Wenn Du mitten im Krieg merkst, dass Du keinen Flüssiggasterminal hast

Krieg deckt Schwächen eines Landes auf. Schlecht ausgebildetes oder aufgestelltes Militär. Das durfte nicht nur Russland, sondern auch Deutschland gerade schwerlich erfahren. Etwas anderes, das nicht nur Deutschland erfahren durfte, ist die Abhängigkeit vom russischen Gas. Während ich diesen Blog heute schrieb, kam die Nachricht, Russland stelle Polen und Bulgarien den Gashahn ab.

Eine Drohung, die zu einem Aufhorchen in Deutschland und Österreich geführt hat. Doch Polen hatte den Vertrag mit Russland zum Jahresende gekündigt, und das bei einer dreijährigen Kündigungsfrist bereits 2019. Auch Bulgarien hatte eine Anbindung an die italienischen Pipelines geplant.

Für Polen nimmt somit Russland ein Vertragsende einfach vorweg und stoppt das Liefern von Gas einige Monate früher. Aber auch die anderen Länder ziehen gerade nach und machen sich unabhängig von Russland.

Besonders Deutschland, immerhin bisher Abnehmer von 24% des russischen Gases, würde Russland hart treffen. Allein die europäischen Länder nehmen 75% der gesamten russischen Gasförderung ab.

„Der fossile Energiesektor macht rund ein Fünftel des gesamten Bruttoinlandsprodukts aus und ist somit von zentraler Bedeutung für die russischen Wirtschaft.“

Sieht man sich nur einmal an, dass russisches Öl nicht einmal zu Dumpingpreisen leicht einen Käufer fand, kann man sich ausrechnen, was passiert, wenn Europa auf russisches Gas verzichtet.

Nicht einmal China kann die ganzen Mengen an Öl nutzen, vor allem deshalb nicht, weil sie selber langfristige haben, aber auch sonst sehr vorsichtig sind, russisches Öl zu kaufen. Doch selbst wenn man für Öl Abnehmer findet, die schnell einspringen, so muss Russland hier extreme Rabatte hinnehmen.

Doch Russland hat ein weiteres Problem, es heißt Gas. Während Russland ein Pipeline-Netz direkt nach Europa hat, das aus mehreren Pipelines besteht, sieht es mit der Verbindung nach China etwas anders aus. Zwar gibt es hier einen Vertrag mit China, der mit einer neu gebauten Pipeline 38 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach China exportiert. Zum Vergleich: allein Deutschland nimmt pro Jahr 58 Milliarden Kubikmeter Gas ab, und Europa insgesamt nimmt über 160 Milliarden Kubikmeter Gas ab.

Um weiteres Gas an andere Abnehmer zu verkaufen, bräuchte Russland neue und leistungsfähigere Pipelines. Doch damit macht es sich von einem anderen Big Player abhängig, von China. Eine weiter3 Möglichkeit wären Flüssiggaslieferungen. Doch im Gegensatz zu Deutschland, die schnell eine Infrastruktur aufbauen konnten, in dem sie einfach Schiffe anmietet, die Flüssiggastanker löscht und bei den Flüssiggastankern auf die Flotte der Lieferanten zugreifen kann, müsste Russland die Infrastruktur zur Verflüssigung von Gas selber aufbauen und dazu auch noch eine Flotte von Transportschiffen bauen oder erwerben.

Neue Pipelines, bzw. die Infrastruktur für Flüssiggas müsste während die Wirtschaftssanktionen noch gültig sind, aufgebaut werden. Das alles, während die Wirtschaft im Niedergang ist, die Staatseinnahmen zusammenbrechen, ggf. Russland vor einer Staatspleite steht, wichtige Komponenten wegen der Sanktionen nicht geliefert werden dürfen. Das bedeutet es würde kaum internationale Kredite bekommen, und hat keine Chancen die Infrastruktur selber aufzubauen.

Sicherlich währe China bereit hier mit Krediten auszuhelfen. Das ganze zu den Bedingungen der Chinesen. Falls China sich überhaupt traut das Gas aus Russland abzunehmen, sind sie doch zu sehr vom europäischen Markt abhängig.

Die Probleme von Russland lösen würde ein solcher Vertrag aber mit Sicherheit nicht. Dumpingpreise, Ausfall von Gaseinnahmen bis die Infrastruktur mit China fertig ist, und hohe Investitionskosten. Und nachher ist man nicht mehr vom liberalen Europa abhängig, sondern von einem genauso machthungrigen Diktator-Kumpel wie man selbst ist.

Und was möchte China? Eine Weltmacht werden. Dazu braucht man Öl und Gas, am besten, so wie die USA auf dem eigenen Territorium. Das Öl und Gas, das man zur Genüge im dünn besiedelten Sibirien findet. Sibirien, um dass die Chinesen und Russen bereits in der Vergangenheit gestritten haben. Für China wäre es von Vorteil, wenn sie das Gas aus Russland selber besitzen würden. Und eine Supermacht wie Russland, die gerade bewiesen hat, dass ihre Armee nur aus Schrott besteht, die es nicht schafft, ein kleines unbedeutendes Nachbarland einzunehmen, und das sie es sich gerade mit den mächtigsten und einflussreichen Ländern der Welt verschissen haben.

Russland merkt gerade, dass es die Entschlossenheit der europäischen Demokratien und den USA ein klein wenig unterschätzt, seine Position in der Welt ein wenig überschätzt, und seine Freundschaft zu China total falsch eingeschätzt hat.

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WibkeT

WibkeT bewertete diesen Eintrag 27.04.2022 23:00:14

Kai-Uwe Lensky

Kai-Uwe Lensky bewertete diesen Eintrag 27.04.2022 20:29:40

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