Aus "gegebenem Anlass", wie es so schön heißt, will ich dieses Thema aus meiner Sicht bearbeiten.
Man bekommt einen Hund aus Ungarn (oder egal, von woher aus dem osteuropäischen Bereich), und will das offensichtlich verkorkste Tier wieder in die Reihe kriegen. Dabei bemitleidet man sich und das Tier bei den Gassi-Gehen-Ausgängen. Ehrlich gesagt, ich kann diese Gedankengänge überhaupt nicht nachvollziehen, ich kann mich höchstens nur darüber wundern.
Wenn ich mir einen Hund zur Haltung im Haus oder in der Wohnung zulegen will, mit dem ich dann immer auf öffentliches Gelände gehe, wo Leinenzwang und Beißkorb Pflicht ist, wo man von anderen Hunden kontaktiert wird und das Tier seine Ausscheidungen nicht dort hinterlassen darf, wo es gerade will, sondern oft nur an bestimmten Stellen, das Ganze noch tangiert mit Straßenverkehr, Autos usw., - dann muss ich mir als normal denkender Mensch darüber Gedanken machen, welche Rasse oder auch Art des Mischlings für mich resp. für diese Situation angebracht ist, und ich muss das Tier in jedem Fall von klein auf haben, max. im Alter von 6 Monaten.
Zur Rasse ist zu sagen, - dass ich mal einen Riesenschnauzer von einer Familie auf deren Bitten übernommen habe, die in einer 50 m² - 2 - Zimmer- Wohnung lebten. Das Tier war im Alter von 9 Monaten schon verhaltensgestört, - es hatte offensichtlich claustrophobische Merkmale. Als der auf freiem Gelände gehalten wurde, ist der nach ein paar Monaten sichtlich aufgeblüht. Hab ihn behalten und er machte mir Freude, bis er aus Altersgründen gestorben war.
Zum Alter resp. das Tier von klein auf halten: Nur da habe ich die Chance, das Tier in eine Welt zu geben, resp. den Rahmen dazu, wo es von Haus aus nichts anderes kennt. Als junges Tier, das noch nicht erwachsen ist, gewöhnt es sich an diese Vorgaben, einschl. Leine, Beißkorb, etc. und ich mache weder mir, noch dem Tier irgendeinen Streß.
Kommt denn niemand auf die Idee, nachzuhaken, wie das Tier vorher gelebt hat, von wo es herkam? Hat denn noch niemand Straßenhunde gesehen und deren Lebensweise und deren Verhalten beobachtet? Nun, da kann ich nachhelfen. Hier in Rumänien gibt es diese Tiere zur Genüge. Ich selbst habe manche davon eingefangen und selbst gehalten, nachdem ich aber deren Wesen und Verhalten vorher tagelang beobachtet habe.
Straßenhunde sind meist Einzelgänger, manchmal halten sie sich in Gruppen auf, dann kommt aber die natürliche Rangordnung zum Tragen. Oft, wenn man mehrere zusammen sieht, handelt es sich um Rüden, die hinter einer läufigen Hündin her sind. Diese Tiere sind in den meisten Fällen nur im Paarungsfall aggressiv, ansonsten eher scheu und weichen den Menschen aus. Einfach deshalb, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Die Leute scheuchen sie weg, treten nach ihnen und die Kinder bewerfen sie mit Steinen.
Jetzt versetzen wir uns mal in die Lage eines Straßenhundes als Einzelgänger. Der ist die Freiheit gewöhnt, macht sein Geschäft dort, wo er will, ist immer auf der Hut vor Menschen, anderen Hunden, Autos usw. Kennt keine Leine und keinen Beißkorb. Jetzt wird dieser Hund eingefangen. Entweder durch die Hundefänger (in Osteuropa sind die Tierfangnetze üblich – das ist ein kreisrunder Rahmen, ca. 1 m Ø und darüber ist sowas wie ein starkes Gepäcknetz gespannt, der wird dann über das Tier geworfen), dabei wird das Tier schon durch den Fangvorgang arg gestresst. Manche legen auch vorher Tranquilizer in Freßködern aus, damit die Tiere in der Schnelligkeit ihrer Bewegungen etwas ruhiger gestellt werden. Dann ist der Stress nicht so arg.
Nun ist das Tier gefangen und kommt nach kurzem Transport in einen Zwinger im Tierheim. Sowas kennt das Tier gar nicht. Dazu kommt was ganz anderes: Links und rechts kläfft es andauernd, das Tier befindet sich in engstem akustischen, manchmal auch optischen Kontakt mit einer ganzen Menge von anderen Hunden, ohne selbst direkten Kontakt (sich beriechen, etc.) zu haben. Das Tier kann nicht, - seinem natürlichen Instinkt entsprechend, dort sein Geschäft machen, wo es markieren will oder irgendwas Spezifisches gerochen hat, - nein, das geht nur in rgendeiner Ecke auf den Betonboden. Wenn mans genau nimmt, sogar in den Haftanstalten gehts humaner zu, da gibts wenigstens den Hofgang, wo die Gefangenen untereinander kommunizieren können. Welchen psychischen Knacks das auf das Tier bewirkt, das muss ich einem normal denkenden Menschen wohl nicht erklären. Stellt sich die Frage, wie lange das Tier in dieser Einrichtung gehalten wurde. Das kommt ja noch dazu.
Jetzt kommt das Tier wieder in irgendeinen engen Transportbehälter und wird nach Österreich transportiert. Während das erste Mal die Bekanntschaft mit der Transporteinrichtung innerhalb einer Stadt vielleicht 15 oder 20 Minuten gedauert hat, ist das aufgrund der Entfernung nun um einiges länger. Bewirkt die nächste Stresssituation für das Tier, das ja sowas nicht gewöhnt ist.
Nun kommt es zum neuen Halter. Dort geht der Stress munter weiter. Da gibts kein entsprechend großes Gelände, wo das Tier erst einmal allein ist, um wieder zu sich selbst zu finden und zur Ruhe zu kommen. Da gibts das Herrchen und vielleicht noch die Familie dazu, die sich intensiv mit dem Tier beschäftigen, um es an den Umgang mit dem Mensch zu gewöhnen. Wieder Stress für das Tier, das sowas nicht gewöhnt ist. Die Hunde, die ich eingefangen habe, blieben erst einmal eine Woche sich selbst überlassen, nur Fressen und Wasser habe ich hingestellt, damit die Hunde nach ein paar Tagen merken, dass durch meine Person eigentlich nur Gutes (Fressen) und keine Bedrohung kommt.
Nun wirds griffig: Jetzt kommt der Gassi-Gang. Das Tier kriegt Leine, Beißkorb und geht gewissermaßen dirigiert auf einem Gelände, das es nicht kennt. Es will immer frei sein, schafft es aber nicht, weil es ja angeleint ist. Dazu kommen noch andere Hunde, vor denen es weglaufen will, weil es diese Hunde ja nicht kennt und als Gefahr empfindet. Es kann aber nicht weglaufen, es ist ja angeleint und muss noch die anderen Eindrücke, wie Autos, vielleicht noch Straßenbahn, etc. wegstecken. Also, man muss schon selbst verrückt sein, wenn man sich da nicht vorstellen kann, dass das Tier dadurch verrückt spielt.
Jeder, der mal versucht hat, ein Tier, das die Freiheit gewöhnt ist, an eine Kette zu binden und dann zu beobachten, was passiert, der weiß, was ich meine. Ich verstehe nicht, wie man glauben kann, dass das angeleinte Spazierengehen, gerade unter diesen beschriebenen Streßsituationen, ein Ersatz für einen Hund sein könnte, der an ein halsbandfreies Leben gewöhnt ist. Nur ein junger Hund, der nichts anderes kennt, kann sich daran gewöhnen, - alles andere ist Tierquälerei. Es dürfte wohl klar sein, dass so ein Hund jede Gelegenheit dazu benützen wird, um auszubüchsen.
Natürlich kann man den Spieß umdrehen und mir vorwerfen, dass ich ja auch nichts anderes mache, als den Tieren die Freiheit zu nehmen, die ich einfange. Stimmt schon, teilweise. Aber die Situation ist eine andere. 5 Hunde auf 6.000 m² zu halten, ist was anderes, als in einer Gemeindebauwohnung. Wie ich schon sagte, - ich halte einen Straßenhund erstmal isoliert alleine, an der Laufleine, wo er eine Möglichkeit von 3 m x 50 m zur freien Verfügung hat. Das ist schon schwer für ihn, das zu akzeptieren, deshalb suche ich mir - wenn ich Bedarf habe – nur Hunde aus, von denen ich den Eindruck habe, dass sie entweder schon mal domestiziert waren oder damit zurechtkommen. Einen einzigen habe ich wieder freigelassen, nachdem ich festgestellt habe, dass er darunter leidet.
Erst nach einer gewissen Eingewöhnungszeit gehe ich mit dem Hund zu den anderen am Platz, damit sie sich beriechen können, gewöhne sie aneinander, und später lasse ich sie einmal in der Woche alle frei, damit sie untereinander Kontakt haben. Allerdings sind es nur Rüden, sonst gäbe es Mord und Totschlag. Voraussichtlich dieses Jahr werde ich den Außenzaun verstärken, und dann wird anstelle der Laufleine ein Gitterzaun innerhalb des Grundstücks parallel zum Außenzaun angebracht, wo sich der Hund dann auf einem Gelände von 2,50 x 50 m frei bewegen kann. Beim „Freigang“ der „Häftlinge“ haben sie Kontakt untereinander, aber mit „Kollegen“ die alle bekannt sind. Hinaus auf öffentliches Gelände kommen sie nie.
Dadurch habe ich genau den Zweck des Schutzes gegen Eindringlinge, die über den Zaun klettern wollen, erreicht, die Tiere sind gesund, und keiner hat eine Macke. Sind alle stressfrei, haben schönes Fell und sehen den Tierarzt nur einmal im Jahr, zur Kombispritze und zur Sichtkontrolle. Natürlich brauchte man etwas Geduld, um ihnen Kommandos und das Gehorchen beizubringen, aber das funktioniert bei allen. Wenn ich mal – im Ausnahmefall – einen Krankheitsfall habe, wo ich in die Praxis des Tierarztes gehen muss (z.B. beim Ultraschall) und ich muss dem Tier einen Beißkorb umbinden sowie es an die Leine nehmen, dann merke ich, was ich dem Tier eigentlich dadurch antue und wie es darunter leidet. Denke, dass jeder meiner Hunde nach dieser Tortur des Anleinens, wenn er wieder auf seinem Platz ist, drei Kreuze macht. Obwohl er ja auch an der Laufleine angeleint ist, - aber da rennt er vom einen Ende bis zum anderen, solange und soviel, wie es ihm gefällt.
Ich muss mir sowieso immer an den Kopf greifen, wenn ich höre, dass Leute, die eine Stunde lang mit einem angeleinten Hund in der Stadt herumgehen, das gut finden und gleichzeitig einen Hund, der an einer langen Laufleine gehalten wird, wo er sich 24 Std. am Tag soviel bewegen kann, wie er will, als gequält bezeichnen. Hinter diese Logik muss ich einmal kommen, - vielleicht gelingt es mir ja mal.
Also, - einen Straßenhund anzuleinen und mit dem spazieren zu gehen, dabei in den Dreck zufallen und die Leine mit aller Gewalt festzuhalten, diesen Stress würde ich weder dem Tier noch mir antun.