Chronik des laufenden Weltuntergangs.

Klar, dass in einer Kultur, die auf der Prophezeiung eines Weltuntergangs und der darauf folgenden ultimativen Abrechnung des jüngsten Gerichts beruht, ständig die Welt untergeht. Kleine Chronik der laufenden Ereignisse der vergangenen Woche:

Deutsche Kinder- und Jugendärzte (wusste gar nicht, dass Jugendarzt auch eine Fachrichtung ist) „sind von deutlichen gesundheitlichen und psychologischen Beeinträchtigungen überzeugt“. Wissenschaftliche Basis? „Sehen diese täglich in unserer Praxis.“ Eh klar, weil zu Arzt und Ärztin kommt man, wenn es ein Problem gibt, also sind nach dieser „täglich in der Praxis“ zu sehender empirischen Evidenz 100 Prozent aller Kinder beeinträchtigt.

Auch die Gefahrenquelle ist schnell ausgemacht, Eltern sind ihre Smartphones wichtiger als die Kinder, das kann nur schief gehen. Da doch besser Fernsehen oder Comics oder womöglich noch in einem guten Buch stundenlang versinken, an diese Beeinträchtigungen haben wir uns schon gewöhnt.

An anderer Front kämpfen Datenschützer und Gerichte fürs Vergessen, pardon: das Recht auf Vergessen werden (deutschsprachige Medien haben übrigens den Unterschied zwischen Vergessen und vergessen werden großteils noch immer nicht bewältigt). Dieses ist dem EU-Bürger höchstgerichtlich verbürgt, aber böse neue Welt der Technik: Auf amerikanischen, australischen, chinesischen etc Google-Seiten wird gnadenlos erinnert.

Dieses ist das neue Kampfziel, dass Google weltweit vergessen muss, damit wir vergessen werden können. Damit wissen sich europäische Instanzen einig mit allen autoritären oder totalitären Staaten dieser Welt, die auch wollen dass vieles vergessen wird und dies mit Firewalls in ihren Ländern durchsetzen wollen. Wenn wir also all diese Anstrengungen effizient bündeln sind wir bald wieder dort wo wir vor 2000 waren: In der guten alten googlefreien Zeit. Zuviel Erinnern macht eh nur Falten im Gesicht und Unruhen im Volk.

Und an wieder anderer Front will der Hamburger Datenschützer (eine besonders rührige Instanz des Kampfs gegen die digitalen Beeinträchtigungen, der sich vermutlich im nächsten Schritt mit dem Verband der deutschen Kinder- und Jugendärzten auf einer gemeinsamen Onlineplattform zusammenschließen wird) Facebook dazu zwingen will, dass User das Recht haben auf Facebook anonym zu bleiben, quasi ein Recht auf Pseudonymität. Das ist auch nicht unlustig, weil an anderer Stelle kämpfen Initiativen dafür, dass sie anonyme Hassposter aufdecken, damit Verhalten Konsequenzen hat wie das angeblich früher war, aber das scheinen die meisten gern zu vergessen. Und natürlich ist niemand gezwungen einem Klub wie Facebook beizutreten, dessen Regel im Bekenntnis zur eigenen Person besteht.

So geht die Welt Meldung für Meldung ihrem Untergang entgegen. Haben wir schon erwähnt, dass Facebook im Begriff ist seine erste Internetdrohne von gewaltigem Ausmaß zu starten und Google seine Heißluftballons zur Internetversorgung aus der Stratosphäre steigen lässt? Dagegen müsst man doch was machen! Wir werden natürlich berichten.

3
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Veronika Fischer

Veronika Fischer bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

2 Kommentare

Mehr von Helmut Spudich