Fortpflanzung verbieten und Gender Pay Gap beseitigen

von sciencefiles

Eigentlich können wir nicht nachvollziehen, wie jemand weiterhin behaupten kann, es gäbe ein Gender Pay Gap, das auf Diskriminierung von Frauen zurückgeführt werden kann, aber diejenigen, bei denen der Wunsch die Wirklichkeit überragt, deren Phantasie von keinerlei empirischem Faktum erreicht werden kann, sind in Deutschland (derzeit?) recht zahlreich, und entsprechend wollen wir eine nagelneue Untersuchung in den Reigen all derer einstellen, die zeigen, dass es keine Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt als Ursache des Gender Pay Gaps gibt, dass das Gap vielmehr ganz rational erklärt werden kann.

Altmeister Solomon W. Polachek, der bereits in der Vergangenheit nicht müde geworden ist, an den Verstand der Gender Pay Gapper zu appellieren, und zwar weitgehend erfolglos, was die Frage nach dem Verstand von Gender Pay Gappern auf dramatische Weise neu und auf einer anderen Stufe stellt, aber lassen wir das,… Solomon W. Polachek hat gemeinsam mit Xu Zhang und Xing Zhou einen neuen Anlauf genommen, um zu zeigen, wie man das Gender Pay Gap erklären kann, ganz ohne von hässlichen Bonzen oder sonstigen Ekelgestalten zu phantasieren, die kleine, elfengleiche und verletztliche Weiblein am Ein- und Aufstieg in gutbezahlte(n) Berufe(n) hindern.

Die Erklärung lautet wie folgt:

Bei Heirat oder beim Eingehen einer Partnerschaft sind Männer nach wie vor und durchschnittlich älter als Frauen.

Wer älter ist, hat mehr Zeit, sich Humankapital anzueignen.

Wer älter ist, hat mehr Zeit, in sein Humankapital zu investieren.

Wer älter ist, hat deshalb mehr Erfahrung und ein höheres Einkommen als Jüngere.

Wer Kinder in die Welt setzt, muss sich um die entsprechenden Kinder kümmern.

Dazu gibt es ein Mittel: Arbeitsteilung.

Arbeitsteilung sieht vor, dass derjenige, für den Kindererziehung geringere Kosten mit sich bringt, zuhause bleibt, während derjenige, der hohe Kosten durch Kindererziehung hätte, weiter arbeiten geht.

(Ehe-)Männer sind im Durchschnitt älter als ihre (Ehe-)Frauen.

(Ehe-)Männer verdienen im Durchschnitt und wegen ihres höheren Alters (s.o.) mehr als ihre (Ehe-)Frauen.

(Ehe-)Männer hätten, blieben sie zuhause, um sich um ihr Kind zu kümmern, höhere Kosten als (Ehe-)Frauen.

Deshalb bleiben Frauen zuhause und kümmern sich um ihre Kinder, während Männer weiter arbeiten gehen.

Und wenn Frauen zuhause bleiben, wird das Gender Pay Gap nicht nur aufrechterhalten, sondern größer, schon weil ihr Humankapital relativ zu dem von Männern noch geringer wird.

Simpel – oder?

Man muss schon mit erheblichem Unverstand begabt sein, um das nicht verstehen zu können oder mit erheblicher krimineller Energie, um das nicht verstehen zu wollen.

Geprüft haben Polachek, Zhang und Zhou ihre Annahmen auf Basis chinesischer Daten. Manche werden sich noch an die chinesische Einkind-Politik erinnern. Als Folge der Einkind-Politik ist die Altersdistanz zwischen (Ehe-)Männern und (Ehe-Frauen) und die Bildungsdistanz zwischen arbeitenden Männern und arbeitenden Frauen in China gesunken und der Anteil von Frauen, die arbeiten, gestiegen und die Zeit, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt zubringen auch.

Als Ergebnis davon, so zeigen Polachek, Zhang und Zhou ist der Gender Pay Gap kleiner geworden.

Quod erat demonstrandum.

Die Zusammenhänge sollten mittlerweile bekannt sein, sind es aber entweder nicht, oder werden ignoriert. Wenn sich Männer für die Kindererziehung entscheiden, haben sie die selben Gehalsteinbußen wie Frauen. Der Dreh-und Angelpunkt ist also die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, nicht eine geschlechtsbedingte Schlechterstellung der Frauen. Genau auf dieser Erkenntnis müssen Maßnahmen zur Karriereförderung von Frauen aufbauen. Wenn sich Frauen zur Kindererziehung entscheiden, dürfen sie nicht als ewiggestrig oder unmodern hingestellt werden. Und es muß überlegt werden wie verhindert wird, daß die Familieneinkommen von Familien mit Kindern nicht hinter die Einkommen von kinderlosen Paaren zurückfallen, obwohl ihr Finanzbedarf höher ist. Das ist nämlich der eigentliche Gap.

Frankreich wird zurecht immerwieder als Vorbild für hohe Geburtenraten genannt. Die Gründe sind einfach: das Kindergeld ist dort viel höher, und der Wiedereinstieg ins Berufsleben ist wegen umfangreicher und flächendeckender Kinderbetreuungseinrichtungen wesentlich einfacher. So haben die Familien, im speziellen die mütterliche Seite, wesentlich geringere Einbußen in ihrem Lebensgesamteinkommen.

Dazu gibt es auch einen viel zu wenig beachteten Artikel im Fokus:

Lohn-Märchen

Warum Männer gar nicht mehr verdienen als Frauen

Gleicher Abschluss, gleicher Job, gleiche Leistung - trotzdem verdienen Frauen viel weniger als Männer. Kann das wirklich stimmen? FOCUS MONEY zeigt, warum die gängige Meinung mit der Realität wenig zu tun hat.

Man nehme den durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer und Frauen und dividiere diese Summe durch den durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer - und bekommt dann die Lohnlücke zwischen den beiden Geschlechtern. So zumindest sind die Experten des Statistischen Bundesamts an dieses Problem herangegangen. Bei dieser Rechnung kommt eine Lohnlücke von 23 Prozent heraus, zumindest gilt das für das Jahr 2010.

...

Äpfel mit Äpfeln vergleichen

Die Statistiken fassen die Bruttogehälter von Männern und Frauen über alle Branchen, Qualifikationen, Positionen und Familienstände zusammen. Das ist aus Sicht der Statistiker legitim. Aber so eindeutig, wie diese sehr simple Rechnung suggeriert, ist die Sachlage nicht. Der Vergleich schließt Journalisten und Altenpflegerinnen ein, Bauingenieure und Verkäuferinnen, Automechaniker und Modedesignerinnen, egal, ob in Voll- oder Teilzeit. Das ist schon der erste wichtige Punkt, denn die Geschlechter unterscheiden sich in puncto berufliches Interesse.

Obwohl die Bundesregierung seit Jahren dafür wirbt, dass sich mehr Mädchen für MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) interessieren sollten, ist der Prozentsatz weiblicher Ingenieurinnen immer noch vergleichsweise gering. Die MINT-Quote bei den Absolventinnen lag den Arbeitgeber- und Industrieverbänden BDA und BDI zufolge 2011 bei 20,5 Prozent.

Das heißt umgekehrt, annähernd 80 Prozent der weiblichen Absolventinnen haben beispielsweise ein sozialwissenschaftliches oder Kunstgeschichte-Studium vorgezogen. Gerade in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen lässt sich jedoch meist mehr verdienen. Allein daraus ergeben sich Lohnunterschiede.

Mehr Arbeit, mehr Geld

Ferner spielt die Arbeitszeit eine wichtige Rolle, denn viele Frauen arbeiten in Teilzeit. Wer wegen der Kinder eine Auszeit nimmt, verdient ebenfalls weniger, denn eine durchgängige Karriere wirkt sich auf das Gehaltsniveau aus. Daraus leitet sich häufig auch die Position in einem Unternehmen ab: Wer sich eine Auszeit nimmt, muss damit rechnen, langsamer aufzusteigen. Das gilt im Übrigen auch für Männer. Wenn sie wegen Kinderbetreuung kürzertreten, ist der Weg nach oben nicht selten verschlossen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft berichtigte den Gehaltsunterschied in einer Studie, in der es Gleiches mit Gleichem verglich und Faktoren wie Teilzeitbeschäftigung, Bildungsstandard und Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie familienbedingte Auszeiten berücksichtigte. Dabei kamen die Forscher auf eine Differenz von nur zwei Prozent.

...

Aus seiner Sicht ist die Debatte um ungleiche Bezahlung überholt, Deutschland stünde vielmehr vor einem strukturellen Problem. Unternehmen „müssen sich fragen, wie sie aufgestellt sein sollten und welche Kultur sie schaffen müssen, damit Frauen Karriere machen wollen“.

Der wirkliche Skandal ist nicht die Lohnlücke, sondern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf - und da sind viele Frauen immer noch gekniffen. Männer übrigens auch.

Und schließlich gibt es da noch:

DEUTSCHER BUNDESTAG Ausschuss für Arbeit und Soziales

Schriftliche Stellungnahme

zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 18. Februar 2013 zum ... Entwurf eines Gesetzes zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes für Frauen und Männer (Entgeltgleichheitsgesetz) ...

Dr. Christina Boll, Hamburg ...

1. Entgeltgleichheit kann im Ergebnis nicht verordnet werden. ...

2. Eine Orientierung an arbeitsplatzseitigen Erfordernissen würde zudem falsche Bildungsanreize setzen. ...

3. Statt Ergebnisse von Marktprozessen zu regulieren, sollte der Gesetzgeber im Wege des Abbaus institutioneller Hemmnisse gleiche Zugangschancen von Frauen und Männern zu lohnrelevanten Merkmalen fördern. ...

4. Zur Schaffung gleicher Zugangschancen gehört auch der Abbau bestehender institutioneller Anreize, die die Nachrangigkeit weiblicher Einkommen im Partnerschaftskontext begünstigen. ...

5. Die Lohneinkommen von Männern und Frauen werden sich durch die dergestalt erfolgende Stärkung der Erwerbsanreize auf individueller Ebene, begleitet durch eine die umfangreiche Erwerbstätigkeit beider Partner ermöglichende Infrastruktur, durch das Spiel der Marktkräfte weiter aneinander annähern. ...

6. Familienpolitik kann helfen, klassische Geschlechterrollen aufzubrechen und unbezahlte wie auch bezahlte Arbeit gleichgewichtiger auf beide Geschlechter zu verlagern. Der gesetzgeberische „Hebel“ ist aber auch hier eingeschränkt und kann die Zivilcourage informierter Einzelpersonen vor Ort nicht ersetzen. ...

In beamtendeutsch, aber eigentlich sehr suffizient formuliert. Da gibt's im Grunde nichts mehr daran zu rütteln, aber die Dogmatiker werden das weiter ignorieren, und an ihren längst gescheiterten Patentrezepten festhalten.

ahoy

hellboy

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Claudia56

Claudia56 bewertete diesen Eintrag 06.03.2016 09:05:53

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