Schön war es wieder, so wie jedes Jahr, das Neujahrskonzert der Wr. Philharmoniker im Wr. Musikvereinssaal. Es gibt doch noch Dinge, die einem transparent machen, welche schönen Seiten das Leben haben kann. Natürlich spielen hier auch persönliche Erlebnisse eine Rolle, selbst, wenn sie schon Jahrzehnte zurückliegen. Wenn man dort als kleiner Pimpf im Matrosenanzug zusammen mit den anderen auf der Empore bei der großen Orgel gestanden hat und als Wr. Sängerknabe von oben in diesen Musikvereinssaal runtergeschmettert hat, dann erinnert man sich auch noch an unbedeutende Details. Z.B., als ich bei der Probe den Organisten gefragt hatte, warum er denn rechts oberhalb des Notenpultes einen Spiegel angebracht hätte, - schließlich könne er sich ja auch in der Garderobe kämmen. Aber der Mann erklärte geduldig, dass dieser Spiegel eben nicht zur Kontrolle seines Aussehens existiert, sondern für den Blickkontakt zum Dirigenten notwendig ist.

Nun ja, das ist alles lange her, - genauso wie die Erinnerungen an den Bataillonsball im Parkhotel in Hietzing, als man dort in Gala-Uniform und weißen Handschuhen bei denen dabei war, die mit der Polonaise eröffneten. Dazu eine Tanznacht mit 15 Musikern, Violinen, Querflöten, usw. – halt eben noch „Musik“. Gerne würde ich sowas nochmal erleben, - auf natürliche Art, wie damals, nicht im High-Society-Stil wie beim Opernball.

Warum erzähle ich das:

Da gibt es Leute, die meinen, in allem und jedem einen Schatten des 3. Reiches sehen zu müssen. Leute, die einfach nicht differenzieren könne, zwischen der Kunst an sich und dem, der sie für seine Zwecke verwendet hat, auch politischer Art. Klar getraut man sich kaum mehr zu sagen, dass einem Richard Wagner resp. seine Kompositionen gefallen. Ich frage mich, was da Wagner dafür kann, dass irgendjemand, in diesem Fall ein Politiker, dessen Name sich keiner mehr getraut, in den Mund zu nehmen, an seinen Werken gefallen fand und das auch zum Ausdruck brachte.

Was mich aber wieder auf dieses Thema brachte, obwohl der Vorfall bereits einige Jahre zurückliegt, ist die aktuelle Darbietung der Wr. Philharmoniker. Da gibt es einen Super-Grünen (wie könnte es anders sein), der bei den Wr. Philharmonikern da eine verwerfliche braune Vergangenheit vermutet und da immer wieder herumstochert.

https://www.gruene.at/themen/justiz/die-vergangenheit-klingt-nach

Dr. Walser ist übrigens der bildungspolitische Sprecher der Grünen. Jetzt sollte man meinen, das Ganze wäre ja schon einige Zeit her, und da wäre Ruhe eingekehrt.

Mitnichten:

http://operetta-research-center.org/neujahrskonzert-wiener-philharmoniker/

Klar hab ich mich da gemüßigt gefühlt, meine Meinung diesem Herrn Dr. Walser (damals, 2013) direkt per Mail mitzuteilen:

Sehr geehrter Herr Dr. Walser,

durch Zufall bekam ich Kenntnis von Ihrem Statement zu den Wr. Philharmonikern v. 2.7.2013. Danach las ich Ihre Ansichten auf Ihrer Internet-Seite vom Dezember des vergangenen Jahres. Ehrlich gesagt, ich bin entsetzt. Natürlich ist es Ihr gutes Recht, die freie Meinungsäußerung für sich in Anspruch zu nehmen. Das meine ich als Bewunderer von Voltaire, der den Grundsatz der demokratischen Gesinnung in seinem Zitat zum Ausdruck brachte:

„Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür geben, daß du es sagen darfst.“

Ein Grundsatz, der wohl kaum bei einer Partei in seiner ganzen Tragweite zur Anwendung kommt, auch nicht bei den Grünen. Ach ja, - durch die Nennung von Voltaire bin ich bereits in einer braunen Schublade, da diesem Philosophen auch antisemitische Tendenzen nachgesagt werden. Offensichtlich war er im 18. Jhdt. seiner Zeit voraus.

Nun, mir geht es mehr um das moralische Recht, das Ihnen die Legitimation gibt, sich mit der Zeit vor 70, 80 und 90 Jahren in der Form auseinanderzusetzen, daß Sie bewußt in Kauf nehmen, wie eine der wenigen österreichischen Institutionen, die im In- und Ausland anerkannt sind, in den Schmutz gezogen wird. Es stellt sich dabei die Frage nach Ihrer Familienchronik in der Zeit des 3. Reiches. Sie selbst – wie ich auch – genießen ja die „Gnade der späten Geburt“. In vielen Fällen habe ich festgestellt, daß die Nachkommen der Erlebnisgeneration aufgrund des individuellen Verhaltens ihrer Vorfahren in dieser Zeit einen persönlichen Handlungsbedarf konstruieren. Ihr Geburtsort Hohenems hat sich ja, - wenn man genauer nachblättert - in Sachen Judenverfolgung einen Platz in der Geschichte gesichert. Dazu kommt die Frage nach der Begründung durch die Materie selbst, also der Musik.

Um es mit einfachen Worten auf den Punkt zu bringen:

- Sind Sie überhaupt Musiker, haben Sie überhaupt eine Beziehung zur Musik?

- Wie hat Ihre Familie in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt?

Um darauf gleich eine Antwort zu geben, sollten Sie den Ball mir zuspielen wollen:

- Ja, ich bin Musiker, vom 5. Lebensjahr an. Aber ich habe die Musik nicht zum Beruf gemacht, obwohl ich sechs Instrumente spiele und Prof. Heinz Hoppe mir die Gesangstechnik als Bariton beigebracht hat. Ich war auch Wr. Sängerknabe, habe Klavier und Violine an der Wr. Musikakademie erlernt, unter Prof. Morawetz.

- In meiner Familie war es üblich, dort den Mund aufzumachen, wo es notwendig war. Das mußte mein Großvater bereits im Jahre 1940 mit dem Leben bezahlen, als man im Deutschen Reich noch gar nicht wußte, wie man „Widerstand“ schreibt.

Hoffentlich habe ich Ihnen jetzt nicht – ungewollt – die Anregung zur nächsten Spielwiese gegeben, den Wr. Sängerknaben. Auch hier könnten Sie vielleicht Lust bekommen, zu entnazifizieren. Ich erinnere mich da an unseren Dirigenten Froschauer und noch jemanden, dessen Name auch irgendwann verunglimpft wurde. Schließlich spielt es ja offensichtlich keine Rolle für Sie, daß die im 3. Reich maßgeblichen Personen allesamt verstorben sind, - es geht ja um die Demontage eines Namens.

Zum Thema des Nationalsozialismus kann ich nur soviel sagen: Aufgrund des Verlustes in meiner Familie, wodurch meine Großmutter ihre drei Kinder alleine großziehen mußte, habe ich mich schon früh für die genauen Umstände sowie für jegliche Informationen interessiert, die mit dieser Zeit zusammenhängen. Nicht nur, daß ich über ein umfangreiches Archiv über die damaligen Vorgänge verfüge, hatte ich schon als 16-Jähriger die Möglichkeit genutzt, mich mit Zeitzeugen über die Vergangenheit zu unterhalten. Da waren Leute aus dem Widerstand dabei, auch KZ-Überlebende, auch Leute in damaliger NS-Funktion.

Zum Glück hatte ich als Jugendlicher bereits erkannt, welchen Stellenwert ich den Gesprächen mit der Erlebnisgeneration zuordnen muß. Vieles, was in den Schulen als „Geschichte“ vorgelogen wird, konnte ich für mich richtigstellen. Das wiederum führte zur Erkenntnis, daß niemand aus der Nachkriegsgeneration das Recht hat, irgendeinen Zeigefinger in Richtung ihrer Vorfahren zu erheben, verbunden mit dem üblichen Vorwurf: „Ihr hättet doch sehen müssen, warum habt Ihr nicht...“

Diejenigen, die hier am lautesten tönen, haben zumeist die wenigste Ahnung von den Vorgängen und den Zuständen aus dieser Zeit, beginnend nach dem Ende des 1. Weltkrieges. Viele, die einerseits die Verbrechen des Völkermordes unter Hitler anprangern, spielen andererseits die Vertreibungsverbrechen z.B. an den Sudetendeutschen herunter, gewissermaßen als Folge der NS-Zeit, an der diese Volksgruppe selbst schuld sei. Es werden die Vorgänge um den 4. März 1919 ignoriert, genauso die Tatsache, daß die ehemaligen Widerstandsmitglieder, die gegen Hitler an Demonstrationen teilgenommen hatten, genauso von der tschechischen Soldateska vertrieben und enteignet wurden.

Es wird, wie so oft in der Geschichte, mit zweierlei Maß gemessen. Wobei aber nicht aus der Geschichte gelernt wird, was eigentlich unsere Aufgabe wäre, sondern sie meist zur Selbstprofilierung verwendet wird. Dadurch wiederholt sich vieles aus der Geschichte, was man eigentlich besser machen könnte. Damit meine ich die Hexenjagden, die heute wieder Konjunktur haben. Was früher an den jüdischen Mitbürgern vollzogen wurde, passiert heute aktuell an Organisationen, die im 3. Reich bereits existierten. Natürlich auf Personen posthum, weil die sich nicht mehr wehren können, - bis zu Denkmälern, wie erst kürzlich am Innsbrucker Westfriedhof. Dieses Verhalten ist in meinen Augen mehr als schändlich.

Ich habe Ihre Dissertation nicht gelesen, würde das aber nachholen, wenn ich dazu Zugang bekäme. Insbesonders interessiert mich dabei die Aufarbeitung von Ihrem Standpunkt aus in Ihrer engeren Heimat, und inwieweit da bestimmte Namen wie z.B. Hämmerle vorkommen. Dazu frage ich mich, warum Sie erst jetzt zur Aufarbeitung der NS-Zeit der Wr. Philharmoniker kommen und dieses Thema nicht schon vor 30 Jahren im Zusammenhang mit Ihrer Dissertation aufgegriffen haben. Könnte es sein, daß das deshalb unterlassen wurde, weil sich damals noch betroffene Personen hätten rechtfertigen und erklären können?

Wie weit wollen Sie in Ihrer Aufarbeitung der NS-Zeit, mit der Hexenjagd, eigentlich gehen? Ich erinnere mich an Einrichtungen, die mich persönlich betreffen. Z.B. auch an das Gymnasium in Wien XV, in der Dieffenbachgasse, das ich seinerzeit besuchte. Auch das existierte schon lange vor und natürlich in der Zeit des Nationalsozialismus. Vielleicht werden Sie auch hier fündig. Sind Sie wenigstens konsequent und verwenden Sie die Landstraße, wenn Sie z.B. von Salzburg nach München fahren? Denn die Autobahn wurde meines Wissens auch von Hitler gebaut.

Abschließend bin ich der Meinung, daß es genügend Möglichkeiten gibt, sich in der aktuellen Politik für die Interessen der Bürger einzusetzen. Nicht nur in Ihrem Metier, dem Schulwesen, das übrigens den Ausschlag gegeben hat, daß mein jüngster Sohn im Ausland zur Schule ging. Ein mir gut bekannter Volksschuldirektor gab mir diesen Rat, den ich auch befolgt habe. Zum Wohle meines Sohnes. Denn eine umfassende Allgemeinbildung, unter den Prinzipien wie Leistung und Disziplin, das ist seit längerer Zeit in Österreich kaum mehr möglich. Ihre Partei hat einen erheblichen Anteil an dieser Entwicklung. Meine Cousine ist im Schuldienst, meine Schwester in der Verwaltungsbehörde. Ich weiß, wovon ich spreche.

Genauso könnten Sie resp. Ihre Partei wesentlich mehr zur Realisierung der ureigensten Interessen der Bevölkerung beitragen. Beispiel Gentechnik. Es genügt nicht, mit parlamentarischen Eingaben zu argumentieren, es sind wesentlich mehr Aktivitäten nötig. Arche Noah, Global, etc. machen es Ihnen vor. Beispielsweise fand am 12. Oktober letzten Jahres weltweit eine Demonstration gegen Monsanto statt. In über 400 Städten. Ich kann mich nicht erinnern, von den Grünen dazu einen Aufruf zur Teilnahme an den Demonstrationen gelesen oder gehört zu haben. Ihre Partei hat sich völlig solidarisch mit den anderen Parteien verhalten, zum Schutze Monsantos, - die Gründe dafür bleiben im Nebel.

Nun, dieser Brief wird wohl kaum geeignet sein, Sie zum Nachdenken zu bringen. Sie werden weiterhin versuchen, sich mit braunen Themen zu profilieren, weil das in der Politik ein probates Mittel ist. Der Sinn meines Schreibens liegt darin, zu begründen, warum viele, die davon Kenntnis erhalten, dieses Vorgehen als schändlich ansehen; warum ich Ihnen dazu das moralische Recht abspreche.

Dazu kommt der bekannte Umstand, daß bei den Wr. Philharmonikern eine bestimmte Anzahl an Ausländern agiert. Nicht nur aus dem europäischen Ausland, auch von anderen Kontinenten. Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie Sie diese Mitglieder des Orchesters auf diese Art diffamieren? Oder ist Ihnen nicht bekannt, daß diese aus 27 verschiedenen Nationen stammen? Haben Sie sich wenigstens schon einmal bei diesen Leuten entschuldigt oder zumindest um Verständnis für ihren Feldzug gebeten?

Überhaupt hat Ihre Partei offensichtlich ein Problem mit den Wr. Philharmonikern, wenn man die Äußerungen von Frau Wurzer zur Frauenquote betrachtet. Aber es liegt anscheinend im Interesse der Grünen, alles, was mit Kultur und Tradition zu tun hat, im Sinne von Multikulti zu bekämpfen. Beginnend vom Christkindlmarkt bis zu den Wr. Philharmonikern. Demnächst ist die Staatsoper dran, dann kommt wahrscheinlich die Universität.

Nein, Herr Dr. Walser, Sie liegen mit Ihren Bemühungen falsch. Auch, wenn sich kaum einer die Mühe macht, Ihnen einen längeren Brief zu schreiben, ich habs getan. Weil in unserer Familie schon seit Generationen immer das ausgesprochen wird, was gesagt werden muß. Auch, wenn es gegen den Zeitgeist ist. Nun dürfen Sie diesen Brief in die braune Schublade legen. Das ist am einfachsten.

Mit freundlichen Grüßen

Nun, mittlerweile habe ich die Dissertation von dem Herrn gelesen, - man kann sie im Netz finden:

http://www.malingesellschaft.at/buchscans/Illegale%20NSDAP%20in%20T%20u%20Vlb-ocr_verr.pdf

Ab Seite 53 kann man da ganz klar die Verstrickungen der Unternehmen Hämmerle und Rhomberg in Dornbirn nachlesen. Nur: Diese Namen tauchen auch bei der Liste der mittlerweile verstorbenen Ehrenbürger der Stadt Dornbirn auf.

Beide Unternehmen existieren schon lange nicht mehr als Produktionsbetrieb, sondern hauptsächlich als Immobilienstandort. Trotzdem haben sie eine Wirtschaftskraft, die die Potenz eines Herrn Dr. Walser oder überhaupt der Grünen bei weitem überschreitet. Deshalb wird auch hier nicht rumgerührt, - z.B. posthum die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen. Der Schuss könnte ja nach hinten losgehen. Dass das posthume Aberkennen auch juristisch geht, haben erst die Salzburger unter Beweis gestellt.

http://www.vol.at/salzburg-ermoeglicht-posthume-aberkennung-von-ehrentiteln/4580891:

Aber wie soll man denn das begründen, als eingefleischter Vorarlberger die dortigen Ikonen von der Wand zu nehmen? Da ist es schon besser, sich mit den weiter entfernten Wiener Philharmoniker auseinanderzusetzen, - das ist ungefährlicher.

Klar ärgert mich das, - obwohl ich das Neue Jahr nicht gerade mit Ärger beginnen wollte. Aber es ist wieder einmal typisch für die Grünen. Da wird eine Aktivität an den Tag gelegt, die unnötig ist (wie man bei uns sagt) wie ein Kropf. Ob das damit zusammenhängt, dass bei den Grünen keinerlei Traditionsbewußtsein oder Kultur erkennbar ist, weiß ich nicht. Als sie jedenfalls den musikalischen Werbespot im Wahlkampf für VdB produziert haben (facebook, - „Van der Bella wähla“), da hauts jedem, der halbwegs ein musikalisches Verständnis hat, die Sicherung heraus. Nicht, dass ich denen wg. ihrer Werbekampagne böse bin, - das ist jedem sein gutes Recht. Aber wie das gemacht ist, - oje oje. Da steckt übrigens auch wieder Herr Dr. Walser dahinter.

https://www.youtube.com/watch?v=6VQA3xvdXAc

Ich hätte ja nichts gesagt, - wenn die Sache damals in 2013 abgehakt wäre. Aber es geht ja weiter. Bin mal gespannt, ob nach dem 26. Jänner der neue Bundespräsident zu Veranstaltungen der Wr. Philharmoniker erscheint, - und, wie er das seinem Vorarlberger Bildungs-Fuzzy erklären will.

Nun ja, - ich werde mich deshalb nicht länger darüber ärgern, - eine einfache Verachtung tuts ja auch. Aber ich musste mir das aus dem Bauch heraus schreiben, - noch vor dem Abendessen, - damit es mir gut bekommt und mir nichts im Magen liegen bleibt.

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