Die Entwicklung seit der Gemeinderatswahl 2010 hat sich 2015 bestätigt: Simmering ist blau. Edmund Sackbauer ist entweder nicht zur Wahl gegangen, oder hat gar sein Kreuz angefressen bei der FPÖ gemacht. Die überzeugten Christlichsozialen und die Bobos wählen zunehmend SPÖ. Das Herzschlagfinale in Favoriten und Floridsdorf ging sich noch einmal knapp für die SPÖ aus. Die Hofratswitwe, der christlich-soziale Großkoalitionär und die fahrradfahrenden Bobos haben die SPÖ-Verluste verschmerzbar gemacht.
Wie kann die SPÖ Wien in 5 Jahren die Hackler zurückholen?
- Empathie statt dem belehrenden, moralischen Zeigefinger: Es kommt nicht gut an, wenn man Menschen kollektiv als dumm bezeichnet. Menschen im Internet für Rechtschreibfehler auszulachen ist widerwärtig. Es sind die „kleinen Leute“ (Buch von Ernst Hinterberger), die immer die sozialdemokratische Festung in der Vergangenheit gehalten haben. Sie müssen durch Empathie, durch neue Arbeitsplätze und Ehrlichkeit im Herzen überzeugt werden. Jeder Arbeitsplatz ist dabei gleich viel wert. Sich über Strache „lustig“ zu machen, weil er Zahntechniker ist, ist ein indirekter Schlag in die Magengrube eines jeden hart arbeitenden, fleißigen Gesellen. Die Arbeitsplätze müssen gut bezahlt, sicher und „zukunftsfit“ sein. Der Gedanke des Zusammenhalts darf nicht moralisch belehrend eingefordert, sondern detailliert, persönlich, ehrlich und sanft nähergebracht werden.
- Rückkehr zum Stammtisch: Der Wiener Stammtisch muss tiefrot werden. Dafür benötigt es Personen ohne Berührungsängste, die mutig für ihre Meinung einstehen, und sich nicht vor braunen Rülpsern fürchten. Die Meinungshoheit am Stammtisch wird durch Durchhaltevermögen gewonnen. Dabei ist die Balance zwischen „Er ist einer von uns“ und „Er ist ein studierter Weltfremder“ schwer zu halten, aber zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Hier werden junge, hungrige Sozialdemokraten am Stammtisch gebraucht, die hart im Nehmen sind und unerschrocken für Zusammenhalt werben. Dann wird „man“ halt mal geschimpft: Na und? Wir sind nicht aus Zucker und kommen wieder!
- Sozialdemokratie in den Mittelpunkt: Welche Freiheit, welche Gleichheit und welche Solidarität ist gemeint? Die SPÖ Wien hat die Arbeiterinnen- und Arbeiterverluste hauptsächlich durch grün-affine Frauen und vernünftige Menschen aus dem oberen Mittelstand, bzw. den Wohlhabenderen kompensieren können. Grund dafür sind Standhaftigkeit beim Thema Asyl, die Stabilität und die ausgezeichnet funktionierende Stadt. Die Furcht vor einem Bürgermeister Strache haben viele SPÖ wählen lassen, die das sonst nie in Erwägung gezogen hätten. Aber was ist mit den Arbeiterinnen und Arbeitern? Viele Menschen, die laut eigener Einschätzung Nichts mehr zu verlieren haben, die ModernisierungsverliererInnen, Langzeitarbeitslose und NiedriglohnverdienerInnen sind, wählen die FPÖ nicht mehrheitlich aus Ausländerfeindlichkeit, sondern weil sie den „Großkopferten“ eins geben wollen. Sie sehen die FPÖ als „Anti-Establishment“ und als Allianz gegen „die da oben“. Nicht umsonst gibt es den Wahlslogan: „Rache mit Strache“. Wer soll sich hier an wem rächen? Es sind die Menschen mit dem „Bummerl“, die bei solchen Sprüchen sich angezogen fühlen und den Krawattenträgern eins überziehen wollen. Die SPÖ Wien muss wieder die Verteilungsgerechtigkeit arbeitsmarktpolitisch und kommunikationstechnisch in den Mittelpunkt stellen. Und es muss klar erklärt werden, dass sich Solidarität nur für Alle ausgeht. Wenn sich die Kleinen beginnen, gegenseitig die Augen auszukratzen, gehen Alle unter. Das muss ohne intellektuelle Überheblichkeit, mit sozialer Sensibilität, ohne moralischen Zeigefinger und ohne Anbiederungsversuche umgesetzt werden.
- Mehr intellektuelle Reibung zulassen: Intellektuelle Reibung zieht QuerdenkerInnen an. Die SPÖ braucht mehr Personen, die auffallen, komplexe Gedanken detailliert überdenken und ausdrücken können und die einen „Amtsbonus“ kriegen. Personen mit Ecken und Kanten. Vielleicht sind viele Hilfsarbeiterinnen und Hilfsarbeiter mit Kreisky nicht „warm“ geworden und wären nie auf ein Bier mit ihm gegangen. Aber sie haben ihn für gescheit gehalten und so Mancher hat ihn sogar bewundert. Mehr Intellektualität würde die SPÖ inhaltlich weiter bringen und mehr Zustimmung in der Bevölkerung hervorrufen.