Wenn ich Tiere anschaue, sehe ich Gefährten, ich sehe Individuen mit eigenen Persönlichkeiten, die Freude, aber auch Angst und Schmerzen empfinden, für ihre Familien sorgen und leben möchten. Nur weil wir nicht mit Sicherheit wissen, was sie denken, dürfen wir noch lange nicht zulassen, dass tagtäglich Millionen Lebewesen unterdrückt und gefoltert werden. Wir gestehen Menschen Rechte zu, damit sie als empfindungsfähige Wesen ein Leben in Würde führen können. Doch auch nicht-menschliche Tiere sind leidensfähig – nicht umsonst ist der Tierschutz im Grundgesetz verankert. Es wird Zeit, diesen Gedanken konsequent zu Ende zu führen und die Interessen nicht-menschlicher Tiere unabhängig von ihrem Nutzen für uns zu berücksichtigen. Wir müssen aufhören, diese fühlenden Lebewesen zu diskriminieren, indem wir sie benachteiligen, nur weil sie einer anderen Spezies angehören.
Selektives Mitgefühl rechtfertigt keine willkürlichen Rechte
Niemand muss selbst Opfer häuslicher Gewalt gewesen sein, um zu wissen, dass sie falsch ist. Niemand muss als Kind missbraucht worden sein, um zu wissen, dass Kindesmissbrauch falsch ist. Man muss Kinder nicht einmal mögen, um zu wissen, dass Kindesmissbrauch falsch ist. Leider verschließen einige Menschen die Augen vor immensem Leid oder werden nur aktiv, wenn sie selbst oder bestimmte Gruppen, mit denen sie sich befassen oder denen sie nahestehen, betroffen sind. Es entsteht eine Kluft zwischen jenen, die Freiheit und Gerechtigkeit für alle Lebewesen fordern, und jenen, die dies nur für wenige wollen. Dabei schreiben wir manchen Tieren bereits bestimmte Rechte zu: etwa das auf Leben, wenn wir uns ein gutes Zuhause für die Katze in der Tötungsstation wünschen, oder das auf Unversehrtheit, wenn wir uns über den Hund in schlechter Haltung aufregen. Doch was ist mit jenen, die von der Milchindustrie jährlich gegen ihren Willen künstlich geschwängert werden, oder jenen, die für unsere Unterhaltung eingesperrt und zu „Kunststücken“ gezwungen werden? Warum weiten wir unser Mitgefühl nicht auf alle Tiere aus und machen uns für die Rechte aller Tiere stark?
Die meisten Menschen akzeptieren die natürlichen Bedürfnisse ihrer Mitmenschen, auch wenn diese wiederum ganz eigene Eigenschaften und Wünsche haben. Ebenso haben nicht-menschliche Tiere Interessen. Kühe etwa möchten sich liebevoll um ihren Nachwuchs kümmern, Hühner im Freien nach Nahrung picken und Schweine in der Sonne entspannen oder mit Artgenossen spielen. Doch der Mensch ignoriert selbst diese grundlegenden Bedürfnisse und entreißt Kühen wegen der Milch die Kälber, sperrt Hühner zu Tausenden in stickige Hallen und pfercht Schweine in der Mast in Ställe, in denen sie bis zu ihrer Schlachtung inmitten ihrer eigenen Exkremente ausharren müssen. Sie werden allein wegen ihres Nutzens – nur aufgrund bestimmter Eigenschaften – eingesperrt, gequält und getötet. Die wenigsten von uns würden heutzutage auf die Idee kommen, einem anderen Menschen so etwas aufgrund seiner Andersartigkeit anzutun, nur um einen Nutzen aus ihm zu ziehen. Genau das machen wir jedoch mit nicht-menschlichen Tieren, wir folgen der Logik des Speziesismus.
Gemeinsamkeiten wiegen mehr als Unterschiede
Stellen wir uns vor, dass es immer nur das Lebewesen selbst gäbe, völlig ungeachtet von Religion, Art, Geschlecht, Intelligenz oder Gesundheitszustand. Gehen wir davon aus, dass sowohl Menschen als auch nicht-menschliche Tiere denselben Eigenwert haben, den von dem Philosophen Tom Regan aufgeführten inhärenten Wert. Demnach haben alle Lebewesen mit einem subjektiven Wohlempfinden das gleiche Recht, respektvoll behandelt zu werden – unabhängig von ihrem Nutzen für andere. Um nicht-menschlichen Tieren ihre Rechte zuzugestehen, müssen wir sie natürlich nicht über den Menschen stellen. Denn selbstverständlich benötigen sie beispielsweise kein Wahlrecht, aber sie haben das Recht auf ein unversehrtes Leben in Freiheit.
Nicht-menschliche Tiere mögen der höheren Mathematik nicht gewachsen sein und nicht lesen können. Doch ebenso gibt es Menschen mit Leseschwächen oder jene, die Probleme mit mathematischen Aufgaben haben. Dennoch sind sie nicht weniger wertvoll. Denn sie empfinden Freude, Schmerzen, Angst und haben Bedürfnisse. Ausschlaggebend dafür, wie wir andere behandeln, sollten nicht mögliche Unterschiede, sondern diese Gemeinsamkeiten sein – denn sie sind entscheidend dafür, wie wir das Leben als Individuen wahrnehmen. Nicht-menschliche Tiere können ihr Dasein ebenfalls als besser oder schlechter erleben – und zwar, wie auch Regan schlussfolgerte, abhängig davon, wie wir Menschen handeln.
Das Leben und Wohlbefinden des Einzelnen zählt – Tierrechte als logische Konsequenz
Wir betrachten Menschen mit Beeinträchtigungen als wertvoll, auch wenn sie nicht den gesellschaftlichen Normvorstellungen entsprechen. Ihr Leben als solches zählt, und zwar das eines jeden Einzelnen. Und obwohl es keinerlei Anhaltspunkt dafür gibt, dass nicht-menschliche Tiere einen geringeren Eigenwert haben als Menschen, diskriminieren wir sie, weil sie anders sind. Doch wie auch Regan erkannte, könnten wir dies nur, wenn wir bereit wären, dies auch auf Menschen mit einem „Mangel“ anzuwenden. Wenn wir aber davon ausgehen, dass jedes Lebewesen gleich viel wert ist – ungeachtet seines Nutzens oder seiner Spezies –, bedeutet dies, dass wir auch die Rechte nicht-menschlicher Tiere anerkennen müssen. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, sie als Essen zu betrachten, sie als Zirkusclowns, Ausstellungsobjekte oder für grausame Experimente zu missbrauchen.
Tieren ihre Rechte zuzugestehen bedeutet nicht, Gewalt gegen Menschen mit einer bestimmten Sexualität, einer anderen Herkunft oder Hautfarbe auszublenden oder andere Missstände auf dieser Welt zu ignorieren. Es bedeutet lediglich, auch die Interessen nicht-menschlicher Tiere zu berücksichtigen. Die Frage sollte nicht sein, wie schlimm die Zustände wirklich sind oder ob der gute Zweck das schlechte Mittel heiligt. Wir alle sollten unser Bestes geben, um Grausamkeiten zu verhindern und durch unsere eigenen Handlungen nicht zum Leid anderer beizutragen. Denn von Hass, Gewalt und Diskriminierung geprägte Bewegungen sind immer falsch – nicht nur beim Menschen.
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