Vor ein paar Tagen, es hatte über 30 Grad, führte mich der Zufall, vielmehr der Durst in ein Vorstadt-Caféhaus. Jedlesee, in einem schmuddeligen, kleinen Einkaufszentrum neben einem riesigen Gemeindebau (Nittel-Hof), der Anfang der 80er Jahre noch als Vorzeige-Projekt galt. Jetzt ist der Komplex abgewohnt, mit wild verwachsenen Balkonen.
Viele Menschen mit Migrationshintergrund sind mittlerweile eingezogen, die Mieter, die 1979 eingezogen sind, haben das Pensionsalter erreicht. Es sind nicht mehr viele, die sich als echte Wiener in diesem Bau sehen. Ihr Selbstbildnis ist geprägt von sich auf- und ab schwellendem Frust in ihrem Lebensumfeld.
Das Café ist düster, in einer Ecke dröhnt eine alte Klimaanlage ohne zu kühlen. Die Serviererin aus Bosnien schwirrt mit ihren Tabletts auf denen ausschließlich Biergläser stehen, durch das Lokal, als ob es angenehme 23 Grade hätte.
Ich bestelle Mineral, setze mich in den Schanigarten, um dem Zigaretten-Küchenmief zu entgehen. Alle Tische sind besetzt, also frage ich zwei ältere Herren, ob ich mich dazusetzen darf.
„Setz' di her do, is genug Platz!“
Kellnerin Isabella aus Bosnien schenkt mir ein und ein Lächeln. Dann höre ich den beiden Männern zu. Der eine, 65, vielleicht 70, dünn, sonnengebräunt, der andere, Alter vielleicht 70, weit über 100 Kilo, verschwitztes weißes Huber-Trägerunterleiberl. Beide trinken Bier.
„Was die da derzeit aufführen ist doch a Wahnsinn!“
„Wos haßt Wahnsinn, des is kriminell!“
„Der Kurz soll erst Matura mochen und dann kann er groß reden. Oder is der ned a Studierter?“
„Is doch scheißegal, der Kern is aa a Studierter und redt' nur wie's eam die anderen einsagen.“
„De ham alle Spindokota, so heißt des!“
„Ja spinnert vielleicht!“
Der Huber-Trägerunterleiberl-Träger lacht.
Irgendwie werde ich, obwohl nur Mineralwassertrinker, in das, vom Bierkonsum geprägte, Gespräch hineingezogen.
„Stimmt doch,....?“ Der Huber-Trägerunterleiberl-Träger sieht mich an, wartet.
„Ja, ja aber ….“, ich zögere hoffe darauf, dass Isabella vorbeischwirrt.
Der Sonnengebräunte unterbricht mich.
„I hob 40 Jahre lang SPÖ gewählt. Nachm Gusenbauer bin I auf FPÖ umg'stiegen.
De ham die Gastarbeiter olle bevorzugt, mi hams mit 55 kündigt! Nach 25 Jahren bei der Baufirma wo I g'hackelt hab!“
„Und seither sind sie arbeitslos?“
„Ja, mi nimmt jo kana mehr, g'lernter Bauspengler und bei dem Wetter, scheiß auf a Hockn am Bau! Hams eh die Afghanen, die die Hitz g'wöhnt san!“
Der Huber-Trägerunterleiberl-Träger, legt nach: „ ...und Türken, die den anderen anschaffen, was mochn sollen“
„Ja, ja, Mulitreiber aus Anatolien“, der arbeitslose Bauspengler blickt über seine Lesebrille zu mir.
Ich bleibe ruhig, signalisiere, dass ich aufmerksam zuhöre, indem ich mich ein wenig nach vor beuge.
Beide reden jetzt lauter. Ihr Grant ist unüberhörbar im Schanigarten.
Im Laufe des Gesprächs beginne ich zu fragen.
„Was ist jetzt an der SPÖ schlecht?“
„Die fahren alle über uns drüber! Kassieren fette Gehälter. Unsere Super-Bezirksräte san nur guad, wanns an neichen Kindergarten aufsperren, wo lauta Kinda von Ausländer san. Bei uns im Park, auf da anderen Seitn, hörst ka deutsches Wort mehr. Vorn, bei der Kreuzung san jetzt zwa, (er betont die Zahl extra noch einmal) zwaaaaaa, Kebap-Standln, da woa früher a Würtslstand. Die ham den Besitzer afoch wegdrängt...wenn die Muselmannen mit ihre Haberer a Sit-In gmocht ham!“
Er habe so erzählt er dann, immer SPÖ gewählt. Familientradition. Aber wie Wien begann nicht mehr so wie früher zu sein und alles getan wurde um die Ausländer, für die er unzählige Bezeichnungen (Gsindl, Deppen, Hirnlose, Bunte, Mulitreiber, Schmarotzer, Kopfabschneider, Betrüger, Arschlöcher, Kulturlose, Teppichbeter, Kepab-Gfraster u.s.w.) hat, hier zu bevorzugen, war klar, dass muss man ein Partei wählen, die weiteren Zuzug verhindert.
„Die ganzen Türken hättens scho vor Jahren ned einelossen dürfen,“ sagt der Huber-Trägerunterleiberl-Dicke. „Und jetzt sans do und man kann's ned hamschicken!“
Viele, entgegne ich, sind hier geboren, das geht nicht.
„Ollas geht, hod man schon unterm Hitler g'sehen“, fast flüstert der Braungebrannte jetzt … „Juden waren bis 1938 unterm Glassturz, da hams auch G'sagt, die sind so mächtig, und wie wir olla wissen, wars ganz anders. Wos jetzt ned heißt, dass ich das gut find'! Diese Judenmorde waren ned richtig.“
Er macht eine Pause, nimmt einen Schluck Bier.
„Aber Juden sind lang ned so a Plag, wie die Ausländer heut' in Wien“.
Der Huber-Trägerunterleiberl-Träger ergänzt: „I tät die olle überprüfen, wurscht ob hier geboren oder ned, Staatsbürgerschaft hin oder her, wer ned augenblicklich unsere Gepflogenheiten annimmt, kann hamfliagen! Abwerfen über Istanbul, ohne Fallschirm.“
Er hat tatsächlich „Gepflogenheiten“ gesagt!! Ich bin überrascht.
„Die FPÖ wähl ich nur, weil's klar gegen die Multreiber sind. Ollas andere ist bei denen ja in Wahrheit genaus so eine Trottelei wie bei der SPÖ oder der ÖVP.
Ich frage: „Und die Neos oder die Grünen?“
„Die Neos, des san die Rosanen? Gell? Lauter Lesben und Schwule!“
Der Braungebrannte unterbicht ihn: „Geh sei ned so teppert, die Schwulen- und Lesbenpartei, san de Grünen! Die Neos san a Vorarlberger Partei, die vor Jahren amal der Kasperl Sima gegründet hat (er meinte in Wahrheit Kaspanaze Sima, der einst eine Vorreiterrolle für die Grünen in Vorarlberg inne hatte).
Gelesen haben beide offenbar ab und zu etwas, die Grenzen der Wahrnehmung sind allerdings schon getrübt. Nicht nur an diesem heißen Tag nach dem stetigen Biergenuss.
Der Huber-Trägerunterleiberl-Träger bestellt bei Isabella noch 2 Bier und ein Wiener Schnitzel. Er blickt ihr nach: „Des warat wos, mit ihr, aber, des moch i ned!“
Warum, frage ich. Mit Ausländerinnen will er keinen Sex, erklärt er.
„De ham olle irgendwas und wanns nur Filzgigara sind!“
Der Braungebrannte, sieht das etwas lockerer: „Von der Bettkanten tät ich sie ned stoßen! Außerdem i hob a Freundin, die kommt aus Kroatien, a wilde is des, kann I da sogn, manchmal muss ma tolerant sein, sonst kummst ned zum Pudern,“ er lacht. Der Dicke grunzt etwas, das sich anhört wie, „Du notgeiler XCXYAYC ….“
Ich will noch einmal wissen, was die SPÖ so enttäuschend macht.
„Habt ihr schon mal versucht mit einem SPÖler zu reden, um ihnen das zu sagen, was euch nicht passt?“
Da im Café, sei mal ein Bezirksrat gewesen, der hatte Feuerzeuge und Kugelschreiber verteilt.
„Ich rauch seit 20 Jahr nix mehr und da Kuli war nach dreimal Kreuzworträtsel lösen in der Krone leer, was soll ich do no sagen?“
Der Braungebrannte blickt mich fragend an während der Huber-Trägerunterleiberl-Träger wieder lauter wird: “Glaubst Du im Ernst i geh zu so an Parteiabend in a Sektion, so wie des früher meine Eltern g'mocht haben? G'scheit reden tuns dort, mehr nicht. Und sie beschließen was die Frauen für einen Kuchen backen sollen für das nächste Seniorentreffen, die können doch nix dortn!“
Ich gebe auf, winke Isabella. „Zahlen bitte....“
Der Huber-Trägerunterleiberl-Träger schaut mich an, lächelt und sagt: „Lass des Börsel stecken, I lad dich ein auf das Kurwasser!“
Irgendwie ist er ein wenig sympathisch, der Huber-Trägerunterleiberl-Träger, aber zugleich weiß ich genau wer mich da eingeladen hat. Er ist einer der vielen ehemaligen SPÖ-Wähler, die täglich rechts blinken und auch wirklich in diese Richtung fahren.