit wird darin als Chance der Bereicherung verstanden und gelebt. Soweit zur Theorie. Denn in der Praxis werden auf unseren Straßen an das Mittelalter erinnernde Forderungen nach einem Einheitsglauben nachdrücklich vertreten und die Zahl jener Politikerinnen und Politiker, welche - wohlgemerkt: sich auf demokratische Legitimation berufend - die multikulturelle Gesellschaft als gescheitert erklären, nimmt stetig zu. Was denn nun: sind wir nun in einer Demokratie, welche sich doch dadurch auszeichnet, dem einzelnen Menschen seine Selbstbestimmung auch in Werte- und Religionsvorstellungen zu lassen und einen Rahmen zur friedlichen Inklusion der Individuen zu schaffen - oder befinden wir uns in einer Zeit des wiederkehrenden Absolutismus, in welchem uns vorgegeben wird, was gut und böse zu sein hat? Weder Fisch noch Fleisch - entschieden unentschlossen wird hier weitergewurschtelt und darauf gewartet, dass die Gesellschaft der Politik die Behandlung der Frage in einem Putsch abnimmt.

Kampf der Geschlechter: Nicht viel anders sieht es in Fragen der Gleichberechtigung aus. Statt, einer Demokratie würdig, darauf zu verzichten, das Geschlecht der Menschen in sämtlichen Alltagsfragen, und sei dies noch so sehr an den Haaren herbeigezogen, als Unterscheidungsmerkmal heranzuziehen, werden die Geschlechtsmerkmale regelmäßig als Kriterium argumentativ gleich einer Filterfrage herangezogen. Nicht bloß, dass damit die soziologische Anzahl tatsächlich empfundener Geschlechterrollen wider besseren Wissens auf zwei reduziert wird, es wird auch vorweggenommen, wie Mann und Frau ihre Rolle in der Gesellschaft zu sehen haben. Mann hat devot gleich der Erbsünde dafür einzustehen, dass etwa selbst in der für Demokratie als Beispiel gerne genannten Schweiz bis vor zwei Jahrzehnten Frauen sogar vom demokratischen Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen waren bis das Schweizer Bundesgericht entschied, dass Frauen auch im Kanton Appenzell Innerrhoden ein Wahlrecht genießen. Frau hat sich hingegen als Opfer eines Patriachats zu sehen, das übervorteilt wird und wurde. Dass diese Fragen nicht alle Vertreterinnen beziehungsweise Vertreter der beiden Geschlechter gleichermaßen betreffen, dass entgegen dieser Schubladisierung auch umgekehrte Zuschreibungen der Opferrolle, so man eine solche vergeben will, Realität sind, wird da gerne weggedacht und ausgeblendet. Entsprechend des absolutistischen Maxime: was der Herrscher nicht so sieht, das hat auch nicht zu sein. Punkt. Offenbar wäre es qualitativ ein zu demokratischer Ansatz, das Individuum mit seinen Bedürfnissen im Vordergrund zu sehen statt der primären Geschlechtsmerkmale. Ein Ansatz, der zuviel an Auseinandersetzung mit den Menschen bedeutet und der daher nur zu schwer an den grünen Schreibtischen vermeintlichen Lösungen zugeführt werden kann. Auch hier also: unter dem Deckmantel einer demokratischen Chancengleichheit wird das Individuum negiert und eine willkürlich festgelegte Bevölkerungsgruppe zusammengefasst zu Individuen, welchen vorgegeben wird, wie sie zu empfinden haben: weder Fisch, noch Fleisch, wie die Politik an diese Frage herangeht.

Diese begonnene Liste an Beispielen, wo die Frage des Zuganges zu mögliche Lösungen für unsere Gesellschaft zwischen Absolutismus und Demokratie nur halbherzig beantwortet wird und dabei Wege beschritten werden, die weder als Fisch, noch als Fleisch in diesem Sinne bezeichnet werden können, ist leider um viele Punkte erweiterbar: der Krieg um Landbesitz, wie er etwa gerade in der Ukraine tobt, der Krieg zwischen Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen, wie er in der immer wiederkehrenden Diskussion um Aufkommensgerechtigkeit in Steuerfragen durch geschürte Neiddebatten entfacht wird oder der Krieg um die Obsorge für Scheidungskinder sind hier nur drei weitere Exempel, welche mit etwas mehr Entschlossenheit bei der Herangehensweise friedlich gelöst werden könnten. Wie lange wird das noch gut gehen? Fangen wir an, Deomokratie nicht nur als Begriff unserer Bundesverfassung und Deckmantel für das Entstehen von Gesetzen zu sehen: Demokratie ist mehr - leben wir dieses Mehr. Leben wir Fisch und Fleisch!

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Claudia Braunstein

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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Hansjuergen Gaugl

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