Wer je Prüfungsängste ob mit oder ohne Matura erlebte, kann nicht anders als wenigstens ein klein wenig Schadenfreude über den „Geheimnisverrat" (so die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft) zu unterdrücken, der die supergeheimen Prüfungsfragen von Österreichs Erster Zentralmatura ans Licht der Medien und zahlloser Kandidatinnen und Kandidaten brachte.
Da war zuerst vor eineinciertel Jahren das Datenleck am rumänischen Server des Bifie, durch das 400.000 „geheime" Testergebnisse und 37.000 Lehrer-Mailadressen ausflossen. Um das zu beheben verhängte das Unterrichtsministerium gleich ein einjähriges Moratorium über diese neumodische Erfindungen (die meisten Unternehmen wären im Konkurs, wenn sie ein Jahr zur Schließung eines Datenlecks bräuchten).
Dann klappte vor einigen Monaten das Hochladen der so genannten vorwissenschaftlichen Arbeiten auf den vorgesehenen Server nicht, sodass Schülerinnen und Schüler statt dessen entweder USB-Sticks oder einen Ausdruck ihrer Arbeit in mehreren Kopien abgeben mussten. Man fühlte sich versucht ein Kickstarter-Projekt zu starten um dem Unterrichtsministerium einen genügend großen Dropbox-Account zu spendieren.
Und jetzt ein altmodischer Einbruch im Safe einer Salzburger Schule, bei dem die Lateinaufgaben entwendet wurden — zum Glück gibt es einen Plan B, einen verschlüsselten Download von Alternativaufgaben, die jetzt ins Rennen geschickt werden. Hoffen wir, dass die NSA den Schlüssel noch nicht geknackt und ihn Ed Snowden anschließend ins Netz gestellt hat.
Pleiten, Pech und Pannen — das wäre lösbar. Davon abgesehen gibt ein grundlegendes Problem mit der Konstruktion einer Zentralmatura selbst in einem kleinen Land wie Österreich: Hacking wurde im digitalen Zeitalter zum Volkssport, und Smartphones, GoPro-Kameras, bald Smartwatches und Social Media sind überall. Geheimnisse fordern dazu heraus, enthüllt zu werden, ob im Safe von Schuldirektionen oder in verschlüsselten Onlineservern. Darum müssen Handys auch abgegeben werden, wenn Schülerinnen und Schüler zur Matura antreten. Glaubt jemand, dass dies wirkungsvoll und dauerhaft vor Geheimnisverrat schützt?
Good Luck dem Bildungsministerium bei der Lösung eines Problems, an der große und digital wesentlich erfahrenere Organisationen seit vielen Jahren mit großem Aufwand arbeiten und dabei immer wieder viele kleine und manchmal spektakuläre Niederlagen erleiden. Zu viele Menschen sind an der Entstehung und Distribution einer Zentralmatura beteiligt, um Lecks dauerhaft auszuschließen. Die Antwort wäre das, was die Schulen hatten: Dezentrale Strukturen, bei denen es gelegentlich zu Problemen kommen kann, aber nicht zum zentralen Datenleck. Ich wünsche der ersten Zentralmatura, dass sie ihre Prüfung besteht — aber eine Zukunftssicherung ist dies in einer Zeit und Kultur des täglichen Hacks keine.