„Gefährlich sind nur Streitigkeiten zwischen Menschen, die einander nicht ganz verstehen“, hat Marie von Ebner-Eschenbach geschrieben. Eine Weisheit, welche auch für die Planung des Weihnachtsfestes eine hilfreiche Botschaft beinhaltet. Denn das in unseren Kulturkreisen geprägte Erwartungsbild der harmonischen Weihnachtsfeier mit dem erweiterten Familienkreis birgt unter unzähligen Christbäumen Brandgefahr: dank der immer weiter verbreiteten elektronischen Kerzenimitate nicht unbedingt jene, welche es ratsam macht, einen Feuerlöscher neben den Wohnzimmertisch zu stellen. Es geht da um das Risiko, dass hitzige Streitigkeiten den weihnachtlichen Karpfen ein zweites Mal zum Erstummen bringen.
Das Dilemma von Selbstbewusstsein und Familiensinn
Familie bedeutet heute noch mehr als früher, dass hier Individuen in einem Verband stehen: Menschen, mit ganz persönlichen Träumen; mit Wünschen für den eigenen Lebensweg, welche auf die eigene Art und Weise verfolgt werden. Nachdem auch in dieser Zeit, in welcher das dabei zwangsläufig entwickelte Selbstbewusstsein besonders stark ausgeprägt ist, der Spruch allgegenwärtig ist, wonach Blut dicker als Wasser ist, stehen viele Menschen vor einem Dilemma: einerseits hat man im Alltag gelernt, sich nur behaupten zu können mit einer unnachgiebigen Verfolgung eigener Ziele, andererseits ist da aber die Familie, in welcher man sich gegenseitig zu schulden glaubt, das Beste füreinander zu wollen. Natürlich in der jeweiligen Annahme, ganz genau zu wissen, was das Beste ist. Die Schwiegertochter, zum Beispiel, ist nicht gut genug für den eigenen Buben. Und das ständige Herumhocken der Eltern zu Hause kann doch nur griesgrämig machen. Auch die Erziehung der Kleinkinder im Familienverband scheint irgendwie verbesserungswürdig.
U-Bahn oder Gabentisch - was macht den Unterschied?
Steht man in einer vollgefüllten U-Bahn, so ist es eigentlich gar nicht weiter herausfordernd, diese gemeinsame Zeit auf engstem Raume unbeschadet zu überstehen. Ja sogar Smalltalk, sofern es sich ergeben sollte, führt erfahrungsgemäß zu keinen weiteren Komplikationen. Und das, obwohl hier Menschen unterschiedlichster Lebenseinstellungen aufeinandertreffen; solche, die nicht einmal ein gemeinsamer Familienstammbaum verbindet. Wo ist nun der Unterschied, wenn man in dem für gewöhnlich von drei Personen genutzten Wohnzimmer ausnahmsweise auch mal die weitschichtigeren Familienangehörigen vorfindet? Gemessen am zur Verfügung stehenden Platzangebot für jede einzelne Person im Vergleich zur überfüllten U-Bahn immer noch komfortabel – immerhin sind sogar ausreichende Sitzmöglichkeiten rasch organisiert. Und dennoch wird von vielen dieser familiären Weihnachtsfeiern im Nachhinein berichtet, dass die ein beklemmendes Gefühl hatten. Aber irgendwie doch den Zwang verspürten, auszuharren – es könnte ja das letzte Mal gewesen sein, dass man in dieser Runde zusammenkommt. Und es gehöre sich schließlich.
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Wenn der Alltag scheinbar tiefe Spuren hinterlassen hat
Familienfeiern sind oftmals von äußerst hohen Erwartungen begleitet. Erwartungen aneinander, die man wildfremden Personen wie etwa in einer U-Bahn nicht entgegenbringt. Von Erwartungen an jene Idylle, welche in romantischen Hollywoodstreifen mit Happy End vorgegeben und auch mit verklärten Erzählungen aus den Zeiten der eigenen Vorfahren genährt werden. Übersehen wird dabei, dass der Alltag viele Spuren hinterlassen hat, welche nicht automatisch weggewischt werden können: da gab es wechselseitige Verletzungen, die einfach nicht totgeschwiegen werden können, ohne Gräben gleiche tiefe Narben zu hinterlassen; da gab es Abstand, den man zueinander eingenommen hat aus Selbstschutz, welcher nun der Idylle wegen aufgegeben wird mit der gespürten Erkenntnis, dass damit ja auch die eigene Verletzlichkeit wieder preisgegeben wird für einige Stunden.
Kann man da was machen?
Wollen Sie, dass die diesjährige Weihnachtsfeier für Sie keine sehnsüchtigen Gedanken an das ersatzweise stundenlange Fahren in einer überfüllten U-Bahn aufkommen lässt? Wollen Sie sich beim Weihnachtsmahl einfach nur wohl fühlen? Wie wäre es, wenn Sie dann das heurige Weihnachtsfest einmal anders angehen: indem Sie, gleichsam dem Einsteigen in den Wagon des städtischen Verkehrsmittels, alle ihre Erwartungen abschütteln und einfach nur an ihr Ziel denken: sich wohlzufühlen und Weihnachten im Kreis der Familie zu feiern – vielleicht ja sogar das letzte Mal in dieser Runde. Hilfreich kann dabei sein, wenn ein neutraler Ort, wie etwa ein nettes Gastlokal, gewählt wird. Auch das eine oder andere versöhnliche Gespräch mit jenen Familienmitgliedern, mit welchen der Haussegen schief hängt, kann helfen – notfalls auch mit professioneller Unterstützung.
Weihnachten 2015 wird ein tolles Fest. Sie haben vieles dafür selbst in der Hand – nehmen Sie die Verantwortung wahr!