Der EuGH muss immer wieder die europäische IT-Standortpolitik aufwecken, damit die globale digitale Wirtschaft aus europäischer Sicht fairer wird.
Mit dem Safe Harbour-Urteil hat der Europäische Gerichtshof zum dritten Mal eine rechtliche Weichenstellung von großer Tragweite getroffen. 2014 kippten die europäischen Höchstrichter die Vorratsdatenspeicherung, weil sie nicht mit den Grundrechten der Europäischen Union in Einklang zu bringen war und kurz darauf stärkte der Gerichtshof die EU-Bürger in ihrem Recht auf Vergessenwerden.
Die US-Handelsministerin zeigte sich über die Aufkündigung des Safe Harbour-Frameworks durch den EuGH enttäuscht, weil sie das Urteil als Gefahr für die transatlantische Digitalökonomie einstuft, das kann man aus amerikanischer Perspektive verstehen. Wenn jetzt aber die EU-Kommissare Frans Timmermans und Věra Jourová mit der 2013 begonnenen Neuverhandlung von „Safe Harbour“ unbeirrt weiter machen wollen, dann sollten wir uns das eines Tages vorliegende Ergebnis genau ansehen.
Hier sei daran erinnert, dass die Zeit eines verbraucherfeindlichen Tricksens in Sachen Datenschutz endgültig vorbei ist. Vor 15 Jahren hat die EU einfach entschieden, dass personenbezogene Daten in den USA hinreichend geschützt sind, wissend, dass es niemals einen der europäischen Rechtsauffassung ebenbürtigen Datenschutz gab.
Einheitlichen Datenschutz in Europa umsetzen
Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden über den uneingeschränkten Zugang der NSA zu allen Daten der Internet-Industrie hat sich das Abkommen als Farce entpuppt. Der Datenfluss in die USA wird nicht versiegen. Da aber auch Alternativinstrumente wie Standardvertragsklauseln juristisch wahrscheinlich ebenfalls als im Widerspruch zum europäischen Datenschutzverständnis eingestuft werden würden, steht der EU jetzt ein heikler Balanceakt bevor. Sie muss die künftigen transatlantischen Datenflüsse auf eine Grundlage stellen, die die Bürgerrechte im Einklang mit dem EuGH-Urteil auf europäischem Niveau schützt und gleichzeitig in die Offenheit des Internets als Taktgeber der digitalen Ökonomie nur minimal eingreift.
Daher ist es von Bedeutung, dass die parlamentarisch ausverhandelte Datenschutz-Grundverordnung parallel zu den Verhandlungen mit den USA rasch in Kraft gesetzt wird. Seit Mitte Juni befindet sich der Gesetzesentwurf in den Trilog-Verhandlungen und wie aus Insiderkreisen zu erfahren ist, gehen auch hier die Wogen bezüglich der beabsichtigten Aufnahme einer Klausel zum Schutz gegen US-Auslandsspionage in den Beratungen hoch. Es bleibt zu hoffen, dass das Europäische Parlament in diesem Punkt unnachgiebig bleibt, weil es für ein zukunftsfähiges Abkommen über die amerikanisch-europäische Datenwirtschaft von kolossaler Bedeutung ist, dass die USA ihre Security-Dienste unter rechtsstaatliche Aufsicht stellen. Mit der Realisierung des Marktort-Prinzips wird es der EU gelingen, industrielle Chancengleichheit zwischen den Industrie-Playern dies- und jenseits des Atlantiks herzustellen.
Aus europäischer Sicht muss man dem EuGH dankbar sein, dass er die europäische Politik in die Pflicht nimmt. Schade ist allerdings, dass es offenbar des Mutes von Aktivisten wie Max Schrems und der Weitsicht von Höchstrichtern bedarf, dass für den IT-Standort etwas weiter geht!
Es braucht für Europa für die Zukunft einer fairen digitalen Weltökonomie zwei Stoßrichtungen: Wir dürfen uns von den USA mit ihrem Rechtsimperialismus nicht vorführen lassen und müssen den Schutz für europäische Daten auch auf Servern in den USA sicherstellen. Und wir müssen parallel dazu die europäische IT-Industrie durch Verwirklichung des digitalen Binnenmarktes samt gemeinsamer Strategie bei Cloud Computing, Big und Open Data sowie innovativen Industrie 4.0-Anwendungen auf ein unüberwindbares europäisches Wettbewerbs-niveau heben.