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Kennen Sie auch Leute, die sich gern Tiervideos ansehen? Wahrscheinlich. Oder vielleicht gehören Sie sogar dazu. Süße Babykatzen, ein lustiges Schweinchen in der Badewanne, ein besonders intelligenter Hund, der coole Tricks vorführt: Tiervideos dienen zum Herzerwärmen, zur Beruhigung oder einfach, weil sie lustig sind. Sie werden aber auch oft belächelt. Nach dem Motto: „Leute, stellt euch mal euren Problemen, anstatt euch Tiervideos reinzuziehen.“ Jemand, der zugibt, gerne herzige Katzenvideos anzuschauen, erntet oft mitleidige Blicke.
Ich will hier gar nicht urteilen, ob diese Videos generell gut oder schlecht sind. Was ich mir aber denke, ist: Na, wenn sie den Leuten das Herz erwärmen, warum denn um Gottes Willen nicht? Mir ist kein Fall bekannt, in dem nach Genuss dieser Videos irgendjemand zu Schaden gekommen wäre. Ich sage damit überhaupt nicht, dass Menschen, die gerne putzige Viecherln sehen, die besseren sind. Aber wenn sie von einem harmlosen Video erheitert werden, dann kann das meiner Meinung nach auch nicht falsch sein. Auch Rührung ist für mich sowieso eine Reaktion, die total positiv ist: Schön, wenn wir uns (noch) rühren lassen in einer schon sehr abgebrühten Welt.
Jetzt kann man natürlich sagen: Dieser Hype um die Tiervideos ist typisch für unsere Flucht aus dem Alltag. Wir driften damit in die heile Welt ab, in der es noch Gute gibt (Menschen, die Tiere retten) oder in der das Gute siegt. Oder eine Welt, in der es nur Klamauk und keine Probleme gibt. Aber da sage ich auch: Na und? Seit jeher schaffen wir Menschen uns unsere Oasen, um uns eine Auszeit vom Stress zu gönnen. Wenn sich jemand abreagiert, indem er ein Gewaltvideo ansieht, ist das problematisch. Spielende Welpen sind es sicher nicht.
Lachen auf Kosten der Tiere
Das heißt aber nicht, dass es aus Tierschutzsicht überhaupt keine problematischen Videos mit Tieren gibt. Wenn Tiere sich in den lustigen Videos offensichtlich selbst nicht wohlfühlen, von Menschen zu etwas gebracht werden, das sie absolut nicht wollen, dann ist das selbstverständlich nicht ok. Das heißt: Lachen auf Kosten der Tiere kann es einfach nicht sein, genauso wie es unanständig ist, sich auf Kosten eines Menschen zu amüsieren.
Ein zweiter Punkt, bei dem wir Tierschützer Kritik üben müssen, sind Videos mit offensichtlich fehlgeprägten Tieren. Damit meine ich zum Beispiel Wildtiere, die dem Menschen viel zu nahe sind, als dass es noch artgemäß wäre. Ein Tigerbaby im Bett eines Menschen schaut lieb aus, ist es aber im Grunde genommen leider gar nicht. Greifvögel, die sich mit Hunden anfreunden (die augenscheinlich so geniale Freundschaft über Artengrenzen hinaus), sind nichts anderes als fehlgeprägt. Denn das Tragische ist: So ein Vogel wird nie einen Artgenossen akzeptieren geschweige denn sich mit einem Vogel seiner Art paaren; für sie ist der Hund nun die „Bezugsperson“. Damit haben sie keine Chance mehr auf ein Leben, wie es die Natur eigentlich bestimmt hat. Wenn Videos nun suggerieren, dass dieses eigentlich tragische Schicksal etwas Positives ist, handelt es sich eigentlich schon um Fake News – auch wenn deren Produzenten sich dessen nicht bewusst sind.