“Wie man FPÖ-Wähler zurückgewinnt - Für Dummies“

Obwohl sich die SPÖ aktuell ja bereits in offensiver Selbstauflösung befindet und die ÖVP nicht viel hinten nach ist (Schwarz-Blau in der Steiermark dräut heran), hier noch eine Kurzanleitung für die Rückgewinnung von FPÖ-Wählern. Vielleicht profitieren ja demnächst die SPÖVP-Nachfolgeorganisationen davon... *seufz*

Wie auch immer. Die Reaktionen und Wortmeldungen der letzten Tage der SPÖ (und auch ÖVP) haben gezeigt, dass offensichtlich nicht viele Entscheidungsträger meinen letzten Blog-Artikel „Mathematiknachhilfe (für die SPÖ und ÖVP)“ gelesen haben. (Oder ihnen der Inhalt wurscht ist, siehe weiter unten.)

Eigentlich wollte ich mich nach meinem Kurz-Gig als Teilzeitpolitkommentator gleich wieder voll meinen normalen Jobs wie dem Bücherschreiben widmen. Aber jetzt versuch ich's halt doch noch einmal.

Nur. Diesmal. Noch. Einfacher.

Also:

1. Das Problem:

Menschen, die sich bedroht fühlen (etwa durch Sorgen um den Arbeitsplatz, die bloße Existenz oder von mir aus auch nur den individuell wahrgenommenen sozialen Abstieg, weil sie in Sachen Flachbildschirm und neuestes Smartphone nicht mehr mit dem Nachbarn mithalten können), neigen in ihrem Frust traditionell weniger dazu, sich gegen die zu erheben, die sie bedrohen (Arbeitgeber, Manager, Konzerne, die Arbeit verlagern, die neoliberale Politik...), weil das schwieriger ist, sondern dazu auf diejenigen loszuschlagen, die sozial und (wahrgenommen) hierarchisch unter ihnen stehen (Ausländer, Asylsuchende, Bettler...) Und denen das Wenige zu neiden, das sie haben. Weil das leichter ist. (Siehe auch “Es brennt“, ein früherer Blogartikel von mir hier.)

Das alles ist seit mindestens der Antike nichts Neues. Siehe Juden-Pogrome, Angriffe auf Roma, Fremde... Eine Variante und/oder zusätzliche Komponente spielt dann noch die Projektion auf einen äußeren Feind. Bei uns übernimmt diese Rolle „der Islam“ und „die EU“.

Und es ist auch nichts Neues, das Populisten (bei uns eben die FPÖ), sich diesen dumpfen Trieb zunutze machen. Hey, it's easy!

2. Keine Lösung:

Was aber bei genauerem Hinsehen bedeutet: das Draufhauen auf “Ausländer“ (etc.) ist nur ein SYMPTOM, ein VENTIL. Nicht die Ursache der Ängste. Und wenn nun AUCH die ehemaligen Großparteien an den Daumenschrauben gegenüber denen ganz unten drehen – was sie ja schon seit mittlerweile Jahrzehnten erfolglos versuchen – gewinnen sie KEINEN EINZIGEN Wähler zurück! Erstens, weil rechte Populisten dieses Anliegen weitaus glaubhafter vertreten. Aber zweitens vor allem deswegen, weil dieses Thema, siehe oben, NUR EIN SYMPTOM ist!

3. Die Lösung:

Wenn man also die verlorengegangenen Wähler zurückzugewinnen will, muss man deren TATSÄCHLICHE PROBLEME ernst nehmen und lösen! Aber das tut ganz offensichtlich niemand der Regierenden. Denn:

- Vereinfacht die Wirtschaftspartei Regeln für Betriebsgründungen, Start-ups, neue Unternehmungen etc. und weitere Bürokratie? Nein.

- Sorgt die sozialdemokratische Partei für einen sozial gerechten Ausgleich, etwa durch Erbschaftssteuern oder Einschränkung des wild wachsenden Turbokapitalismus? Nein.

- Werden die Kleinen dagegen ständig mehr schikaniert und ihre im Wohlfahrtsstaat erworbenen (kleinen) Rechte und Zuwendungen abgeknapst? OH, JA!

Was ist die logische Folge daraus? Dann werden's halt grantig, die Leut'! Zeigen ihrer ehemaligen politischen Heimat den Stinkefinger – und wechseln zu den Protestparteien.

Und diese “Kleinen“ sind, siehe „Mathematiknachhilfe“, halt VIELE!

In a nutshell/kurz auf den Punkt gebracht:

Wer von VIELEN gewählt werden will, muss eine Politik machen, die VIELEN was bringt!

Noch einfacher, kann ich's glaub ich wirklich nicht mehr sagen. Echt jetzt.

(Das war's auch schon. Ab hier folgen Bonus-Überlegungen.)

- - -

Nun, ich bin nicht naiv. Ich weiß schon, dass es da um Verflechtungen und erworbene Positionen in den Parteien, Freundschaftsdienste, Verpflichtungen, Druck von der Wirtschaft und so weiter geht. Aber, hallo? All diese Dinge – Postionen und Zuwendungen – wird man NUR aufrechterhalten und erfüllen können, so lange man eine RELEVANTE GRÖSSE hat. Und diese geht derzeit flöten! Wenn die SPÖVP nicht bald beginnen sich Wähler zurückholen, war's das mit diesen Parteien.

Hat man übrigens auch gleich nach der Wahl versucht. Und wie? Nun... Das waren im Großen und Ganzen die Reaktionen der SPÖVP auf die astronomischen Gewinne der FP der letzten Woche:

„(Blablabla) man wird sich das genau anschauen und bemühen, die Ängste und Sorgen der zur FPÖ Abgewanderten ernst zu nehmen – und sich die Probleme rund um Einwanderung und Asylfragen näher anschauen.“

OIDA! Das sind NICHT deren Sorgen und Ängste! Jedenfalls nicht ihre primären! (Und schon gar nicht die derjenigen, die gar nicht zu Wahl gehen. Und das ist eine noch schneller wachsende Gruppe, als die der FP-Wähler.)

Ein Beweis für meine These gefällig? Als Frank Stronach aufgetaucht ist, und noch keine Lachnummer war, konnte er mit einer rein auf WIRTSCHAFTLICHE Themen ausgerichteten (zugegebenermaßen) populistischen Politik komplett OHNE FREMDENFEINDLICHKEIT die FPÖ auf Anhieb dritteln! (Dass er sich dann selbst durch absurde Auftritte und die Wahl seiner Mitarbeiter aus dem Rennen genommen hat, steht auf einem anderen Blatt.)

Wie er das geschafft hat? Allein durch die GLAUBHAFTE VERMITTLUNG VON HOFFNUNG auf Aufschwung, Verbessserung der Lebenssituatuion und Wohlstand.

Dazu hier ein Cartoon, den ich damals entworfen habe und der, minus Team Stronach, heute noch immer genauso gültig ist.

Denn DAS ist es, was den Leuten fehlt: HOFFNUNG, PERSPEKTIVE. Und das bietet weder SPÖ noch ÖVP. (Eher schon die Grünen und die Neos, aber die bleiben aus anderen Gründen vorerst ein Minderheitenprogramm.)

Und natürlich die FPÖ mit ihren billigen Mitteln der Negativpolitik. Denn die „Hoffnung“, die sie verbreitet ist diese: „Wenn wir denen, die wenig haben, noch etwas mehr wegnehmen, geht es uns, die auch nicht so besonders viel haben, zumindest wieder ein bisschen besser.“ Siehe der Keks-Witz in meinem „Es brennt“- Artikel.

Ein letzter Punkt betreffend „Ernst nehmen von Ängsten“ betrifft die KOMMUNIKATION der Parteien.

Dazu ein fiktives Beispiel, das ich dann gerne einfach unkommentiert stehen lassen möchte.

Eine Wahlkampfveranstaltung

Eine Frau näher sich einem Politiker und sagt:

„Stellen Sie sich vor, es ist ein Wahnsinn! Gestern hat ein Ausländer im Stiegenhaus ein Stückerl Papier auf den Boden fallen lassen! Einfach so! Und hat es nicht aufgehoben!“

Reaktion à la Faymann:

(Mit blasiertem Lächeln sowie leicht spöttischer, überheblicher Stimme und leicht abgewandtem Blick in Richtung gleich zum nächsten)

„Na, gute Frau, das wird schon nicht so schlimm gewesen sein... Aber mir werden uns darum kümmern. Das wird schon wieder alles irgendwie, gell? Ja, servus, Franz! Wie geht’s da…?“

Reaktionen à la Strache:

(Mit betroffenem Blick direkt in die Augen der Frau, und eventuell als Beileidsbekundung eine Hand auf ihre Schulter legend)

„Ein unfassbarer Skandal! Und die Regierenden schauen weg und tun nichts dagegen! Na, wir werden das ändern! Bei uns wird's so etwas nie wieder geben! Das versichere ich Ihnen persönlich!“

(Fester Händedruck, ein letzter fester Blick. Langsames Abwenden zum nächsten.)

Fazit:- Was wird die SPÖ in der causa unternehmen? Nichts

- Was wird die FPÖ, selbst wenn sie nach der Wahl die Verantwortung trägt, in dieser Sache unternehmen? Nichts.

- Von wem wird sich die Frau in ihren Sorgen und Ängsten aber ernst genommen fühlen? Genau.

- Und wen wird sie daher bei der nächsten Wahl wählen? Genau.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

PS: Arbeit + Hoffnung + Selbstwertgefühl hat schon einmal funktioniert. Man muss nur “anständige Österreicher“, “Ausländer“ und “Asylanten“ ersetzen durch “Deutsche“, “Juden“ und “Neger“.

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