Mit den „Alltagsgeschichten“ und den „Liebesg’schichten und Heiratssachen“ hat Elisabeth T. Spira österreichische Fernsehgeschichte geschrieben. Wie man die Bloßstellung einer bestimmten Bevölkerungsschicht betreiben kann und dann dafür ex post auch noch mit universitären Ehren belobhudelt wird, muss nahezu als pervers angesehen werden. Kritiker ihres Schaffens mögen Spira ihre Rolle vorwerfen, hingegen kommt aber dem Intentanten die Hauptverantwortung zu.
Trotz aller berechtigter Kritik überschlägt sich der Soziologe Alexander Schmidl von der Friedrich-Alexander Universität Erlangen – Nürnberg in Hochhebungen über Elisabeth Spiras Werk. Von ihrem guten Gespür für Menschen könnten sich Soziologen einiges abschauen, meint ein ebensolcher.
Die Journalistin Elisabeth T. Spira brachte die sogenannten einfachen Leute zum Reden. Bezeichnet wird dies verharmlosend als "Exploration kleiner Lebenswelten" aus denen eben diese kleinen Leute stammen.
Alexander Schmidl meint weiters, dass man sich hier etwas abschauen könne. „Das sind natürlich Methoden, die auch in der Sozialwissenschaft, zumindest in der qualitativen Sozialforschung, hoch relevant sind.“ Speziell meint er damit das „gute Gespür in einem Interview. Also nach Lebensgeschichten und nach deren subjektiven Relevanzen zu fragen.“
Es handle sich dabei um die Beibehaltung einer Tradition sozialreformerischer Berichterstattung. Auch könnte er sich vorstellen, dass Fragestellungen und Perspektiven aus der Sozialreportage einigen zusätzlichen Input liefern könnten.
So kann man natürlich ein dunkles Werk mit viel blablabla wissenschaftlich erheben. Zwar war die Zuschauerquote der Serien hoch, aber um welchen Preis?
Um den Preis der Bloßstellung der ohnehin benachteiligten unteren Gesellschaftsschichte, die eben nicht ein besseres Elternhaus und nicht die Gnade höherer Bildung gehabt hatten.
Vielmehr ist es ein Einschleichen ins Milieu, ein unverschämtes Herauslocken aus der Reserve, eine Stimulierung zu einer Selbstdarstellung für die sich der Einzelne im Nachhinein schämt, das Festhalten dieser Sequenzen und anschließend der filmischen Bloßstellung jener eingeheimsten Begenenheiten, die dann nestbeschmutzerisch weidlich breitgetreten und dem Publikum präsentiert werden.
Wie soll sich beispielsweise das Kind eines Vaters fühlen, wenn es ihn in einer der Filmserien nackt, angetrunken und mit einer Bierflasche in der Hand, aufgenommen vom Filmteam der Spira auf der Donauinsel, im FKK-Bereich, völligen Blödsinn daherquasselnd, sehen muss?
Oder auch wenn diese Sequenz von anderen Personen die ihn kennen, gesehen wird. Von Verwandten, Nachbarn, Firmenkollegen...
Einige Akademiker ihrer Studienklasse, die gerne nach unten treten, belieben Menschen merkbar außerhalb ihres Selbsts, abwertend als "Gestalten der Walpurgisnacht" zu bezeichnen.
Das Format „Liebesg’schichten und Heiratssachen“, wo es in erster Linie um die voyueuristischen Offenlegung der Sehnsuchtsgefühle partnersuchender Menschen geht und nur als Nebeneffekt die Zusammenführung dieser Menschen entsteht, wird demnächst von der Journalistin Nina Horowitz weitergeführt werden.
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