Klar weiß ich schon zu Beginn des Beitrags, dass mich viele falsch verstehen werden. Nicht extra aus Berechnung heraus, eher darin begründet, dass man eben mittlerweile im Denken in bestimmter Weise geformt wurde. Man denkt mittlerweile so, wie man zu denken hat. So, wie es "gesellschaftsfähig" ist. Was gesellschaftsfähig ist, bestimmt die Politik.
Hatten wir ja schon mal. Die Leute, die noch das DDR-Regime hautnah miterlebt haben, kennen das. Die Wenigen, die noch die 30er Jahre bewußt erlebt haben, genauso.
Ich weiß es. Ich habe mich schon frühzeitig mit der Erlebnisgeneration des 3. Reiches unterhalten, als diese noch zahlreich vorhanden war. Vieles habe ich mitbekommen. Natürlich war ich auch öfters hinter dem Eisernen Vorhang, auch in der DDR, auch in der damaligen CSSR, später auch in Rumänien.
Ich erinnere mich als 14-Jähriger, als wir zu einem Verwandtenbesuch ins Sudetenland fuhren. Da waren wir in Königgrätz und suchten nach einer bestimmten Straße. Weder mein Vater noch ich sprachen tschechisch. Wir fragten einen Passanten, der ziemlich gestikulierend uns auf tschechisch versuchte, den Weg zu erklären. Nachdem er erkennen musste, dass das alles nichts bringt, vergewisserte er sich, dass niemand in der Nähe war, beugte sich zum Autofenster herunter und sagte leise auf deutsch: "Die dritte Straße rechts, bis zur Kirche, und dann die nächste links".
Hat mich ziemlich beeindruckt, - denn was versteht denn ein 14-Jähriger vom Eisernen Vorhang, wenn man die Tante besuchen sollte. Wie soll man denn verstehen, dass man eine bestimmte Sprache nicht sprechen durfte.
Und heute? Ist es heute anders? Es beginnt schon an allen Ecken und Enden auf ähnliche Art. Jeder hat bereits Angst, irgendwas unbedarft auszusprechen. Jeder hat Angst, mißverstanden zu werden. Jeder hat Angst, aufgrund seiner Äußerungen als Rassist, als fremdenfeindlich, als Nazi beschimpft zu werden. Deshalb schweigt man lieber.
Man schweigt zu vielem, auch zu Dingen, die man in den 70er Jahren als völlig unbedeutend oder belanglos eingestuft hätte. Dinge, über die man sich in der damaligen Zeit überhaupt keine Gedanken gemacht hätte.
Was hat sich geändert? Haben wir uns geändert, oder wurden wir geändert? Wir bewegen uns in eine Richtung, die vieles in den Schatten stellen wird, was in den 30er Jahren war. Der Haken: Wir sind dafür blind geworden. Blind deshalb, weil sich der Zug genau in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Das entschuldigt nicht unsere eigene Dummheit, unsere Blindheit, unser falsches Verständnis für den Zeitgeist. Und es entschuldigt schon gar nicht unser Schweigen zu dieser Situation, unsere Ignoranz zur bestehenden Tendenz. Denn damit machen wir uns mitschuldig an dem, was kommen wird.
So wie es unsere Generation zu den Vorfahren gesagt hat, die das braune Regime noch miterlebt haben, werden auch wir einmal mit den Vorwürfen konfrontiert werden: Warum habt ihr nichts gesagt, warum habt ihr geschwiegen? Habt ihr denn nicht gesehen?
Wie komme ich auf diese Gedanken? Der Grund liegt in der veränderten Politik seit den 80er Jahren, was in den letzten Jahren immer extremer wurde. Der Anlass aber liegt in einem Mail, das ich von einem weit entfernt lebendem Mailfreund erhalten habe, - gedacht als Scherz. Genauso habe ich es auch aufgefaßt.
Daraufhin wollte ich diesen Scherz weitergeben, auch an anderen Stellen bringen. Genau da hats bei mir "klick" gemacht, und es sind mir diese Gedanken gekommen. Soll sich mal ehrlich jeder die Frage stellen, ob er noch in der Lage ist, auf so einen Spruch amüsiert zu reagieren, ohne sich irgendwas dabei zu denken. Genauso, wie es in den 70er Jahren der Fall gewesen wäre.
Man sagt immer, "Wehret den Anfängen". Aber man interpretiert das nur in eine bestimmte Richtung, und fördert dadurch die Katastrophe in der anderen Richtung. Sollte wirklich das Heil der Menschheit darin liegen, dass man die "10 kleinen Negerlein" von Otfried Preußler umschreiben musste? Zum Glück erfolgte das ein paar Monate nach dem Ableben des Autors, - er hat das anscheinend nicht mehr erleben müssen.
Nun bringe ich den Spruch aus dem Mail, der als Scherz gedacht war, auch hier. Und ich bin gespannt, wer heute noch in der Lage ist, das als Scherz aufzufassen. Soll mal jeder im Stillen Gewissenserforschung betreiben und sich selber darüber im Klaren darüber werden, wie weit er schon in der gesellschaftlichen Manipulation fortgeschritten ist. Denn dass man in den 70er Jahren über diesen Scherz kein Wort verloren hätte, dürfte wohl unbestritten sein.
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