Ein Feiertag in Österreich, wie jedes Jahr.
Arbeitsfrei.
Man nimmt sich dann noch den Freitag frei, - auf neudeutsch heißt das „Brückentag“. Dann hat man ein verlängertes Wochenende, so auf vier Tage ausgedehnt. Ist man dann noch evangelisch, könnte man auch den Reformationstag dazunehmen. Aber auch der Katholische soll nicht zu kurz kommen, - er bekommt ja den Allerheiligentag. Möchte nicht wissen, wieviele sich zwischen dem 26. Oktober und dem 1. November einen Kurzurlaub gönnen.
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Danach gehts wieder im normalen Programm weiter. Wars das dann?
War da nicht noch was? Ich weiß nicht, wie es den meisten Österreichern geht, wenn sie auf das Thema 26. Oktober angesprochen werden. Die meisten Jüngeren wissen wahrscheinlich gar nicht, was an diesem Tag war, warum man ihn zum Staatsfeiertag gemacht hat.
Ich weiß es, obwohl ich es nicht bewusst erlebt habe. Aber ich erinnere mich noch daran, als die Leute um die Zeit meines Geburtstages so fröhlich waren, sich umarmt haben. Es ist meine älteste Erinnerung, auf die ich zurückblicken kann. Ich weiß sogar noch, was ich mir gedacht habe, als meine Oma da mehrere Paar Socken neben den Kuchen gelegt hat, in dessen Mitte die Kerzen brannten.
Socken, - wo bleibt denn die Schokolade? Das waren meine Gedanken damals. Aber alle haben sich gefreut, manche haben getanzt. Ich als kleines Kind brachte das mit meinem Geburtstag in Verbindung, - obwohl ich auch nicht genau wusste, was eigentlich Geburtstag bedeutet. Auf jeden Fall was Schönes.
Vielleicht liegts am Alter, dass man sich da vielleicht mehr Gedanken drüber macht als mancher andere. Oft war ich hinterm damaligen Eisernen Vorgang. Irgendwie fühlte ich mich verpflichtet, denen „da drüben“ so gut wie möglich zu helfen. Es war nicht unbedingt mein Verdienst, dass ich auf der einen Seite dieses Vorhangs geboren wurde, und nicht auf der anderen Seite. Was wäre denn gewesen, wenn Figl und Raab den Molotow nicht unter den Tisch gesoffen hätten, wie manche geringschätzig meinen? Hätte ich dieses Leben führen können, wie ich es geführt habe?
Mit Sicherheit nicht. Ich muss meinem Schöpfer und auch so manchen, die heute gar nicht mehr leben, dafür dankbar sein, dass ich in eine Zeit und in eine freie Welt hineingeboren wurde, die mir die schönste Jugend aller Zeiten ermöglicht hatte. Weder vorher, noch nachher hatte eine Generation diese Möglichkeiten, wie sie unsereinem geboten wurden. Ich konnte sie ausleben, hab sie genossen, in mich reingezogen, - die sogenannte „Freiheit pur“. Freiheit, Unabhängigkeit, dazu noch bei Fleiß und Zuverlässigkeit guten Verdienst und dadurch alle Möglichkeiten offen, - es waren einfach andere Zeiten. Auch meine Kinder habe ich bemitleidet, weil sie die Möglichkeiten, die ich damals hatte, nie mehr in Anspruch nehmen konnten.
Mehr als 45 jahre, mehr als zwei Generationen, im Ausland lebend, - musste ich mir eingestehen, wen ich mal durch die Straßen meiner Kindheit gegangen bin:
Die Heimat ist mir fremd geworden. Aber die Fremde ist mir nicht zur Heimat geworden. So war es in Deutschland. Hier in Siebenbürgen ist es anders. Das Land hat von mir Besitz ergriffen. Es ist auch Österreich wesentlich ähnlicher als Deutschland, landschaftlich, auch von der Mentialität der Bevölkerung her. Vielleicht würde ich anders denken, wenn ich in Bayern gelebt hätte.
Aber den Begriff des Österreichers vergessen? Mit Sicherheit nicht. Auch nach Jahrzehnten als Auslandsösterreicher lebend werde ich immer österreichischer Staatsbürger bleiben. Eine andere Staatsbürgerschaft anzunehmen und sie gegen die österreichische einzutauschen, - das wird für mich niemals zur Diskussion stehen. Nach meiner Auffassung gibt es nur zwei Staatsbürgerschaften, die die oberste Wertigkeit auf der Welt darstellen: Das ist die österreichische und die schweizerische.
Allerdings gehöre ich zu den Österreichern, die ihre Herkunft und ihre Staatsbürgerschaft etwas anders als der typische österreichische Vorzeigpolitiker definieren:
Staatsbürgerschaft: Österreich
Nationalität: Deutsch
Weltanschauung: Europäisch
Den österreichischen Staatsfeiertag als „Nationalfeiertag“ zu bezeichnen, da muss ich zwangsläufig etwas lächeln. Aber den Begriff „Staat“ und „Nation“ richtig zu definieren, da muss man wahrscheinlich erst mal viele Jahre im Ausland gelebt haben. Dazu gehört auch Geschichtskenntnis. Die Staatsgrenzen wurden nie von Volkskundlern oder Historikern gemacht, sondern von Herrschern. Und wenn man sich nur ein bisschen dafür interessiert, wie und vor allem wo das Deutschtum entstanden ist, dann wird man auf ein Gebiet zwischen dem heutigen Südtirol und dem Odenwald kommen, und dabei zwangsläufig auf die Nibelungensage.
Vielleicht glaubts heute keiner: Aber die Grenzen waren damals ganz anders festgelegt. Ist aber letztlich egal. Wenn man sich mit den Deutschen aus Lothringen oder dem Elsass unterhält, oder den Deutschen in der Schweiz, oder denen, die im Sudetenland verblieben sind, oder auch den Siebenbürgern, - dann wird man feststellen, wo hier die Gemeinsamkeiten sind und dass wir als Österreicher ein Teil der deutschen Kultur, der deutschen Tradition sind. Irgendwelche Politiker sehen das vielleicht anders, - aber Verwaltungen, für die verschiedene Nationen in einem Staat was Normales sind, sehen das realer.
Beispielsweise Rumänien. Mein Jüngster, der hier aufs Gymnasium ging, bei dem steht im Maturazeugnis: Staatsangehörigkeit: Österreich, Nationalität: Deutsch. Aber auch er ist durch die Staatsangehörigkeit seines Vaters in eine Verpflichtung eingegangen, - nämlich die österreichischen Grundsätze zu respektieren. Deshalb ist er auch als im Ausland lebender nach Österreich gefahren, um seinen Präsenzdienst abzuleisten.
Nun ja, das nur am Rande. Morgen bin ich wieder in Hermannstadt, die Einladung liegt auf dem Tisch. Unser Botschafter in Rumänien lädt jedes Jahr zum Staatsfeiertag alle Österreicher sowie die österreichischen Firmen zu einem Empfang am 26. Oktober ein. Natürlich nehmen wir daran teil. Wir als Auslandsösterreicher begehen den Tag in Würde und in besonderem Bewusstsein. Für unsereinen ist es das Bekenntnis zur Heimat, zur Herkunft und zu unserer Republik.
Auch dann, wenn wir mit so manchem nicht einverstanden sind. Aber das wird an diesem Tage nicht angesprochen. Beim Empfang gibt es keine Parteien, da gibt es nur Österreicher. Ich werde den Botschafter und seine Familie begrüßen, aber kein Wort darüber verlieren, was mir nicht gefällt. Ich werde ihn auch nicht fragen, warum er sich immer noch mit dem Herrn Schweighofer (holzverarbeitende Industrie) in der Öffentlichkeit zeigt, obwohl jeder weiß, dass diese Firmengruppe rigorosen Raubbau an den Wäldern Rumäniens betreibt.
Obwohl jeder weiss, dass viele rumänische Geschäftspartner des österreichischen Konzerns bereits hohe Haftstrafen in Rumänien erhalten haben, - aber der Kopf der Gruppe, Herr Schweighofer, hats immer verstanden, sich da mit weißer Weste herauszuwinden. Obwohl man weiß, dass Herr Schweighofer es geschafft hat, eine zweisprachige Internetseite (deutsch/rumänisch), die sich mit den Machenschaften seines Konzerns in Rumänien intensiv beschäftigt, in Österreich zu verbieten (man kann sie über österreichische Server nicht empfangen).
Nein, ich werde das nicht ansprechen, obwohl ich weiß, dass hier die politischen „Connections“ gewirkt haben. Wie, das weiß ich nicht, aber wie gut sowas funktionieren kann, habe ich ja auch beim Fall von Fiona bemerkt. Trotzdem werde ich nicht den Begriff der „Bananenrepublik“ gebrauchen, obwohl ich manchmal nach Balkantradition geneigt bin, vor verschiedenen Personen auszuspucken.
Nein, ich bin nach wie vor stolz darauf, Österreicher zu sein, genauso wie meine Kinder. Und wir haben jedes Recht darauf, stolz zu sein, denn wir haben viel erreicht. Auch im internationalen Spiel der Politik. Ich kann mich noch an das Treffen Chruschtschow und Kennedy im Jahre 1961 in Wien erinnern. Genauso weiß ich, dass die meisten ausländischen Witschaftsinvestitionen in Rumänien aus Österreich kommen. Und ich bin auch stolz darauf, dass wir in Österreich, - und natürlich außerhalb - trotz unterschiedlicher politischer Anschaungen in erster Linie Österreicher sind, und nichts anderes.
Besonders an diesem Tag.