Es gibt Hoffnung für Europas verkümmerte Digitalindustrie, und sie kommt nicht aus Brüssel, das mit einem Kartellkampf gegen Google und Milliarden-Steuerversprechen für nicht existente „europäische Plattformen" dem digitalen Leibhaftigem aus dem Reich des ungezähmten Kapitalismus begegnen will.
Nein, die Hoffnung kommt aus dem kleinen Finnland am geografisch benachteiligten Rand der Union und sie heißt Nokia 2.0. Vor zwei Jahren stand der kümmerliche Rest des einstigen Handygiganten am wirtschaftlichen Abgrunds, einzig das Geschäft als Netzwerkausrüster (wenig sexy, aber das unverzichtbare Fundament aller goldenen Handys und Smart Watches) als angeschlagener viert- oder fünftgrößter Hersteller war der Rest vom Schützenfest.
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Jetzt ist Nokia am Sprung zum Weltmarktführer durch die Übernahme von Alcatel-Lucent, dem französischen Überbleibsel besserer Zeiten als Telekom-Ausrüster. Wenn es gelingt wäre es eigentliche eine Nokia-X.0-Geschichte, da sich die Finnen im Laufe ihrer 150-jährigen Geschichte ein paar Mal neu erfunden haben, vom Papier-, Gummistiefel-, Traktoren-, TV- und Handy-Hersteller bis zur heutigen Konfiguration.
Wenn es überhaupt gelingt: Denn obwohl sich Alcatel-Lucent bereitwillig verkaufen will (im Wissen, das Nokia Namen und Sagen haben wird) und dies für seine Aktionäre ein warmer Regen wäre, stößt das Angebot von Stunde Null weg auf bewährten Nationalismus. Für Frankreich scheint die Telekom-Industrie so identitätsstiftend zu sein wie Eiffelturm, Bordeaux-Wein, Schimmelkäse und TGV: Eine Sache des „nationalen Interesses", wie die Regierung formuliert. Dabei vergisst sie offenbar, dass Alcatel-Lucent selbst einst ein Übernehmer der US-Lucent war und vor zwei Jahren knapp vor der Pleite stand.
Das nationale Interesse ist jedoch längst ein europäisches, und ohne Fusionen wie diese wird Europas nationales Interesse bald in China liegen, wo mit Huawei (das sich derzeit mit Ericsson um den Titel Weltmarktführer matcht) und ZTE inzwischen die Haus- und Hof-Lieferanten der europäischen Telekombetreiber beheimatet sind.
Nokias Auferstehung von den Fast-Toten macht Hoffnung: Das Land, in dem Pisatest-Sieger daheim sind und das den Kindern Lesen und Schreiben künftig mit der Tastatur und digitalen Medien beibringen will, ist erneut dabei, Europa zu zeigen, dass auch der alte Kontinent ein "Digital Native" sein kann. Es darf daran erinnert werden, dass das World Wide Web eine europäische Erfindung ist (Genf, Cern, 1989) — nur dass der Prophet im eigenen Land offenbar nichts wert ist, bis Pragmatiker andernorts seine Visionen umsetzen und diese profitabel zurück nach Europa bringen.
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Fotocredit: Nokia