Piraten Österreich: Eine Partei tut ihr Bestes

Nur sehr wenigen Menschen gelingt es, an die Spitze einer bedeutenden Partei zu gelangen -- zu führen, zu inspirieren, vorzudenken und ein großes Werk voranzutreiben. Vier dieser wenigen Visionäre und Führer begegnen uns auf der Bundesgeneralversammlung der Piratenpartei Österreichs am 20. Oktober in Graz.

Den Stolz auf das hohe Amt merkt man der versammelten Piratenelite durchaus an. Der Parteikader ist unter sich, denn andere Teilnehmer sind zum Polit-Stelldichein nicht erschienen. Vermutlich aus diesem Grund blieben die meisten zur Wahl gestellten Ehrenämter unbesetzt, darunter die Posten der Landesvorständer, Landesgeschäftsführer, Länderrat, Schiedsgericht, Schatzmeister, Pressesprecher. Dass es sich auch heuer wieder nicht ausgeht, ist eine Folge der verflixten Arithmetik, denn Österreich hat im Moment mehr Bundesländer als die Piratenpartei aktive Mitglieder. So dünn ist 2018 die Luft an der Spitze: außer der Spitze ist gar keiner da. Die dünne Personaldecke reicht nicht einmal, um die wichtigsten Ehrenämter nach Satzung auszufüllen -- die der fünf Bundesvorständer.

Wo sind sie hin, die Zeiten, als noch Hundertschaften im Piraten-Online-Forum für soziale Gerechtigkeit kämpften, vorwiegend gegeneinander? Unsichtbare, inaktive, jedoch zahlende, Mitglieder hat die Bundespartei 2018 noch ungefähr 40. Ähnlich wie beim radioaktiven Zerfall verabschiedet sich mit jedem 1. Jänner ungefähr die Hälfte des Karteileichenvorrats der Partei. Zu diesem Zeitpunkt werden Bezahlpiraten von ihrer Bank an den alten, nutzlosen Dauerauftrag erinnert und jeder zweite wählt daraufhin das Richtige. Nicht immer ist Sparen so einfach. Nicht immer kann man auf unnötige Ausgaben so leicht verzichten.

Für 2019 werden daher 20 weitere Austritte erwartet. Voraussichtlich 2024 wird die "Mitmachpartei" (Eigenwerbung) in die mitgliederfreie Betriebsphase eintreten. Trotzdem gibt es eine Menge zu tun, wie die Anwesenden seit Jahren besprechen. Auch in einer schrumpfenden Partei werden die politischen Sorgen nicht kleiner.

Zum Glück kosten gute Ideen nichts, und Beschlüsse zu fassen und Sitzungsprotokolle zu schreiben auch nicht. Die sparsame Piratenpartei hat so gut wie keine Ausgaben. Als einzigen Luxus gönnt sich die aktuelle Riege seit drei Jahren einen zweiten Miet-Server, um die gewaltige IT-Infrastruktur der Partei von der alten auf moderne Elektronik zu übersiedeln. Ein schwieriges Vorhaben, denn die Urheber der internen Computer-Landschaft sind schon lange fort und haben ihre Geheimnisse in eine Existenz jenseits der Piraten mitgenommen. Die meisten virtuellen Räder drehen sich noch fleißig und sind rund um die Uhr bereit für die politisierten Massen. Massen, die freilich nur mehr als digitale Schatten in verstaubten Abraumhalden aus Protokollen, Absichtserklärungen, Presseaussendungen, Shitstorms sowie schiedsgerichtlichen Bescheiden vergessener Organträger existieren. Ein elektronisches Geisterschiff mit Gespenstern der Vergangenheit gewissermaßen, aber auch ein Geisterschiff braucht Kapitäne und zielgerechte Steuerung. Ein Job für die versammelten Persönlichkeiten.

Auf der Versammlung halten sich die Führer und Vordenker nicht auf mit nostalgischen Erinnerungen an die frühere eruptive politische Kraft wortgewandter Parteigänger. Der Mangel an Basis-Beteiligung tut der Geschäftigkeit auf der Veranstaltung keinen Abbruch. Oberpirat Harald "Vinpei" Bauer, seit fünf Jahren de-facto Chef der anderen Führungsorgane, spricht gleich zu Beginn das heißeste Eisen an: Zu wenige Befehlsempfänger für die ehrgeizige Strategie der anwesenden Funktionäre. Die seit Jahren verfolgte Gewinnstrategie: zugkräftige Themen finden, Themen aggressiv und strategisch unter die Leute bringen, gewählt werden, mitregieren. Das klingt einfacher, als es in der Praxis ist, vor allem, wenn an allen Ecken und Enden das geistige Rüstzeug fehlt.

Roland Schneider, langjähriger Ex-Bundesgeschäftsführer, bedauert in seiner Wortmeldung Piratenchef Harald Bauer und den Umstand, dass auch 2018 weder die Facebook-Seite der Partei noch die öffentlichen Protokolle der wöchentlichen Vorstandssitzungen Menschen in die Partei locken konnten, die bei der Umsetzung der Vorstandspläne "helfen". Aus rätselhaften, geradezu unheimlichen, Gründen ist die schrumpfende Mitgliederbasis seit Jahren völlig ohne Reaktion auf Anschreiben oder heroische Appelle an die Piraterie. Die Basis will ums Verrecken nicht mitmachen, worin wohl der Grund für das gemächliche Verrecken der Partei zu suchen ist. Für Strategie verdient die gesundgeschrumpfte Organisationen einen Einser, aber wenn die ehrenamtlichen Umsetzer fehlen, kann wohl auch der Teufel keinen Bundesvorständer ins Parlament bringen.

Harald Bauers Unmutsäußerung über Basis-Gleichgültigkeit ist mitreißend genug, um bei den anderen Teilnehmern Solidaritätskundgebungen mit und tröstende Worte für Harald "Vinpei" Bauer auszusprechen. Sie alle halten Harald "Vinpei" Bauer die Daumen und marschieren im Geiste mit in eine strategische Zukunft. Auch die Dringlichkeit der EDV-Umstellung wird angesprochen, allerdings endet die Erörterung mit der Einsicht, dass niemand der Anwesenden, das heißt: niemand in der Partei, Computer oder die Wirkungsweise der installierten Programmierungen versteht. Einstweilen muss ausreichen, dass der zweite Server gemietet ist und bis auf weiteres geschont wird. Vielleicht schon nächstes Jahr könnten sich fleißige Heinzelmännchen melden für den digitalen Wandel auf den anderen Server, wer weiß? Auf Facebook sind schon größere Wunder passiert.

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So kennen Journalisten Harald "Vinpei" Bauer von seinen Presseaussendungen. Vielleicht aber auch nicht.

Friedrich Gsellmann ist Parteivertreter der aufgelassenen Landesorganisation Vorarlberg. Man könnte auch sagen: Friedrich Gsellmann IST die aufgelassene Landesorganisation Vorarlberg und hat als einziger Zeit für ein robustes Thema, namentlich die Zusammenlegung der freiwilligen Feuerwehr von Blumenegg mit der von Thüringen. Ein Thema, das der eingefleischte Pirat seit 1971 angestrengt vorantreibt. Langsam gäbe es Fortschritte, so Gsellmann, auch wenn es deswegen zu gelegentlichen Shitstorms im Facebook von Thüringen käme. Das Interesse der österreichischen Massenmedien sei noch immer viel zu gering, der politische Gegner des Fusions-Unterfangens sei noch immer übermächtig, da heisse es weiterkämpfen, leider alleine. Zu diesem Zweck will der sympathische Mundartsprecher auch nächstes Jahr wieder ins Facebook schreiben.

In so einer Arbeitsumgebung kommt es selten zu Misstönen oder Streit. Dafür ist das heutige Politbüro zu ruhig, zu gereift und zu sehr mit der Besinnung auf die eigenen Kräfte beschäftigt. Kaum zu glauben, dass eine frühere Ausformung der Partei durch öffentliche Faustkämpfe und aufsehenerregende Interviews die Republik in Atem hielt.

CC-BY-SA 3.0 https://wiki.piratenpartei.at/wiki/Datei:Cosma.jpg

Cosma Tieber ist die jüngste im Kreis der SpiztenpolitikerInnen und erst seit 2017 bei der Piratenpartei. Als Frau lebt Tieber selbstverständlich für Frauenpolitik. Als moderne Internetbewohnerin weiß die Powerfrau Youtube durchschlagkräftig einzusetzen, wie z.B. hier:

2018 hatte und hat Tieber die Aufgabe, darüber nachzudenken, wie man mehr aktive Gratis-Befehlsempfänger in die Partei bringen könnte, und darüber hat Tieber 2018 nach eigener Aussage sehr viel nachgedacht. Das wäre ein passendes Schlusswort für die Veranstaltung gewesen, aber noch einmal meldet sich Harald "Vinpei" Bauer. Er lässt es sich nicht nehmen, in der erlauchten Runde auf die thematischen Alleinstellungsmerkmale der Piratenpartei Österreichs hinzuweisen. Zackig und prägnant die Aufzählung des Oberpiraten: mehr Bildung, höhere Einkommen, mehr Gesundheit, mehr Freiheit, mehr Frauenrechte auf Kosten der Allgemeinheit, Fusion der freiwilligen Feuerwehren Blumenegg/Thüringen, sowie Klimastopp und Weltfriede. Da hätten wir doch alle was davon, nicht nur Piratenparteifunktionäre. Applaus für Piraterie. Ende der Veranstaltung. Sie gehen einig auseinander und freuen sich auf die Bundesgeneralversammlung 2019.

Tja, schade, schade, schade, dass niemand mitmachen will bei der Mitmachpartei, denn den Funktionären mangelt es nicht an Ideen für Gesetze, die unsere Republik schöner und gerechter machen werden. Daher eine Bitte an alle talentierten und tüchtigen Menschen: meldet euch bei Harald "Vinpei" Bauer um den geplagten Parteichefs zu "helfen". Dichtet und verteilt Flugblätter, bemannt Infotische, macht endlich den neuen Parteicomputer flott, geht für die Piraten auf die Straße, denkt euch Kampagnen aus für Facebook, schreibt zugkräftige Artikel. Denn von alleine kommen Vordenker und Visionäre nicht ins Parlament, und ohne Einzug kein gesellschaftlicher Wandel, wie jeder mündige Bürger weiß. Es ist bereits sehr dringend, denn der Rechtsruck hat vor Österreich nicht halt gemacht. Die Antwort auf Kurz und Strache heißt Vinpei und Cosma. Mehr Demokratie wagen! Im Namen der Republik!

Neugierig geworden? Hier das Basis-Blog, in das ausschließlich höchste Funktionäre und Ex-Funktionäre schreiben: https://basis.piratenpartei.at

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hagerhard

hagerhard bewertete diesen Eintrag 18.10.2018 08:30:08

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